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Seit 2011 gibt es den Museumsblog. Bis 31. Juli 2016 waren es Themen, die im Zusammenhang mit den drei Kernbereichen des Landesmuseum Niederösterreich (Geschichte - Kunst - Natur) standen. Mit 1. August 2016 wird das Landesmuseum zum Museum Niederösterreich und somit ist der Museumsblog unter neuer Adresse zu finden: www.museumnoe.at/de/das-museum/blog

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Frauenschwerpunkt 2014

Im Rahmen der Geschichte-Sonderausstellung "Frauenleben in Niederösterreich" (http://www.landesmuseum.net/de/ausstellungen/sonderausstellungen/frauenleben-in-niederoesterreich/frauenleben-in-niederoesterreich) stellen wir wöchentlich ein interessantes und herausragendes Frauenportrait vor. 


Frauenportrait # 34

Marianne Perger – eine kämpferische Frau



Marianne Perger, verh. Hainisch
© Österreichische Nationalbibliothek
http://www.onb.ac.at/ariadne/vfb/bio_hainisch.htm
Aus Baden kommen nicht nur Künstlerinnen, in Baden stand auch die Wiege einer Frau, die in ihrem zukünftigen Leben eine bedeutende Rolle in der Frauenbewegung spielen sollte. Marianne Perger kam am 25. März 1839 in Baden zu Welt. Sie entstammte einer angesehenen Familie. Die Grabmäler ihrer Familie am Badener Friedhof sprechen eine beredte Sprache. Der Kaufmann Josef Perger war 1810–1824 und 1829–1845 Ortsrichter von Gutenbrunn, das erst 1850 in Baden eingemeindet wurde. Er beauftragte den Biedermeierarchitekten Josef Kornhäusel mit der Errichtung einer Villa, heute Gutenbrunnerstraße 1. Sein Sohn Heinrich Perger (1810–1878) wurde 1860 in den Adelsstand erhoben und zog ein Jahr später in den Landtag ein. Dessen Neffen waren bedeutende Sammler und Mäzene, deren Spuren sich noch heute in den Sammlungen des Rollettmuseums finden. Vor diesem Hintergrund wuchs Marianne Perger auf.


1857 heiratete sie den Industriellen Michael Hainisch. Sie wohnten in Aue bei Gloggnitz, wo die Familie ihres Gatten eine Baumwollspinnerei errichtet hatte. Damit gehörte sie der führenden Gesellschaftsschicht der Monarchie an. Trotzdem setzte sie sich sehr bald nach ihrer Eheschließung für eine Gleichstellung der Frau in allen Belangen ein. Ein auslösender Moment für ihre Aktivitäten war das Schicksal eines befreundeten Ehepaares, das infolge der Baumwollkrise nach dem nordamerikanischen Bürgerkrieg sein Vermögen verloren hatte. Die Ehefrau fand ohne Ausbildung keine „der sozialen Stellung ihres Mannes“ adäquate Erwerbstätigkeit. Das zeigte Marianne Hainisch deutlich, wie notwendig auch für Mädchen eine gute Ausbildung wäre. Einer ihrer Leitsprüche wurde in der Folge: „Es gibt überhaupt nichts, was man nicht lernen könnte.“ Und ganz in diesem Sinne war sie eine der ersten Frauen, die in einer Versammlung als Rednerin für die Gleichberechtigung der Frauen im Unterricht und vor dem Gesetze auftrat und die Errichtung von Realgymnasien für Mädchen beantragte. Aus privaten Mitteln gründete sie ein sechsklassiges Lyzeum, das 1891 Öffentlichkeitsrecht erhielt. 1892 wurde das erste Gymnasium für Mädchen im deutschsprachigen Raum errichtet. Die erste Mädchenklasse wurde in den Räumen des Gymnasiums in der Hegelgasse 12 in Wien eingerichtet. 1910 übersiedelte die Schule in das Gebäude Rahlgasse 4.
Marianne Hainisch (ganze Figur sitzend, rechts vorne) mit von links nach rechts: Luise Philipp,
Marianne Zycha, Frieda Edle von Kühn, August Kemetter, Leopoldine Miklas, Marie Perzina,
Josefine Mlczoch und Ottilie Politzer; Bild von Otto Schöller, 1934 © ÖNB, www.onb.ac.at

Nach ihrem ersten öffentlichen Auftreten setzte sie sich in der Folge auch für das Frauenstimmrecht und die Reformierung des Ehe- und Familienrechtes ein. 1902 gründete sie den Bund Österreichischer Frauenvereine, dem damals 13 angehörten, 1914 waren es 90. Unter ihrer Leitung gelang es, den Bund Österreichischer Frauenvereine in den Verein International Council of Women (ICW) einzubinden. 1909 wurde sie dessen Vizepräsidentin. Sie engagierte sich an der Seite Bertha von Suttners in der Friedensbewegung und übernahm nach deren Tod auch die Leitung der Friedenskommission.
Neben ihren öffentlichen Auftritten auf Versammlungen verfasste sie auch zahlreiche Schriften, die sich mit den brennenden Fragen der Frauenbewegung beschäftigten: z.B. „Die Frage des Frauenunterrichtes“, „Die Brotfrage der Frau“, „Frauenarbeit“, „Ein Mutterwort über die Frauenfrage“. 1896 hielt sie im Verein für erweiterte Frauenbildung in Wien einen Vortrag, der sich mit „Seherinnen, Hexen und die Wahnvorstellungen über das Weib im 19. Jahrhundert“ befasste und der auch im selben Jahr im Druck erschien. Es war dies eine Antwort auf Eduard Alberts Schmähschrift, die er gegen die Zulassung von Frauen zum Medizinstudium 1895 richtete.
Nach dem Ersten Weltkrieg widmete sie sich verstärkt der Friedensbewegung und war aktiv in der Fürsorge tätig. Ihr Sohn Michael Hainisch wurde 1920 Bundespräsident der Republik Österreich. Auf ihre Initiative hin wurde 1926 der Muttertag eingeführt. Sie war auch Mitbegründerin der 1929 ins Leben gerufenen Österreichischen Frauenpartei, die endlich Frauen zu ihrem Recht verhelfen sollte.
Marianne Hainisch starb am 5. Mai 1936 im Alter von 97 Jahren in Wien.

Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra

Frauenportrait # 33

Bertha von Suttner

Bertha von Suttner
© Österreichische Nationalbibliothek
www.onb.ac.at

Wer kennt sie nicht, die erste weibliche Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner? Von 1966 bis 1983 blickte man ihr in die Augen, wenn man eine 1000 Schilling Banknote in die Hand nahm. Weitaus häufiger bekommen wir sie heute zu Gesicht, ziert ihr Bild doch in Österreich die 2-Euro-Umlaufmünze.
Aber was wissen wir wirklich von ihr? Hand aufs Herz, wer von uns hat schon einmal ihr Buch „Die Waffen nieder“ in der Hand gehabt oder sogar darin gelesen? Ungewöhnlich wie der Umstand, dass sie, obwohl eine Frau, 1905 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, ist auch ihr Leben.

Am 9. Juni 1843 kam sie als Bertha Sophia Felicita in Prag als Halbwaise zur Welt. Ihr Vater, der k. k. Feldmarschallleutnant Franz Michael Graf Kinsky, war noch vor ihrer Geburt im Alter von 75 Jahren verstorben. Ihre Kindheit und Jugend glichen der anderer adeliger Töchter: Sie genoss die übliche Erziehung, lernte mehrere Sprachen und begleitete ihre Mutter auf deren Reisen. Das Blatt wendete sich, als ihre Mutter Sophie Wilhelmine, geb. Körner, an der Spieltischen der Monarchie das Erbe endgültig bis auf den letzten Heller verspielt hatte. Als Tochter aus gutem Haus hatte Bertha nie einen Beruf erlernt, an Geld für eine Aussteuer und Mitgift hatte es immer gemangelt, so trat sie 1873 eine Stelle als Gouvernante bei Freiherr Karl Gundakar Ritter von Suttner in Wien an, der auch über Besitzungen in Niederösterreich verfügte, so gehörte ihm etwa das Schloss Zogelsdorf und die Herrschaft Harmannsdorf. Bertha sollte dessen vier Töchter unterrichten. In der Familie gab es aber nicht nur Töchter, es gab auch Söhne. Zwischen dem jüngsten – Arthur Gundakar – und der Gouvernante erwachten Gefühle: ein Ärgernis, nicht nur weil sie eine Angestellte war, sondern auch und vor allem deshalb, weil ein Altersunterschied von sieben Jahre sie trennte – und Bertha war die ältere! Auch heute zählt eine solche Verbindung eher zu den Ausnahmen.

Quelle: OeNB; Weiter Schilling-Banknoten (1945-2001)
http://bit.ly/1mXLOpI
Um eine Vertiefung der Beziehung zu verhindern, entließ die Hausherrin die Gouvernante und vermittelte ihr eine Anstellung als Privatsekretärin bei Alfred Nobel in Paris. Allerdings dauerte das Arbeitsverhältnis nur zwei Wochen, da Nobel in seine Heimat Schweden zurückkehrte. Bertha kam nach Wien zurück. Am 12. Juni 1876 heirateten die Liebenden heimlich, was die Enterbung zur Folge hatte. Für acht Jahre fand das Ehepaar Zuflucht in Georgien am Hof der Fürstin Ekatarina Dadiani von Mingrelien, die Bertha bei einem ihrer Aufenthalte in Bad Homburg kennen gelernt hatte. In Georgien begannen beide sich als Schriftsteller zu betätigen: Bertha von Suttner schrieb – noch unter dem männlichen Pseudonym B. Oulot – für österreichische Zeitschriften Essays und Kurzgeschichten, ihr Mann verfasste Berichte über den Russisch-Türkischen Krieg, der 1877 ausgebrochen war. 1885 kehrten beide nach Österreich zurück. Es kam zu einer Aussöhnung mit der Familie, und das Ehepaar zog nach Gut Harmannsdorf, dem Familienschloss der Suttners, in der Nähe von Eggenburg gelegen.

Nach ihrer Rückkehr in die Heimat blieb Bertha von Suttner weiterhin schriftstellerisch tätig. Mit dem 1889 veröffentlichten Roman „Die Waffen nieder“ wurde sie eine der Gallionsfiguren der Friedensbewegung. Mit diesem Werk liefert sie uns auch ein Sittengemälde ihrer Zeit: Die Heldin des Romans, Gräfin Martha Althaus, verkörpert die typische Tochter aus adeligem Haus. Im Sinne eines klassischen Entwicklungsromans löst sie sich im Lauf der Geschichte langsam aus dem konservativen Gedankengut ihres Elternhauses und wird zur glühenden Pazifistin und Anhängerin Darwins, so wie Bertha von Suttner. Der Roman wurde in zwölf Sprachen übersetzt und erschien in 37 Auflagen, vielleicht auch deshalb, weil er nicht ein politisches Manifest präsentierte, sondern das von vielen in dieser Zeit erlittene Schicksal einer Frau, die ihren ersten Mann im Krieg verliert und ihre Verwandten durch die Choleraepidemie, die als Folge eines Krieges auftrat.
In der Folge beteiligte sich Bertha von Suttner aktiv an vielen der sich in Europa konstituierenden Friedensvereine. 1891 forderte sie in einem Artikel in der „Neuen Freien Presse“ die Gründung einer „Österreichischen Gesellschaft der Friedensfreunde“. Sie wurde deren erste Präsidentin und blieb dies bis zu ihrem Tod 1914. Anlässlich des Weltfriedenskongresses in Rom wurde sie 1891 zur Vizepräsidentin des „Internationalen Friedensbüros“ gewählt. 1892 gründete sie die „Deutsche Friedensgesellschaft“. 1899 war sie an den Vorbereitungen zur „Ersten Haager Friedenskonferenz“ in Den Haag beteiligt. Daneben setzte sie sich auch für den Tierschutzgedanken ein. In dem 1898 erschienenen Werk „Schach der Qual“ trat sie entschieden gegen Tierversuche ein.
Ihr Privatleben verlief nicht ganz so positiv. 1889 war die Nichte ihres Gatten, die sechzehnjährige Marie von Suttner, in ihren Haushalt eingezogen. Zwischen dem blutjungen Mädchen und ihrem 39jährigen Onkel entwickelte sich eine Liebesbeziehung, die bis zu dessen Tod 1902 andauerte und Bertha von Suttner schwer verletzte.

Nach dem frühen Tod des Ehemannes musste das Gut wegen Überschuldung versteigert werden. Bertha von Suttner nahm ihren Wohnsitz wieder in Wien. In den kommenden Jahren finden wir sie auf Reisen zu Kongressen der Friedens- und Frauenbewegungen. So war sie 1904 die prominenteste Teilnehmerin auf der „Internationalen Frauenbewegung“ des Frauenweltbundes in Berlin. Sie reiste für sieben Monate in die Vereinigten Staaten, nahm am Weltfriedenskongress in Boston teil, reiste von Stadt zu Stadt und hielt bis zu drei Vorträge täglich. Sie wurde auch von Theodor Roosevelt empfangen. Eine Krönung erfuhren ihre Aktivitäten durch die Zuerkennung des von ihr angeregten Friedensnobelpreises, den sie am 18. April 1906 in Kristiania in Empfang nehmen durfte.
In den ihr noch verbleibenden Lebensjahren warnte sie vor der Aufrüstung, die in allen Ländern Europas erschreckende Ausmaße annahm. Die zweite Friedenskonferenz 1907 in Den Haag beschäftigte sich schon mehr mit der Regelung des Kriegsrechts und versuchte erst gar nicht, einen Weg zu einem friedvollen Miteinander zu finden. Bertha von Suttner sah dies alles mit großer Besorgnis und mahnte auf ihren Vortragsreisen, die sie u.a. auch wieder in die Vereinigten Staaten führten, vor der Gefahr eines internationalen Vernichtungskrieges. Wie Recht sie mit diesen Warnungen hatte, musste sie nicht mehr erleben. Sie starb am 21. Juni 1914, wenige Tage vor dem Attentat von Sarajewo.
Wenn Sie einmal Zeit und Muße haben: Sie finden den Roman „Die Waffen nieder“ online unter: gutenberg.spiegel.de/buch/die-waffen-nieder-2594/1.

Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra

Frauenportrait # 32

Liese Prokop – von der Sportlerin zur Politikerin

Grundsteinlegung Landesmuseum (Ausschnitt)
am 15.9.2000, Foto NLK Isensee



Ihre ersten Lebensjahre verbrachte Liese Sykora in Korneuburg. Nach dem Krieg übersiedelte die Familie nach Tulln. Ihr Vater Dr. Hans Sykora wurde später Bezirkshauptmann. In Tulln besuchte sie wie ihre Geschwister die Volksschule und das Gymnasium. Nach ihrer Matura 1959 begann sie mit einem Studium an der Universität Wien in den Fächern Biologie  und Sportwissenschaften. Nach acht Semestern musste sie ihr Studium allerdings abbrechen, da ihr Vater plötzlich einem Schlaganfall erlegen war und die kinderreiche Familie – sie waren sieben Geschwister – finanzielle Probleme bekam. Fortan arbeitete sie als Skilehrerin in Annaberg und betreute Schulklassen als Schilehrerin.


Noch während ihres Studiums begann ihre sportliche Karriere: 1961 wurde sie Staatsmeisterin im Hochsprung und brach mit 161 cm den geltenden österreichischen Rekord. 1964 steigerte sie sich auf 164 cm und schaffte so das Limit für die Teilnahme bei den Olympischen Spielen in Tokio. Ihr Trainer war Gunnar Prokop, den sie 1965 ehelichte. Ihre sportlichen Ambitionen lebte sie nicht nur in einer Sportart aus. Insgesamt wurde sie 50fache Staatsmeisterin in den unterschiedlichsten leichtathletischen Disziplinen, so im Fünfkampf, im Weitsprung, im Hochsprung, im Hürdenlauf, in der Staffel und im Kugelstoßen. Bei der Universiade in Tokio 1967 wurde sie Weltmeisterin. Auch bei Olympischen Spielen trug sie sich in die Liste der Siegerinnen ein: In Mexiko City 1968 gewann sie die Silbermedaille im Fünfkampf. 1969 gelang ihr der Weltrekord im Fünfkampf mit 5.089 Punkten, den sie im selben Jahr noch auf 5.352 Punkte verbesserte. Als sie diese Rekorde aufstellte, war sie bereits Mutter. Denn 1966 kam ihre erste Tochter Karin zur Welt. 1970 folgte der erste Sohn, Gunnar und 1979 der zweite, Eric.

Liese Prokop gab sich nicht mit ihrer sportlichen Tätigkeit zufrieden. 1969 zog sie als jüngste Abgeordnete in den Niederösterreichischen Landtag ein. 1981 bestellte sie Landeshauptmann Siegfried Ludwig zur Landesrätin für Sport, moderne Kunst, Soziales sowie Jugend- und Familienangelegenheiten. Als erste Frau Österreichs wurde sie 1992 zur Landeshauptmann-Stellvertreterin berufen. Während ihrer Arbeit setzte sie sich immer für die Gleichstellung der Frauen an und betrat damit Neuland. Sie setzte sich für Gewaltschutz ein, förderte das Mentoring und schuf neue Einrichtungen im Land. So gehen auf ihre Initiative  das Niederösterreichische Frauenreferat und die Gleichbehandlungskommission zurück.  2004 wechselte sie in die Bundespolitik. Wolfgang Schüssel berief sie in sein Kabinett als erste Innenministerin Österreichs. Ihre Angelobung erfolgte am 22. Dezember 2004. Auch auf der internationalen Bühne der Politik behauptete sie sich als Frau: Als erste Frau wurde sie 2000 zur Präsidentin der Versammlung der Regionen Europas gewählt und 2002 für eine weitere Periode in diesem Amt bestätigt.

Franz Rupp und Liese Prokop 2004 bei einer 
Veranstaltung des Kulturbezirks St. Pölten,
Foto: Helmut Lackinger
Ihr Tod kam völlig unerwartet. Am 31. Dezember 2006 verstarb Liese Prokop auf dem Weg ins Krankenhaus. Im Gedenken an ihre Leistungen stiftete das Land Niederösterreich den Liese-Prokop-Frauenpreis, der seit 2007 in den Kategorien Wirtschaft, Kunst, Kultur und Medien,  Wissenschaft sowie Soziales und Generationen vergeben wird. Der Österreichische Integrationsfonds vergibt jedes Semester das Liese Prokop Stipendium an sozial bedürftige Studierende mit Migrationshintergrund, die sich im Vorstudienlehrgang oder im ordentlichen Studium befinden oder ihr im Herkunftsland absolviertes Studium in Österreich nostrifizieren lassen.

Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra

Frauenportrait # 31

Susanne Wenger - Ein Leben in Afrika

Susanne Wenger, Foto: Didi Sattmann
Susanne Wenger, am 4. Juli 1915 in Graz geboren, begann ihre künstlerische Ausbildung im Alter von 16 Jahren an der Kunstgewerbeschule in Graz. Danach besuchte sie in Wien die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt, ehe sie an die Akademie für bildende Künste wechselte, wo sie von 1933 bis 1935/36 in der Meisterklasse für Freskomalerei bei Ferdinand Andri und Herbert Boeckl studierte. Während des Zweiten Weltkriegs pflegte sie engen Kontakt zum Bildhauer Heinz Leinfellner und dem oppositionellen Kreis, der sich in seinem Atelier traf. Wenger selbst teilte zu der Zeit ihr Atelier mit Johann Fruhmann, dem späteren Ehemann Christa Hauers, und versteckte dort vom Nazi-Regime verfolgte Künstler. Nach dem Kriegsende hielt sich die Künstlerin zunächst mit dem Verkauf von Hampelmännern über Wasser und arbeitete als Illustratorin für das Kinderblatt „Unsere Zeitung“, für das sie mehrere Titelseiten gestaltete und Kurzgeschichten verfasste.

Als 1947 in Wien der Art Club, eine freie, international ausgerichtete und antifaschistische Künstlervereinigung gegründet wurde, waren Susanne Wenger, Maria Biljan-Bilger und Greta Freist zunächst die einzigen weiblichen Mitglieder. 1948 hielt sich Susanne Wenger längere Zeit in der Schweiz auf und begegnete in Zürich dem Maler und Kunsthändler Johann Egger, besser bekannt als Hansegger, der in seiner Galerie Des Eaux-Vives die aufstrebenden Vertreter der Schweizer Moderne zeigte. Seinem Rat folgend zog Susanne Wenger 1949 nach Paris, wo sie den Sprachforscher Ulli Beier kennenlernte und hei¬ratete. Ein Jahr später brach sie mit ihm nach Ibadan in Nigeria auf. Bei einem Aufenthalt in der Stadt Jebba erkrankte sie an offener Tuberkulose und lag 14 Monate im Spital. Nach ihrer Genesung zog sie 1952 in die Kleinstadt Ede, wo sie zum ersten Mal mit dem Obàtálá-Priester Ajagemo, ihrem späteren Lehrmeister, in Kontakt kam. Ajagemo erkannte in ihr eine würdige Repräsentantin der Yorùbá-Religion und führte sie in deren Mythen und Rituale ein. Nach jahrelanger Initiation und der darauffolgenden Isolati-onszeit wurde Susanne Wenger schließlich selbst zur Òsun-Priesterin geweiht. 1958 ließ sie sich in Oshogbo nieder, um den in Verfall befindlichen Òsun-Schrein zu revitalisieren. Dabei arbeitete sie mit einer Gruppe von einheimischen Tischlern, Holzschnitzern, Bildhauern und Batikkünstlern zusammen, deren Arbeiten Wenger als New Sacred Art bezeichnete. Im Laufe von etwa 20 Jahren entstand der sogenannte Heilige Hain, ein Arrangement aus Architektur, Plastik, Malerei, sowie Religion, Kunst und Natur, dessen Erhaltung heute die wichtigste Aufgabe der New-Sacred-Art-Gruppe darstellt.
Neben dem umfassenden Werk des Heiligen Hains schuf Wenger auch einzigartige Ölbilder und Batiken in der traditionellen Àdire- beziehungsweise in Wachstechnik, die 1985 anlässlich ihres 70. Geburtstags erstmals in größerem Umfang in der Kunsthalle Wien gezeigt wurden. Um ihr Werk zu erhalten, gründete sie 1995 im Zuge einer Ausstellung in der Kunsthalle Krems das Susanne Wenger Archiv, das im Jahr 2004 Räume an der Kunstmeile Krems bezog und 2011 zur Susanne Wenger Foundation erweitert wurde. Der Heilige Hain in Oshogbo wurde 2005 von der unescoin die Liste des Weltkultur¬erbes aufgenommen. Susanne Wenger starb am 12. Jänner 2009 und wurde in einem der Schreine im Heiligen Hain in Oshogbo beigesetzt.

Text: Alexandra Schantl, aus dem Ausstellungsbegleiter der Ausstellung "Ausnahmefrauen - Christa Hauer, Hildegard Joos, Susanne Wenger" (30.11. 2013 – 12.10. 2014) im Landesmuseum Niederösterreich

Frauenportrait # 30

 NeoBrennDirndln

NeoBrennDirndl, Foto © Johann Hensen Perger
Die Formation aus dem Mostviertel, die mit ihren Musikkabarett-Programmen kein Auge trocken lässt. Seit 2008 setzen die 5 Frauen ihre schauspielerischen Fähigkeiten mit Musik aus allen Stilrichtungen gekonnt in Szene. Gewürzt mit eigenen Texten, reicht ihr musikalischer Stilmix von Jazz- Rock- und Volksmusik bis Austropop und Oberkrainer, spannt den Bogen von Klezmer und Brass hin zum klassischen Wienerlied und macht sogar vor Musical, Oper und Operette nicht Halt. Verfeinert mit Eigenkompositionen lässt ein Abend mit den NeoBrennDirndln keine musikalischen Wünsche offen.

Die gemeinsame Freude an der Musik und die jahrelange intensive Freundschaft der fünf Frauen sind der Motor für ihre Programme. Persönliche Erfahrungen werden mit Witz und Humor in den gemeinsamen Proben musikalisch verarbeitet und jeder einzelnen Künstlerin sozusagen auf den Leib geschneidert. So darf jede Künstlerin ihre ganz persönliches schauspielerisches Talent und ihre musikalische Fähigkeiten zum Ausdruck bringen. Tabus gibt es keine - alles darf gesagt werden. Politische Themen werden bei den NeoBrennDirndln allerdings ausgespart.

NeoBrennDirndl, Foto © Johann Hensen Perger
Das Publikum darf in die Welt der NeoBrennDirndln Einblick nehmen. Das, was sie bewegt und berührt, wird gesungen, gezupft, gestrichen und geschlagen. Dafür ist eine Vielzahl an Instrumente nötig. Gitarre, Posaune, Tenorhorn, Melodika, Kontrabass, Tuba, Cajon, Trompete, Bockflöte, Klarinette und Saxophon kommen in allen Varianten und in abwechselnder Besetzung zum Einsatz.
Was macht die NeoBrennDirndln aus?
Vielseitigkeit, Kreativität, Teamgeist und Individualität, der Mut zu sich selbst zu stehen und sich so auszudrücken, wie es einem gefällt. Mit ihrem Programm „Primetime“ präsentieren die 5 Künstlerinnen die besten Ausschnitte ihrer vergangenen Programme. Wagen Sie einen Abend voller Lachgeschichten und Tatsachenberichten. Von märchenhaften Hausfrauen und unerreichbaren Traummännern ist hier die Rede, schöne Alpenlandschaften werden besungen und der Ausblick in tiefste Abgründe und schwindelnde Höhen lässt an Abwechslung nichts zu wünschen übrig!

NeoBrennDirndl, Foto © Johann Hensen Perger

Die NeoBrenndirndln präsentieren sich unverblümt, stimmgewaltig und gefühlsecht und garantieren Ihnen naturnahen Almenrausch mit Witz und Wahnsinn – schonungslosen Lachmuskelreiz inklusive!

Mehr zu den Dirndln (Sandra Hinterhofer, Barbara Wippl, Sabine Rauchberger, Ulli Niklas und Monika Wippl) gibt es unter:
www.neobrenndirndln.at



Schalten Sie an und tauchen Sie ein, wenn es heißt „NeoBrennDirndln ON AIR“ am
Donnerstag 18. September 2014, 19:30 Uhr im Landesmuseum Niederösterreich.
Mehr Infos unter: www.landesmuseum.net/de/kalender/musikkabarett 

Text: Monika Wippl

Frauenportrait # 29

Hildegard Joos - Pionierin des österreichischen Konstruktivismus

Hildegard Joos © Slg. Gertraud und Dieter Bogner
Der Konstruktivismus hatte es „immer ordentlich schwer gehabt, bei einem etwas breiteren Publikum anzukommen, obschon er bei kleinen Kreisen von aufgeklärten Kennern jeweils sehr geschätzt wurde.“ (Harold Joos) Mit den Arbeiten von Künstlern wie Kasimir Malewitsch, Wladimir Tatlin, El Lissitzky und Piet Mondrian war international bereits ein solides Fundament gelegt, und doch schlug dem Konstruktivismus wie auch der konkreten Kunst in Österreich traditionell eine Ablehnung entgegen, die auf der Unterstellung eingeschränkter individualistischer Schöpfungskraft und schwerer Vermittelbarkeit der Werke fußte. Es scheint schwer zu begreifen zu sein, dass „die banal anmutenden Kompositionen, Monochromie inbegriffen, durchaus Resultate langer komplizierter Denkprozesse sein können.“ (Jan Tabor) Bei aller Skepsis gegenüber konkreter und konstruktivistischer Kunst in Österreich haben diese Stilrichtungen doch auch hierzulande immer wieder Lichtmomente erlebt, einige davon durch Hildegard Joos.

Das Frühwerk der österreichischen „Grande Dame“ der geometrisch-abstrakten Malerei war gemäß dem zur Nachkriegszeit gängigen Kunstempfinden noch deutlich dem Figürlich-Expressiven verpflichtet. Ende der 1950er-Jahre erfuhr ihr künstlerisches Selbstverständnis jedoch einen radikalen Wandel durch die Begegnung mit dem Schweizer Philosophen Harald Schenker (alias Harold Joos), der ihr Interesse am Konstruktivismus weckte, von dessen intellektueller Überlegenheit gegenüber anderen Kunstrichtungen er überzeugt war. Die beiden sollte fortan nicht nur eine Lebensgemeinschaft, sondern vor allem eine intensive geistige Beziehung verbinden, die das Schaffen von Hildegard Joos nachhaltig beeinflusste. 1959 ließen sich Hildegard und Harold Joos in Paris nieder, wo sie ein gemeinsames Atelier einrichteten und mit gleichgesinnten Künstler/innen regen Austausch pflegten. Nach einer kurzen informellen Phase begann sich Hildegard Joos gegen Mitte der 1960er-Jahre mit Bildkompositionen aus schiefwinkeligen und ellipsoiden Formen auseinanderzusetzen. Ersten Niederschlag fand dies in einem umfangreichen Werkzyklus mit dem Titel „Geometrische Reihe“, den sie 1964 in der Kellergalerie der Wiener Secession präsentierte. Für diese von nuancierten Weißund Grautönen bestimmte Malerei prägte die Künstlerin den Begriff der „monistischen Malerei“: „Sie ist in dem Sinne monistisch, daß sie jedesmal von einem einzigen Ding, von einem einzigen Formen-Typus spricht. […] Hier aber wiederholt die Malerin die Form 3 oder 4 Mal; das erste Element, das als Blickfang dient, ist sehr groß im Verhältnis zum Rahmen; die Größenordnung der Elemente ist dann durch so etwas wie arithmetische Progression gebrochen (wie 9–3–1 z.B.). Eine besondere Art der Dichte, zwingende A-Rithmie. Das Ding muß ‚eins‘ bleiben. So wird die Farbe ‚eins‘ sein, […] Ton in Ton.“ (Harald Schenker in: „Manifest der monistischen Kunst“, 1964) Um dem monochromen Farbauftrag Struktur zu verleihen, verwendete die Künstlerin aufgerauten Filz oder Jute als Hildegard Joos.

Ausstellungsansicht Landesmuseum Niederösterreich,
Foto: Daniel Hinterramskogler
Zu Beginn der 1970er-Jahre schließlich schuf Hildegard Joos eine Vielzahl von Werkzyklen, die das Thema Symmetrie behandeln. Hervorzuheben ist die Serie der „Balancen“ beziehungsweise „Verschiebungen“, in denen die Bildfläche optisch in zwei Hälften geteilt ist, wobei sich die Farbkomposition der geometrischen Formen der einen Hälfte in der anderen jeweils spiegelbildlich wiederholt. Um in Österreich eine ähnliche Plattform für konstruktivistische beziehungsweise konkrete Kunst zu schaffen, wie Hildegard Joos sie in Paris durch ihre Aufnahme in die Sektion „Art Cinétique, Art Concret, Art Constructif “ des Salon des Réalités Nouvelles kennengelernt hatte, regte sie 1975 mit dem Kunsthistoriker Dieter Bogner die Gründung der Gruppe Exakte Tendenzen an. Neben Hildegard und Harold Joos gehörten Kurt Ingerl, Brigitta Malche, Oskar Putz und Sabine Weiger zum inneren Kreis der Gruppe, deren Ziel es war, der konkret-konstruktiven Kunst mittels Ausstellungen und Symposien zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen. Ab 1982 intensivierte sich die Zusammenarbeit von Hildegard und Harold Joos. Sie traten nunmehr unter der Bezeichnung „H+H Joos“ in Erscheinung und versahen ihre Gemeinschaftswerke mit einem eigens gestalteten Signet. Charakteristisch für diese Zeit ist die Werkreihe der „Narrativen Geometrismen“, in der die nach mathematischen Prinzipien gestalteten Formen ohne ein erkennbares durchgängiges Schema über die Bildfläche verteilt sind. Die Motive wiederholen sich zwar von Bild zu Bild, vermitteln aber aufgrund der unzähligen Variations- und Kombinationsmöglichkeiten immer wieder eine neue Botschaft. Ab Anfang der 1990er-Jahre entstanden die Serien der „Raumnarrative“ und der „Reduzierten  Geometrismen“, die auf das Vokabular früherer Werkphasen zurückgreifen, wobei sich die Anordnung der Bildelemente auf jeweils eine Ecke konzentriert und die restliche Bildfläche von einer einheitlichen Farbgebung beherrscht wird. Daraus ergibt sich ein Spannungsverhältnis zwischen der Klarheit der Form einerseits und dem durch mehrere Farbschichten erzeugten vibrierenden Effekt der Bildoberfläche andererseits.
In ihrem Spätwerk emanzipierte sich Hildegard Joos wieder zusehends von ihrem Partner, indem sie sich von der formalen Strenge löste und mitunter auch zur malerischen Gestik ihrer künstlerischen Anfänge zurückkehrte. Raster- und Schachbrettmuster blieben allerdings weiterhin eine Konstante in ihrem Schaffen. Trotz einer schweren altersbedingten Sehbehinderung arbeitete sie bis zuletzt täglich an ihren Werken und starb im Alter von 95 Jahren im Wiener Atelier. Mit ihrem vielseitigen Oeuvre, das die schier unbegrenzten Möglichkeiten geometrisch-abstrakter Formgebung eindrucksvoll belegt, leistete Hildegard Joos einen wichtigen Beitrag zu einer breiteren Anerkennung der konkret-konstruktiven Malerei in Österreich. Die Bedeutung ihres Werkes wurde zuletzt 1997 durch Retrospektiven in der Wiener Albertina und der Österreichischen Galerie Belvedere dokumentiert.


Text: Alexandra Schantl, aus dem Ausstellungsbegleiter der Ausstellung "Ausnahmefrauen - Christa Hauer, Hildegard Joos, Susanne Wenger" (30.11. 2013 – 12.10. 2014) im Landesmuseum Niederösterreich

 

 Frauenportrait # 28

Christa Hauer - eine "Ausnahmefrau"

Christa Hauer, © Landesmuseum Niederösterreich,
Foto: Helmut Lackinger
 Christa Hauer, am 13. März 1925 in Wien geboren, wuchs in einem von Kunst bestimmten Umfeld auf: Ihr Vater Leopold Hauer war ein angesehener Maler, ihr Großvater Franz Hauer ein großer Förderer von Künstlern, darunter Albin Egger-Lienz, Oskar Kokoschka und Egon Schiele.
Ihre eigene künstlerische Ausbildung begann sie im Alter von 14 Jahren an der Kunstgewerbeschule in Wien, wechselte aber auf Wunsch ihres Vaters bereits zwei Jahre später an die Akademie der bildenden Künste, wo sie zunächst bei Herbert Dimmel, dann bei dem Spätimpressionisten Carl Fahringer Malerei studierte. Infolge des eingeschränkten Unterrichts während des Zweiten Weltkriegs setzte sie ihr Studium nach dem Kriegsende bei Fritz Wotruba fort und schloss es 1947 ab.
In den Jahren von 1950 bis 1953 arbeitete Christa Hauer als Werbegrafikerin. Während dieser Zeit kam sie in Kontakt mit dem avantgardistischen Künstlerkreis des 1947 gegründeten Art Club, wodurch sie nicht nur die abstrakte Kunst schätzen und lieben lernte, sondern auch den Maler Johann Fruhmann. Um der väterlichen Autorität zu entkommen, brach sie 1953 in die USA auf und ließ sich für etwa sieben Jahre in Chicago nieder, wo sie ihren Unterhalt erneut als Werbegrafikerin verdiente und ihre Begeisterung für die Malerei wiederentdeckte. Stark beeindruckt vom abstrakten Expressionismus und dem Action Painting fand sie bald zu einem eigenen künstlerischen Ausdruck.

Christa Hauer, © Landessammlungen Niederösterreich
Foto: Elfriede Mejchar
1957 heiratete sie Johann Fruhmann, der ihr in die USA nachgefolgt war, in Chicago, kehrte jedoch 1959 nach Wien zurück, um – wie in Amerika beschlossen – eine Galerie zu gründen. Der passende Ort war mit den Räumen über dem in Familienbesitz befindlichen Griechenbeisl in der Wiener Innenstadt rasch gefunden, sodass die erste Ausstellung bereits im Juni 1960 eröffnet werden konnte. In den folgenden zehn Jahren entwickelte sich die Galerie im Griechenbeisl zu einem wichtigen Forum zeitgenössischer Kunst und damit zu einer ernstzunehmenden Konkurrentin der Galerie nächst St. Stephan, die bis dahin als Zentrum der Wiener Avantgarde-Szene gegolten hatte. Als Gründungsmitglied und langjährige Vorsitzende der 1977 ins Leben gerufenen Internationalen Aktionsgemeinschaft Bildender Künstlerinnen (InªAkt) machte sich Christa Hauer außerdem bis Mitte der 1980er-Jahre für die Gleichbehandlung von Künstlerinnen stark. Von 1979 bis 1983 war sie darüber hinaus Präsidentin des Berufsverbandes der bildenden Künstler Österreichs (BVÖ) und bis 1992 österreichische Vertreterin in der International Association of Art (IAA ), für die sie 1987 das internationale Europatreffen organisierte. Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1985 zog sich die Künstlerin aus dem kulturpolitischen Leben weitgehend zurück, um wieder reisen und auf Schloss Lengenfeld der eigenen künstlerischen Arbeit nachgehen zu können. Am 22. März 2013 starb Christa Hauer im Alter von 88 Jahren.

Text: Alexandra Schantl, aus dem Ausstellungsbegleiter der Ausstellung "Ausnahmefrauen - Christa Hauer, Hildegard Joos, Susanne Wenger" (30.11. 2013 – 12.10. 2014) im Landesmuseum Niederösterreich

Frauenportrait # 27

Unterrichtsfach Glück - ein Steckenpferd von Elisabeth Dittrich


Elisabeth Dittrich, Foto: privat
Im Rahmen der Sonderausstellung „Frauenbilder in Niederösterreich“ hat unter anderem die Neue Niederösterreichische Mittelschule Theodor Körner 4, Klasse 3c unter der Leitung von Elisabeth Dittrich einen Beitrag erarbeitet.

Im Schuljahr 2009/10 wurde das Unterrichtsfach Glück als Versuchsprojekt in den Schulen eingeführt. In diesem Fach lernen Kinder, dass sie schon etwas dazu beitragen können, um im Leben glücklicher zu sein. Elisabeth Dittrich unterrichtet bereits seit 2009 Glück in Integrationsklassen (gemeinsam mit ihrer Projektkollegin Anita Kürzel) der Neuen Niederösterreichischen Mittelschule Theodor Körner 4 in St. Pölten. Das Unterrichtsfach Glück wurde von Elisabeth Dittrich gestartet und wird gemeinsam mit ihrer Kollegin Julia Lirsch weiterführt.
Das erste Mal in Berührung mit dieser neuartigen Methode zu unterrichten kam sie in ihrer Ausbildung – PROvokativpädagogik an der Donau-Uni Krems.
Glück stellt in seiner bekanntesten Form eine Hochkonjunktur der Gefühle dar – eine Ausschüttung des Hormons Serotonin. Möchte man jedoch auf Dauer glücklich sein, braucht es Geduld und Beharrlichkeit, um dem Leben in einer positiv eingestellten Grundhaltung gegenüber zu stehen. Laut Elisabeth Dittrich hätten glückliche Menschen bessere Beziehungen, würden mehr verdienen, kreativer sein und schneller lernen. Das Unterrichtsfach Glück hat eine gewaltpräventative Wirkung und soll Schülern und Schülerinnen den Weg in eine gesunde, sozial gut integrierte, ausgeglichene Zukunft ebnen.
SchülerInnen der NNÖMS Theodor Körner 4
Nur wie kann man Kindern und Jugendlichen in der Schule Glück beibringen bzw. lernen/lehren glücklich zu sein?
Das Konzept beruft sich darauf, eine motivierende und angstfreie Umgebung, eine den Schülern und Schülerinnen gegenüber und untereinander wertschätzende, wohlwollende und freundliche Atmosphäre zu schaffen, in der sie sich entwickeln können. Die Persönlichkeiten werden gestärkt, soziale Verantwortung und Selbstverantwortung werden übertragen, wobei die Lehrperson die Rolle eines Mediators einnimmt. Ebenso werden Fördermöglichkeiten durch Lerngruppen ins Leben gerufen. Gute SchülerInnen unterstützen Schwächere. Hierbei wird nicht nur das Netzwerk SchülerInnen gefestigt, sondern auch – nach dem Motto „Glücklich ist nicht nur der, dem geholfen wird, sondern auch der, der hilft!“ – Glück empfunden.
Educationaward 2013
Schüler und Schülerinnen Zuversicht und Lebensfreude als Grundstock ihrer Entscheidungen zu vermitteln beschreibt wohl den Leitfaden der sich durch das Projekt Unterrichtsfach Glück zieht. Laut Frau Dittrich gäbe es viele Methoden, die in der Schule anwendbar wären. Die Wichtigkeit liegt in der Freude am Tun seitens der Lehrperson, als auch der Schülerschaft und der wohltuenden Wirkung auf Körper und Seele. Außerdem sollten gewählte Methoden geistig herausfordern, um neue Erkenntnisse und gute Absichten erschließen zu können. 
 
Text: Verena Slama

Ausbildung: Donau- Universität Krems, Provokationspädagogik
Quelle: http://www.donau-uni.ac.at/de/studium/provokationspaedagogik/index.php

 

Frauenportrait # 26

Katharina Schratt – Geheimnisse aus der Küche

Im Stadtarchiv Baden wird das handgeschriebene Rezeptbuch Katharina Schratts der Älteren aufbewahrt. Sie begann ihre Eintragungen im Jahr 1844. Damals war sie gerade 19 Jahre alt.  Mit „In Gottes Namen angefangen“ begann sie ihre Eintragungen. 123 Rezepte auf 137 Seiten finden sich. Solche handschriftlichen Kochbücher besaßen in den Familien Tradition. Man kann wohl annehmen, dass auch die Tochter Katharinas – die Schauspielerin gleichen Namens – ihre Kochkünste an diesen Rezepten ausprobierte. Und so manches Rezept könnte den Gaumen des Kaisers in der Gloriettevilla oder in der Villa Felicitas in Bad Ischl erfreut haben:


Rostbraten, thinkstock,
Foto: Lisovskaya
Bayrischer Rostbraten
Schneide Zwiebel, Petersilgrünes, Petersil, Gelbe Rüben, Champignons, Lemonischalen [Zitronenschale], einige Sardellen sehr fein zusammen, lasse es in Butter etwas verdünsten, staube sie und gieße sie mit Wein und brauner Suppen auf, gib Rahm hinein und brate die Rostbraten auf einem gähen [jähen] Feuer sehr schnell ab, salze sie ein wenig, tauche sie etwas in Mehl ein. Wenn sie schnell abgebraten sind, lege sie in die Sauce ein und lasse sie verdünsten, schöpfe fleißig die Fett herunter. Du kannst noch Rahm daruntergeben, so sind sie fertig.



Schünkenflecke
Treibe ein Stück Butter sehr pflaumig [flaumig] ab, schlage die Dötter hinein, verrühre eins
Schinkenfleckerl, thinkstock, Foto: A_Lein
nach dem andern, mache breite Nudeln anstatt Fleckerln. Wenn das Wasser siedet, salze es, gib die breiten Nudeln hinein, lasse es einmal aufwallen, schweibe [spüle] es geschwind mit kaltem Wasser ab, gib sie hinein, dass sie nicht zusammenpicken. Gib einen fein zusammengeschnittenen Schünken hinein. Schlage von die Dotter einen festen Schnee, mische es leicht untereinander, bevor du einen Schnee hineingibst, gib hübsch Rahm hinein, nicht zu viel Butter, dass es nicht zu fett wird, denn der Rahm macht auch fett. Schmiere ein Becken mit Butter aus und back es, so ist es fertig. Willst du kennen, ob es ausgebachen ist, steche mit einer Nadel hinein. Wenn sie nicht mehr milchig ist, so ist es ausgebachen.


Faschierter Braten, thinkstock, Foto: Azurita
Hachée mit verlorne Eier
Schneide gebratenes Kalbs- oder Hühnerfleisch, was du hast, sehr fein zusammen. Schneide Petersil, Lemonischalen [Zitronenschale], Champignons, Zwiefel sehr fein zusammen, lasse es in Butter anpassieren, gib eine weiße Sauce darein oder staube es und gieße es ein wenig mit Suppen auf. Gib das zusammengeschnittene Fleisch hinein, salze es, gib Dötter hinein, dass es eine hübsche Farbe bekommt, lasse es etwas resten [rösten ]. Stelle ein Kastrol [Rein] mit kaltem Wasser auf, gib etwas Essig hinein, dass es die Eier etwas zusammenzieht, salze es. Wenn das Wasser wallt, schlage das Eier hinein. Bei jedem Eier muss das Wasser sieden. lasse es sieden, bis die Eier sich eingehüllt haben und gut sind, und gib sie zum Haché, so ist es gut.


Milchrahmstrudel, thinkstock, Foto: IvanMikhaylov
Milchrahmstrudel
Treibe ein Stück Butter und Rindschmalz zusammen ab, sehr pflaumig [flaumig], gib dann den Zucker hinein, wie viel du willst, verrühre es gut. Schlage einen Dötter nach den andern hinein, gib bei jedem Dotter etwas in der Milch geweigte [eingeweichte], gut ausgedrückte Semmel, verrühre es gut. Salz es, gib etwas Limonischalen [Zitronenschale], rühre ganz leicht den Rahm hinein und schlage von die halben Dötter einen sehr festen Schnee. Mische ihn leicht darunter, gib einen Staub Mehl hinein. Mache einen sehr feinen Strudelteig mit lauem Wasser an, gib ein Stück Butter, darunter Eier. Sieh, dass du auf einmal die gehörige Feste triffst. Du kannst ihn beschmieren mit lauem Wasser oder Schmalz, und lasse ihn rasten. Staube dir ein Tischtuch mit Mehl an, ziehe den Teig fein aus, tauche dir die Hände in Mehl ein, dass dir der Teig nicht in die Hände anpickt beim Ausziehen. Schneide die Enden mit einem Messer weg, mache den Teig zusammen. Den kannst du noch einmal ausziehen. Also streiche die Fülle mit einem Messer schön gleich geschwind auf, dass die Fülle nicht zusammenfällt. Streie ganz wenig feine Semmelbreseln auf, Rosinen, Weinbeerln nicht zu viel, hebe das Tischtuch mit beiden Händen auf und lasse es so hinunterrollen. Lege es in einer Rundeau [rund] zusammen. Schmier dir ein Kastroll [Backblech] mit Butter aus. Lege dir das Kastroll darauf, fasse das wohlbestaubte Tischtuch mit beiden Händen und stelle es auf [d.h.: Dreh es um, sodass der Strudel auf dem Blech liegt]. Gib es in die Rehre. Wenn es so halb gebachen hat, so gieße etwas Milch hinein und lasse es noch etwas bachen und gib es zur Tafel.


Gugelhupf, thinkstock, Foto: locrifa
Sehr guter Guglhupf:
Man treibt ½ lb [Pfund; 28 dag] Rindsschmalz sehr pflaumig [flaumig] ab. Also hat man sich gerichtet 2 lb [1,12 kg] gesiebtes feines Mehl und 12 Eier. Man gibt dann in das abgetriebene Schmalz etwas Zucker und Salz und Lemonyschäller [Zitronenschale], 1 ganzes Eier und einen Dotter, 3 Esslöffel voll Mehl. Das gibt man auf einmal hinein, verrührt es sehr gut und fahrt so fort, bis die 12 Eier und das Mehl gar ist. Dann mischt man 2 Löffel etwas gute Germ mit einen halben Seidel [2 dl] Obers, gehörig Weinbeerln und Zibeben [Rosinen] unter die Massa. Also hat man sich schon den Form [die Guglhupfform] ausgeschmiert, ihn mit Mehl bestaubt und mit länglicht geschnittene Mandeln ausgelegt. Also man füllt die Massa nicht ganz voll ein, nur so stark halbvoll. Also man deckt ihn zu mit einem Serviette oder Papier und lässt ihn gehen an einen warmen Orte, doch nicht zuviel - nur so, dass die Form voll ist (doch nicht zu voll, denn man darf ihn auch nicht übergehen lassen). Auch darf man ihn nicht zu schnell gehen lassen. Also bacht [bäckt] man ihn ziemlich gäh [schnell], man darf die Rehrn [Backrohr] auch nicht zu oft aufmachen, überhaupt anfangs, denn sonst wird er sehr leicht speckicht. Man muss wohl öfters nachsehen, dass die Rehrn nicht zu heiß ist. Sieht man, dass er schon etwas eine Farbe hat, so deckt man ein Papier darauf. Es muss beinahe unumgänglich ein Türckenbund [Gugelhupfform] sein, weil er sich in einen runden Model viel schöner bacht. Man muss sehr vorsichtig sein beim Bachen und ihn ziemlich gäh bachen. Die Weinbeerln und Zibeben ist es sehr gut, wenn man sie erst darunter mischt, wenn man die Massa einfüllt.

Viel Spaß beim Nachkochen!
Die Fotos stammen alle aus einer zeitgenössischen Bilddatenbank



Die Kochrezepte stammen aus:
Henriette Povse, Das Kochbuch der Familie Schratt. Kulinarische Geschichten aus Baden, herausgegeben von Rudolf Maurer, mit einem Beitrag von Manfred Ronge. Erfurt 2012.


Frauenportrait # 25

Katharina Schratt – die Vielgeliebte



Durch Jahrzehnte kannte man Katharina Schratt als langjährige Freundin und Vertraute Kaiser Franz Josephs, bei der er Ablenkung und Verständnis fand, also all das, was ihm seine Gemahlin versagte. In den letzten Jahren in Familienbesitz aufgefundene Briefe zeichnen nun ein etwas anderes Bild der Schauspielerin. 
Der Kaiser war – abgesehen von ihrem Gatten – bei weitem nicht der einzige Mann, der in ihrem Leben eine Rolle spielte. Geschickt verstand sie es gleichzeitig mehrere Verehrer – oder Liebhaber? – um sich zu sammeln. Dabei vermittelte sie allen Männern das Gefühl, ihr Favorit zu sein. Ihr großes psychologisches Einfühlungsvermögen zeigt sich auch darin, dass die ehemaligen Verehrer/Liebhaber ihr in Freundschaft verbunden blieben.
Schauspielerinnen hatten es nicht leicht. Ihr Beruf erforderte einen Lebensstil, der mit Gagen nicht leicht zu bestreiten war. Allein die notwendige Garderobe verschlang Unsummen. Von einer Schauspielerin wie Katharina Schratt erwartete die Gesellschaft ein entsprechendes Auftreten. Überdies war der Kontakt mit hochgestellten Persönlichkeiten der Karriere oft sehr förderlich.
Irgendwann um das Jahr 1886 – der erste erhaltene Brief wurde im Frühsommer dieses Jahres geschrieben – lernte Katharina Schratt einen der reichsten Aristokraten Wiens kennen: Johann Graf Wilczek. Wilczek war nicht nur reich, er engagierte sich auf den verschiedensten Gebieten: Er förderte die Österreich-Ungarische Nordpolexpedition von Julius Payer und Carl Weyprecht in den Jahren 1872 bis 1874; zwischen 1874 und 1906 ließ er für seine umfangreichen Kunstsammlungen die Burg Kreuzenstein bei Wien errichten. Er gründete die Wiener Freiwillige Rettungsgesellschaft und ließ das Rudolfinerhaus in Wien errichten. Zu seinen Freundeskreis zählten die führenden Wissenschaftler seiner Zeit. Die Liebe zu Katharina Schratt hatte den fast Fünfzigjährigen ordentlich gepackt: „Katherl – was ich dabei fühlte hab ich nicht für möglich gehalten fühlen zu können – obwohl ich mich genau kenne – und ich mir ungeheueres zutraue – Katherl jetzt sehe ich erst was ich leide fern von dir – und wie ich dich liebe – wie ich an dir halte – und was du mir bist“.  Es war dasselbe Jahr 1886, in dem sich Katharina Schratt bereits intensiv um die Freundschaft des Kaisers bemühte.

Katharina Schratt mit Kaiser Franz Joseph
© UB Foto
Eingefädelt hatte die beginnende Freundschaft zu Franz Joseph Kaiserin Elisabeth höchstpersönlich. Sie war auf der Suche nach einer Freundin für ihren Gemahl, Kennengelernt hatte der Kaiser Katharina Schratt anlässlich der Audienz, zu der sie geladen war, um sich als Schauspielerin des k.u.k. Hofburgtheaters vorzustellen. Die nächste Begegnung fand beim „Ball der Industriellen“ im Fasching 1885 statt. Wieder kamen sie miteinander ins Gespräch, und wieder, wie bei der Audienz, amüsierte sich der Kaiser über ihre frische, unverblümte Art. Im August sahen sie sich wieder: Beim Empfang des russischen Zaren Alexander III. gaben prominente Schauspielerinnen des Burgtheaters Proben ihres Könnens ab. Sie waren auch zum anschließenden Souper geladen. So lernte Kaiserin Elisabeth Katharina Schratt kennen und begann die aufkeimende Neigung zu fördern. In ihr hoffte sie endlich einen adäquaten „Ersatz“ gefunden zu haben, damit sie sich ohne schlechtes Gewissen noch länger auf Reisen aufhalten konnte. Als nächsten Schritt musste der zu seiner Zeit berühmte Porträtmaler Heinrich Angeli im Auftrag der Kaiserin ein Porträt Katharina Schratts anfertigen. Noch wusste Schratt nichts von dem Spiel, dass die Kaiserin eingefädelt hatte. Bei der letzten Porträtsitzung erschien dann der Kaiser höchstpersönlich. Zwei Tage nach dem Treffen bei Angeli erhielt Schratt das erste Schreiben des Kaisers, dem ein Smaragdring beilag.  Da durchschaute sie das angebahnte Arrangement, das allerdings ihren Wünschen nur entgegenkam. Mehr konnte eine Schauspielerin zu dieser Zeit nicht erwarten als den Kaiser als Gönner zu gewinnen. Auch Graf Wilczek durchschaute das Spiel: „Katherl wenn Dir bei Angeli nur nicht doch etwas geschah – zwar Dir nicht – aber mir, ich muß immer daran denken – und frage mich – was denkt mein Katherl darüber? – wird mir das nicht etwas von ihr nehmen?
Das nächste Treffen mit dem Kaiser fand dann am Wolfgangsee statt. Schratt hatte für den Sommer die Villa Frauenstein gemietet, in der sie den Kaiser zum Frühstück, den Grafen zum Diner empfing. Für den Kaiser war Katharina Schratt die ideale Gefährtin für die wenigen Stunden Freizeit: Sie war das genaue Gegenteil der Kaiserin; sie stand mit beiden Beinen fest im Leben. Ihre Interessen galten eher den trivialen Seiten des Lebens. In der Folge versorgte sie den Kaiser mit Klatsch und Tratsch aus der Wiener Gesellschaft. Bei ihr fand er die notwendige Ablenkung und konnte wenigstens für wenige Stunden Mensch sein. Er überhäufte sie dafür mit Geschenken und ermöglichte ihren aufwändigen Lebensstil. Er schenkte ihr eine Villa in der Gloriettegasse in Wien, nahe dem Schloss Schönbrunn, damit er sie in Wien auch täglich zum Frühstück aufsuchen konnte. In Bad Ischl stellte er ihr in späteren Jahren die Villa Felicitas auf der Straße nach Pfandl zur Verfügung. Täglich besuchte er sie dort während des Sommers, und sie ließ für ihn ihren berühmten Gugelhupf backen. Zur Vorsicht musste die Konditorei Zauner täglich einen weiteren nach ihrem Rezept backen für den Fall, dass ihrer misslang. Katharina Schratt wurde in all den Jahren wiederholt in die kaiserliche Villa zu Diners und Spaziergängen mit der kaiserlichen Familie eingeladen.    
Bis 1895/6 gelang es ihr, daneben das Verhältnis mit Johann Graf Wilczek aufrecht zu erhalten, was weiter nicht schwer war, da der Graf ein guter Freund des Kaisers und des Kronprinzen war. Manchmal wurde der Kaiser zwar misstrauisch, Katharina konnte ihn aber immer wieder überzeugen, dass es sich dabei um eine rein platonische Freundschaft handelte. Was ihr nicht gelang, war über den Kaiser Einfluss auf die Leitung des Burgtheaters zu nehmen. Hier konnte sie ihre Wünsche nicht durchsetzen, dazu war der Kaiser zu korrekt. Ein weiterer Grund für die sich mehrenden Auseinandersetzungen resultierte aus der Weigerung des Kaisers, ihr den von Kaiserin Elisabeth versprochenen „Elisabeth-Orden 1. Klasse“ zu verleihen. Zu Lebzeiten der Kaiserin wäre das für den Kaiser kein Problem gewesen, nun nach der Ermordung Elisabeths 1898 sah sich der Kaiser außerstande, dies zu tun. Nun da ihre Gönnerin tot war, begann man bei Hofe gegen die Schratt zu hetzen. Die Reibereien am Burgtheater führten schließlich zu ihrer Kündigung des Vertrages, eine Kündigung, die der Kaiser anzunehmen hatte. Obersthofmeister Montenuovo, dem die Schratt ein Dorn im Auge war, sah endlich die Gelegenheit gekommen, sie loszuwerden. Er überzeugte den Kaiser davon, dass die Schratt des Theaterspielens müde war, und der Kaiser, dem ein Ränkespiel in tiefster Seele fremd war, nahm die Kündigung an. Katharina Schratt, die die Kündigung nur als Druckmittel einsetzten wollte, verließ empört Wien. 15 Jahre hatte die Freundschaft gedauert, die nun ein jähes Ende fand. Der Kaiser war es, der am meisten darunter litt. Erst im kommenden Jahr kam es zu einer Versöhnung, die allerdings das alte Vertrauensverhältnis nicht mehr wiederherstellte.

Katharina Schratt als Maria Theresia
© UB Foto
Im Jahr danach feierte Katharina Schratt ihr kurzes Comeback als Schauspielerin in der Rolle der Maria Theresia; der Kaiser freute sich darüber, sie wieder auf der Bühne bewundern zu dürfen – noch dazu trug sie bei dieser Gelegenheit all die Juwelen, die er ihr verehrt hatte. Aber – Ironie des Schicksals – Katharina Schratt verliebte sich bei dieser Gelegenheit unsterblich in ihren zehn Jahre jüngeren Partner Viktor Kutschera, der Franz Stephan von Lothringen spielte. Ein jüngst aufgetauchter Brief legt Zeugnis von der großen Leidenschaft dieses Verhältnisses ab, das zumindest bis 1903 dauerte.    

Nach dem Tod des Kaisers führte Katharina Schratt ein völlig zurückgezogenes Leben in dem Haus am Ring, das sie von ihrem Gemahl geerbt hatte. Sie besuchte täglich die Kirche und mehrmals in der Woche die Kapuzinergruft. Im Alter von 86 Jahren starb sie am 17. April 1940 und wurde am Hietzinger Friedhof beigesetzt. Trotz ihrer Freude an Klatsch und Tratsch bewahrte sie bis zu ihrem Tod all die Geheimnisse, die sie mit ihren Verehrern und Gönnern teilte, und widerstand allen lockenden Angeboten der Boulevardpresse, ihre Erinnerungen zu verkaufen.

Im nächsten Blogbeitrag lernen Sie ein paar Kochrezepte aus dem Besitz der Familie Schratt kennen.

Text: Dr. Elisabeth Vavra
Lit.:
Georg Markus, Katharina Schratt. Die heimliche Frau des Kaisers. Wien 1982.
Georg Markus, Es war ganz anders, Geheimnisse der österreichischen Geschichte. Wien 2013.
Katrin Unterreiner, Kein Kaiser soll uns stören. Katharina Schratt und die Männer. Wien-Graz-Klagenfurt 2014.

Frauenportrait # 24

Katharina Schratt – eine Karriere als Schauspielerin

Katharina Schratt in jungen Jahren
© UB Foto

Die Schratts waren eine angesehene Familie in Baden. Aus Konstanz war der 1773 geborene Großvater Katharinas Chrysostomos Schratt als junger Mann 1793 nach Wien gekommen, um an der Universität zu studieren. 1798 legte er seine Prüfung als Wundarzt ab, zwei Jahre später als Geburtshelfer. Als in Baden eine Chirurgen-Stelle frei wurde, bewarb er sich darum und ließ sich dort 1800 nieder. Sein Tätigkeitsbereich war umfangreich: Er versorgte nicht nur die Kranken in Baden und Umgebung, die Armen in der Wohltätigkeitsanstalt Mariazellerhof, sondern auch während der Napoleonischen Kriege die Soldaten im Lazarett, und half bei Tierseuchen auch als Tierarzt aus. Trotzdem fand er Zeit für medizinische Studien und verfasste u.a. auch eines der ersten Bücher, das sich mit der Heilkraft der Schwefelquellen in Baden auseinandersetzte.
Chrysostomos Schratt heiratete Rosalia Binz, die Tochter des Wiener Buchhändlers Johann Georg Binz, der zu den Gewinnern der josephinischen Reformen zählte. Während der Klosteraufhebungen hatte er um wenig Geld Bibliotheken der säkularisierten Klöster erworben und sie dann mit hohem Profit weiterverkauft. Er legte sein Vermögen u.a. in Immobilien an und erwarb zwei Häuser in Baden. Fünf Söhne brachte Rosalia Schratt zur Welt. Der älteste Sohn, Johann, übernahm die Buchhandlung des Großvaters in Wien. Anton Schratt (1804–1883), der mittlere Sohn, betrieb im Haus seines Vaters – heute Hauptplatz Nr. 22 – ein Geschäft mit Papier und Bürowaren. 1837 kaufte er Leopold Wallner das Haus Theresiengasse 1 (heute „Schratthaus“) ab. 1846 heiratete er dessen Tochter Katharina Wallner.
Katharina Wallner war am 22. Mai 1825 zur Welt gekommen. Ihr Vater Leopold Wallner war ein Drechslermeister, der aus Perlmutt und Elfenbein Schmucksachen anfertigte, die bei den Kurgästen beliebte Andenken waren. Weiters besaß er einen Gasthof. Seine Ehefrau holte er sich aus dem damals ungarischen Sauerbrunn. Sechs Kinder bevölkerten das Haus am Hauptplatz 8. Katharina war die zweitälteste. Ihr Vater, der auch Kommandant der „Städtischen-Feuerlösch-Vorrichtungen“ war, verunglückte bei einem Löscheinsatz 1841. Die Mutter starb 1845. Der frühe Verlust der Eltern war wohl ausschlaggebend dafür, dass sie den 20 Jahre älteren Freund der Familie, Anton Schratt, ehelichte. Auch sie schenkte sechs Kindern das Leben, allerdings überlebten nur drei davon. 1851 kam Heinrich zur Welt, der in Baden später einen Milchausschank betrieb und mit Rindern handelte. 1890 zog er mit seiner Familie nach Kärnten und ließ sich dort als landwirtschaftlicher Grundbesitzer nieder. 1853 kam Katharina zur Welt und als letztes Kind 1860 dann Rudolf Schratt, der mit seiner Schwester die Begeisterung fürs Theater teilte. Er studierte in Sachsen Maschinenbau und arbeitete dann in der Maschinenfabrik Escher & Wyß in Leesdorf bei Baden, später bei der Alpine Montangesellschaft. Seinen Ideen und Anregungen verdankt Baden die Sommerarena mit der fahrbaren Dachkonstruktion.
Katharina Schratt wuchs wohlbehütet von Eltern und Brüdern in einem gutbürgerlichen Haus auf. Die Familie gehörte zu den führenden Badens. Schon früh fühlte sie sich zum Theater hingezogen. Die Leidenschaft hatte sie wohl von ihrem Vater geerbt, der als junger Mann einmal selbst im Badener Stadttheater als Fürst Dagobert in dem Drama „Hermann, der Retter Deutschlands“ aufgetreten war. Über die Wünsche und Pläne seiner Tochter war er allerdings nicht erfreut. 1868 gab sie ihr „Bühnendebüt“ anlässlich einer Aufführung der „Dillettanten-Bühne“ Leobersdorf. Im Theaterstück „Eigensinn“ von Heinrich Benedix spielte sie das Dienstmädchen Lisbeth: In der lokalen Kritik hieß es: „… herzig im vollsten Sinn war Frl. Katharina Schratt als Lisbethchen, dem die Aufgabe zu Theil geworden, den Knoten des Stückes zu schürzen. Sie war wie geschaffen zu dieser Rolle, die wie auf den Leib geschrieben zu ihrer niedlichen Erscheinung paßte.“ Im selben Jahr spielte sie auch im Stadttheater Baden im Lustspiel „Zündhölzchen zwischen zwei Feuern“. Katharina wurde nun nach Köln in ein Pensionat „verschickt“. Dort sollten ihr die Flausen ausgetrieben werden. Viel Erfolg war dieser Aktion nicht beschieden. Nach nur wenigen Monaten kehrte sie ohne Schulabschluss nach Baden zurück. Ihr Wille war ungebrochen. Schließlich gab der Vater nach und erlaubte ihr, die Kierschnersche Theater-Akademie in Wien zu besuchen. 1872 schloss sie die Ausbildung ab, und drei Wiener Bühnen wollten sie gleich vom Fleck weg engagieren: das Burgtheater, das Stadttheater und das Carltheater. Sie entschied sich aber für Berlin: Das Königliche Schauspielhaus bot ihr ein Engagement als jugendliche Naive an. Am 6. April 1872 debütierte sie in Johann Wolfgang Goethes Schauspiel „Die Geschwister“. Während des Sommers gab sie Gastspiele in Enns und Baden. 1873 kehrte sie nach Wien zurück und spielte am Wiener Stadttheater, dem sie bis 1881 verbunden blieb. 1879 heiratete sie den ungarischen Konsularbeamten Nikolaus Kiss de Ittebe. 1880 trennte sie sich wieder von ihm; im selben Jahr wurde ihr Sohn Anton geboren.
Am 10. November 1883 erreichte Katharina Schratt das Ziel aller SchauspielerInnen dieser Zeit: Sie gab ihr Debüt am k. u. k. Burgtheater, damals noch im alten Haus am Michaelerplatz. Auf dem Spielplan stand das Schauspiel „Dorf und Stadt“. Die Zeitungskritiken waren durchwegs positiv, weniger positiv die Gedanken ihrer neuen Kollegen: So vermerkte Hugo Thimig in seinem Tagebuch wenig schmeichelhaft: „Sie ist, was man sagt, ein lieber Kerl. Gar zu jung nicht mehr. Einige dreißig. Ein tiefliegendes, rauhes Organ. Manchmal drollig. Keine Vertiefung und Innerlichkeit.“ 1887 erfolgte ihre Ernennung zur Hofschauspielerin. Obwohl ihre Stärke eher im komischen Fach lag und sie in Lustspielen sowie Volksstücken brillierte, findet sich ihr Name auch in den Besetzungslisten von Klassikern: So spielte sie z.B. die Lady Percy in Shakespeares König Heinrich IV., die Elisabeth von Valois in Schillers Don Carlos oder das Käthchen in Kleists Käthchen von Heilbronn. Nach Differenzen mit der neuen Burgtheaterführung kündige Katharina Schratt ihren Vertrag per 7. Oktober 1900 und ging im Alter von 47 Jahren „in Pension“.

Katharina Schratt als Maria Theresia
© UB Foto
Ein Jahr später wurde sie rückfällig und feierte im Theater an der Wien ein triumphales Comeback. Für wohltätige Zwecke spielte sie u.a. im „Meineidbauer“ von Ludwig Anzengruber. Felix Salten nutzte seinen Bericht über die Premiere zu einer Kritik am Burgtheater: „Frau Schratt spielt die Vroni in Anzengrubers Meineidbauer. Für österreichische Gestalten aus dem Volke besitzt das Burgtheater recht wenig Darsteller. Es wird im ersten Theater der Monarchie viel gesächselt, geschwäbelt, berlinert, aber wienerisch, österreichisch wird nicht gesprochen. Da war es gewiß sachlich nicht zu rechtfertigen, eine Frau ziehen zu lassen, die das seltene Element des ‚Kreuzbraven‘ so frisch verkörpert. Nun, da auch Nestroy seinen Einzug im Burgtheater gehalten, bleiben zur Verkörperung österreichischer Typen fast nur mehr Schwaben, Sachsen und Preußen.
Fast einen Eklat in der Wiener Theaterszene gibt es zwei Jahre später, als Katharina Schratt die Rolle der Maria Theresia im gleichnamigen Theaterstück von Franz von Schönthan verkörperte. Das Schauspiel sollte ursprünglich seine Premiere unter dem Titel „Die Kaiserin“ erleben. Das wäre dann doch zu provokant gewesen – denn seit 1886 war sie die „liebe, gute Freundin“ des Kaisers:

Über Katharina Schratt – die Vielgeliebte lesen Sie in der kommenden Woche.
Text: Dr. Elisabeth Vavra

Lit.:
Georg Markus, Katharina Schratt. Die heimliche Frau des Kaisers. Wien 1982.
Henriette Povse, Das Kochbuch der Familie Schratt. Kulinarische Geschichten aus Baden, herausgegeben von Rudolf Maurer, mit einem Beitrag von Manfred Ronge. Erfurt 2012.
Georg Markus, Es war ganz anders, Geheimnisse der österreichischen Geschichte. Wien 2013.
Katrin Unterreiner, Kein Kaiser soll uns stören. Katharina Schratt und die Männer. Wien-Graz-Klagenfurt 2014.

Frauenportrait # 23 

Catharina Regina von Greiffenberg – eine Dichterin der Barockzeit

 Es gehe, wie Gott will, in meinem ganzen Leben;
Es gehe, wie Gott will, auf dieser weiten Welt! 
 Denn alles, was Gott will, mir trefflich wohlgefällt;
Will auch, in was Gott will, mich williglich ergeben.

Catharina Regina von Greiffenberg
© Österreichische Nationalbibliothek
www.onb.ac.at
 1662 erschienen diese Zeilen in der Sammlung „Geistliche Sonette, Lieder und Gedichte“. Der genaue Zeitpunkt, wann Catharina von Greiffenberg diese Zeilen niederschrieb, ist leider nicht bekannt. Sie zeigen ihre tiefe Gläubigkeit und die Ergebenheit in ein Schicksal, das sie als von Gott auferlegt empfand. Wer war diese Frau?

Zur Welt kam sie am 7. September 1633 auf Schloss Seisenegg, im Gemeindegebiet von Viehdorf bei Amstetten gelegen. In Europa tobte der Dreißigjährige Krieg. Das Blatt hatte sich zugunsten der protestantischen Union gewendet. Schwedische Truppen hatten im Frühjahr Landsberg am Lech erobert und unter der Bevölkerung ein Blutbad angerichtet. Kurz danach schloss Schweden mit den protestantischen Reichsständen den Heilbronner Bund als Gegengewicht zur katholischen Liga. Der Vater Catharinas gehörte dem protestantischen Adel im Erzherzogtum unter der Enns an. Die Greiffenbergs gehörten nicht zu den alten Adelsfamilien; sie hatten sich als bürgerliche Juristen – damals hieß die Familie noch Lins-mayer – über hohe Regierungsämter „hinaufgedient“ und waren in den Landadel aufgestiegen. Der Großvater Catharinas hatte großen Grundbesitz erworben, u.a. die Herrschaft Seisenegg. Zu Reichtum kam er durch den Kauf einer Kupfergrube in Radmer bei Hieflau. Durch seine 37jährige Tätigkeit als kaiserlicher Rat kam er mit den führenden protestantischen Adeligen in Kontakt. Seit 1602 durfte er sich Edle von Greiffenberg nennen; in seinem Todesjahr 1608 wurde er in den Freiherrenstand erhoben.


Schloss Seisenegg, Kupferstich, Georg Matthäus Vischer,
1672 © IMAREAL, ÖAW

Sein Sohn Hans Gottfried von Greiffenberg, der Vater Catharinas, übernahm nach dessen Tod den Besitz. Eine Karriere bei Hof blieb ihm verwehrt, da sich die Stellung des protestantischen Adels im Reich zunehmend verschlechterte. Auf die Rolle eines Landadeligen beschränkt, kamen noch finanzielle Probleme hinzu, da sich die Hofkammer nicht in der Lage sah, die Darlehen, die der Kaiser bei den Greiffenbergs aufgenommen hatte, zurückzuzahlen. Dazu kamen Schwierigkeiten im Kupferbergwerk, das nahezu erschöpft war, und die zunehmend katastrophale wirtschaftliche Lage im Land nach Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges. Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau 1626 hatte Hans Gottfried von Greiffenberg  wieder geheiratet; seine zweite Gemahlin – Eva Maria von Pranck zu Reinthal und Frondsberg – entstammte einem angesehenen steirischen Adelsgeschlecht. Sie schenkte zwei Töchtern das Leben, Catharina und der früh verstorbenen Anna Regina. Während ihrer ersten Schwanger-schaft erkrankte sie schwer und gelobte ihr Kind, falls die Geburt glücklich verlief, Gott zu weihen. Bereits 1641 verstarb der Vater auf dramatische Weise: Seine Tochter fand ihm vom Schlagfluss getroffen tot in seiner Kutsche vor, als er von einer Reise nach Seisenegg heim-kehrte. Ihr Onkel übernahm die Vormundschaft für die beiden Halbwaisen und kümmerte sich – allerdings mit wenig Erfolg – um die desolaten Finanzverhältnisse. Er sorgte auch für die Erziehung seiner beiden Nichten, die weit über das damals für Mädchen übliche Maß hinaus-ging. Catharina erhielt Unterricht in Latein, Französisch, Spanisch, Italienisch, Geschichte, Rechts- und Staatswissenschaften. Daneben übte sie sich in Singen, Tanzen, Malen, Reiten und Jagen. Eine weitere traumatische Erfahrung widerfuhr Catharina durch den plötzlichen Tod ihrer jüngeren Schwester 1651. Noch Jahre später beklagte sie deren Tod in ihren Briefen: Es war mein Herz und alle Gedanken mit ihr gen Himmel geflogen. Mein ganzes Leben war ein Todesverlangen, und mein bitterer Tod, dass ich wieder leben musste.  

Das ihr weiteres Leben prägende religiöse Durchbruchserlebnis wurde ihr anlässlich des Besuches einer Messe in Preßburg zuteil: Es ging ihr ein „Himmelslicht“ auf, wie sie ihre Erfahrung in späteren Schriften und Dichtungen beschrieb. Fortan wollte sie ihr Leben ganz in den Dienst der Verbreitung des protestantischen Glaubens stellen. Nach ihrer Heimkehr begann sie mit einem intensiven Studium theologischer, philosophischer und historischer Schriften. Zum Förderer ihrer Dichtkunst wurde Johann Wilhelm von Stubenberg, der auf der Schallaburg residierte. Mit ihm verband sie eine Seelenfreundschaft, die bis zu seinem Tod andauern sollte. Über ihn fand sie Zugang zu den führenden Nürnberger Dichtern Philipp Harsdörffer und Sigmund Birken, mit dem sie später auch einen regen Briefwechsel führte.

Noch vor ihrer Eheschließung hatte Catharina Aufnahme in den Kreis der „Istergesellschaft“ gefunden – Ister war die antike Bezeichnung für den Unterlauf der Donau. Es handelte sich dabei um einen Kreis kunstsinniger Adeliger, dem später auch Frauen – die Isternymphen – angehören durften. Wie ähnliche Zirkeln in Deutschland, etwa die „Fruchtbringende Gesell-schaft“, 1627 in Weimar gegründet, oder der „Pegnesische Blumenorden“, der sich 1644 in Nürnberg konstituierte, widmete sich die Istergesellschaft der Pflege kultureller und gesell-schaftlicher Kontakte. Prominente männliche Mitglieder waren Wolf Helmhard von Hohberg, der Verfasser der „Georgica Curiosa“, einem Werk der Hausväterliteratur, oder Georg Adam von Kuefstein, der auf Greillenstein residierte. Da in den erhaltenen Briefen und Schriftstücken meist aber nur Decknamen verwendet wurden, ist eine Identifikation nicht in allen Fällen möglich. Auch Damen der Wiener Hofgesellschaft gehörten diesen Kreisen an. Hier traf Catharina auf gleichgesinnte Angehörige des Adels und fand Freundinnen: Zu den engsten zählten die Gräfinnen Zinzendorf, eine Gräfin von Rantzau, eine Frau von Laßberg sowie Susanne Popp, die Tochter des Ennser Stadtrichters Priefer. Letztere war vermutlich eine Freundin seit Jugendtagen. Im Zuge der Gegenreformation und der um sich greifenden anti-protestantischen Stimmung schmolz die Istergesellschaft auf wenige Mitglieder zusammen. Ihre prominenten Vertreter gingen in die Emigration. Immerhin bildeten sie für Catharina zunächst in der Heimat, dann in der Fremde Stütze und Halt.

Trotz ihrer Bildung blieb Catharina gefangen in den Gepflogenheiten ihrer Zeit und ihres Standes: Als ihr Onkel sie trotz der nahen Verwandtschaft zur Frau nehmen wollte, konnte sie nur einige Jahre seinem Werben Widerstand entgegensetzen. Fragt man nach Gründen für sein Werben, so war dies zum einen sicher ein tiefes Gefühl, das er durch die Jahre für seine Nichte entwickelt hatte; zum anderen war sie eine standesgemäße Partie für einen in die Jahre gekommenen Landedelmann, und es war zu erwarten, dass ihr beginnender Ruf als Dichterin auch auf den Ehemann abfärben würde. So setzte er sich dafür ein, dass ihre ersten Werke, eine Sammlung von Andachtsgedichten unter dem Titel Geistlichen Sonette, Lieder und Gedichte 1662 im Druck erschienen. Schließlich gab sie seinem Drängen nach: 1664 heiratete sie ihren 25 Jahre älteren Onkel. Die Trauung fand in der Klosterkirche Frauenaurach bei Erlangen auf protestantischem Territorium statt; Schirmherr der Eheschließung war Markgraf Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth. In Österreich stand einer Ehe zwischen so nahen Blutsverwandten das katholische Kirchenrecht im Wege, während sich in der protestantischen Theologie kein ausdrückliches Verbot für eine solche Ehe fand. Die in Österreich nicht anerkannte Eheschließung hätte es eigentlich notwendig gemacht, dass das Ehepaar weiterhin auf protestantischem Gebiet ihren Aufenthalt nahm. Sie mussten allerdings nach Seisenegg zurück, um den Verkauf ihrer Güter voranzutreiben; Hans Rudolf von Greiffenberg wurde wegen der illegalen Eheschließung inhaftiert und erst durch Intervention des Kurfürsten von Sachsen wieder frei gelassen. Catharina interpretierte den neuerlichen Schicksalsschlag als göttliche Prüfung und Läuterung in Hinblick auf die ihr von Gott übertragene Aufgabe: die Bekehrung des Kaisers, seiner Familie und des gesamten Kaiserhofes zum einzig wahren, dem protestantischen Glauben.

Schloss Seisenegg © Elisabeth Vavra
Das Leben gestaltete sich nicht einfach. Der Gatte hielt sich zumeist in Radmer auf; Catharina lebte mit ihrer Mutter auf Seisenegg und hatte sich dort um den Gutsbetrieb zu kümmern. Ihre Probleme und Sorgen vertraute sie ihren Briefen an. Sie beklagte ihr Leben unter lautter boshafften Bauersleuthen, die mit Misstrauen ihre Gutsherrin bedachten. Jede Minute freier Zeit nutzte sie für ihre Dichtung; so lautet einer ihrer Briefe: Gegeben im Flachsfeld zu Preinsbach, den 7. August 1671 […] Ich schreib unter den Flachsziehern, die immer um etwas zu fragen und bitten haben, […]. Ablenkung von ihrer schwierigen Lage erfuhr sie bei den herbstlichen Vergnügungen des Adels, bei der Jagd, dem Vogelfang, bei Fischen und Reiten. Wenn ihr Gemahl anwesend war, führte er wohl ein offenes Haus. Allerdings behagten ihr seine rohen Tisch- und Saufkumpanen nicht sonderlich.

1675 starb ihre Mutter, zwei Jahre später ihr Gemahl. Schloss Seisenegg hatte noch ihr Gatte wegen der drückenden Schuldenlast an Matthäus Riß überschreiben müssen. Dieser verweigerte nun der Witwe den ihr zustehenden Erbanteil an der Kupfermine in Radmer auszuzahlen. Sie prozessierte gegen ihn; der Prozess zog sich über Jahre. War die Isolation schon vorher groß gewesen, so wurde sie nun zu einer erdrückenden Last. 1679 reist sie zu ihren Freunden nach Nürnberg; auf der Rückreise musste sie in Regensburg Aufenthalt nehmen, da in Wien die Pest ausgebrochen war. Hier begegnete sie ihren alten Freund Wolf Helmhard von Hohberg, dessen Einfluss es zu verdanken war, dass ihr nun zumindest das Erbgut ihrer Mutter in der Höhe von 5.500 Reichstalern ausgezahlt wurde. 1680 übersiedelte Catharina endgültig nach Nürnberg. Sie nahm Wohnung im Egidienhof und verbrachte dort im Kreis ihrer Freunde wohl die glücklichsten Jahre ihres Lebens. Sie starb am Ostersonntag des Jahres 1694 und wurde am St. Johannisfriedhof beerdigt.

Lit.: Heimo Cerny, Catharina Regina von Greiffenberg, geb. Freiherrin von Seisenegg (1633-1694), Amstetten 1983.

Weitere Infos zu Schloss Seisenegg und Catharina Regina von Greiffenberg finden Sie auch in der Geschichte-Datenbank des Landesmuseums: http://geschichte.landesmuseum.net/index.asp?contenturl=http://geschichte.landesmuseum.net/orte/ortedetail.asp___id=13631

Text: Dr. Elisabeth Vavra


Frauenportrait #22: 

21 Frauen – 21 Geschichten:

Aizheng Anna Anna Charlotte Dilschad Dorothea Eleonore Elfriede Erika Erika Ernestine Frieda Hedwig Herta Hildegard Ida Monika Rosa Sevil Vera Viktoria

Geburtsjahrgänge 1924-1953

Herkunftsländer: China, Kirgistan, Österreich und Türkei


Oma, tell me a story!“, lautete der Aufruf an unsere Großmütter anlässlich eines Oralhistory-Projekts im Fach Geschichte. An diesem Projekt waren 20 Schülerinnen und Schüler der 6c des Mary Ward Oberstufenrealgymnasiums im Alter von rund 16 Jahren und ihre Omas im Alter von 60 - 89 Jahren unter der Betreuung von MMag. Irene Kimberger beteiligt.
 


Collage
Im September 2012 wurde vom Landesmuseum Niederösterreich ein Schulprojekt für den Ausstellungsschwerpunkt „Frauenleben in Niederösterreich“ initiiert. Unsere Aufgabe dabei war es, die Lebensgeschichten unserer Großmütter zu recherchieren. Zunächst sollte jede/jeder SchülerIn ein Interview nach dem Motto „Oma, tell me a story“ führen, wobei das Hauptaugenmerk auf der Kindheit und Jugend der Großmütter liegen sollte.  Schon in dieser Phase kristallisiert sich heraus, dass die Geschichten sehr unterschiedlich sein würden. Manche Omas zögerten und waren es nicht so recht gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen, andere wiederum freuten sich über das Interesse ihrer EnkelInnen und die Zeit, die sie dabei mit ihnen verbringen konnten.  Die Omas erzählten von ihrem harten Arbeitsleben, von ihrer Ausbildungszeit, von den Freuden und auch Leiden des Alltags. Sie kramten Fotos und andere teure Erinnerungstücke aus verborgenen Verstecken heraus. Einige Omas wagten sich sogar vor eine Kamera, um auf diesem Weg ihre Lebensgeschichten zu präsentieren.
Bei der weiteren Verarbeitung der Geschichten waren den Schülerinnen und Schülern keine Grenzen gesetzt. So wurden mit großem Engagement und  vielen kreativen Ideen – von Bildergalerien über Oma-Rap bis hin zu digitalen Präsentationen –  die Lebensgeschichten der Großmütter dokumentiert. Die Ergebnisse der Arbeiten waren sehr vielseitig, das Schlussresümee jedoch oft ähnlich: „Es war schön, Zeit mit meiner Großmutter zu verbringen.“ - „Ich habe viel Neues über meine Familie und damit über meine Wurzeln erfahren.“ - „Jetzt kann ich meine Oma erst wirklich verstehen!“
Im Juni 2013 wurden die Ergebnisse bei einem „Omafrühstück“ besprochen. Dabei bereiteten die Schülerinnen und Schüler ein köstliches Frühstück zu, das neben der Präsentation der Arbeiten in der Schulküche des Mary Ward Privatgymnasiums gemeinsam genossen wurde. Ein besonders Projekt, das allen Beteiligten noch lange in Erinnerung bleiben wird.
 

Text: MMag. Irene Kimberger

Das Projekt ist in der Ausstellung „Frauenleben in Niederösterreich“ noch bis 19. Oktober 2014 zu sehen.



# 21 Frau Ava

Frau Ava Literaturpreis
www.frauavapreis.at

Die erste namentlich bekannte Dichterin in deutscher Sprache war eine Niederösterreicherin. Ihr Name ist erst seit etwa 150 Jahren bekannt. Sie verfasste fromme Dichtungen und nennt sich selbst am Schluss eines ihrer Gedichte, des „Jüngsten Gerichts“:
Diese Bücher dichtet die Mutter zweier Kinder, die deuteten ihr diesen Sinn. Viel Freude war unter ihnen. Die Mutter liebte die Kinder. Der eine schied von der Welt. Nun bitte ich euch alle, Arme und Reiche, wer auch immer diese Bücher lese, dass er seiner Seele Gnade wünsche für den einen, der noch lebt und sich auf verschiedenste Weise müht, dem wünscht Gnade und (auch) der Mutter, das ist Ava.“
Aus dem Gedicht erfährt man, dass sie von ihren zwei Söhnen theologische Belehrung erhielt und einer von ihnen bereits gestorben sei. Sonst ist allerdings nur wenig über sie bekannt.
Die Melker Annalen vermerken zum Jahr 1127 den Tod einer Inkluse Ava. Name und Todestag finden sich auch in den Klöstern Garsten, Klosterneuburg, St. Lambrecht und Zwettl verzeichnet, was darauf schließen lässt, dass diese Inkluse Ava eine bekannte Persönlichkeit war und ihr Wirken im Raum Niederösterreich anzusiedeln ist, möglicherweise in der Umgebung Melks. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind die Autorin der Dichtungen und die offenbar bekannte Inklusin ein und dieselbe Person, die, wie sich aus den biografischen Angaben der Dichterin ergibt, einst ein weltliches Leben geführt  und sich später ins Kloster zurückgezogen hat.
Inklusen waren fromme Frauen, die ihre Zellen in unmittelbarer Nähe kirchlicher Institutionen errichteten, angebaut an Pfarr- und Klosterkirchen und oft mit diesen durch ein Fenster verbunden, um der Liturgie zu folgen. Inklusen haben sich zur Zeit Avas auch bücherschreibend betätigt, möglicherweise lehrten sie sogar. Es war zudem keine Seltenheit, dass sich Frauen erst im höheren Alter einem Kloster als Inkluse anschlossen.
Nach einer wohl erst im 19. Jahrhundert entstandenen Tradition stand Ava in enger Beziehung zu Göttweig. Einer ihrer Söhne soll mit Hartmann, dem ersten Abt Göttweigs (1094-1114) ident gewesen sein, was allerdings bislang nicht bewiesen werden konnte. Auch das so genannte „Ava-Haus“ in Kleinwien (Avastraße 7), heute nicht mehr im Besitz des Stiftes Göttweig, in dem sie gelebt haben soll, und der steinerne „Ava-Turm“, in dem sie angeblich starb, entstammen wohl eher einer romantischen Tradition.

Institut für Realienkunde
Ava verfasste Bibeldichtung: Sie beginnt ihren Gedichtzyklus dem Kirchenjahr folgend mit „Johannes“, der Geschichte des Täufers von der Geburt bis zur Enthauptung, gefolgt vom „Leben Jesu“ von der Geburt bis zur Passion, Auferstehung und Himmelfahrt , wobei neben den biblischen Berichten auch zeitgenössische Gedanken der Alltagsreligiosität Niederschlag fanden. Der das „Leben Jesu“ abschließende Teil nennt sich „Die sieben Gaben des Heiligen Geistes“ und setzt, ausgehend vom Pfingstgeschehen, diese sieben Gaben mit den sieben Seligpreisungen in Verbindung. Mitunter wird dieses Gedicht auch als eigenes ausgewiesen. Im „Antichrist“ schildert Ava die Zukunftsvision von der Herrschaft des Antichristen, mit der Wiederkunft Christi und dem Weltgericht im „Jüngsten Gericht“ schließt ihr Werk, das insgesamt 3.400 Verse umfasst.
Der Inhalt ihrer Dichtungen zeigt sie als welterfahrene Frau, die versucht, dem Laienpublikum geistliche Lebensorientierung zu vermitteln. Die Vorstellungen von einem gottgefälligen Leben, die sie den Leserinnen und Lesern nahe zu bringen versucht, sind voller realitätsbezogener Anspielungen, wirken lebensnah und zeigen die Dichterin als Frau, die Stärken und Schwächen ihrer Mitmenschen richtig einzuschätzen wusste.

Avaturm, Foto: E. Vavra
Die Erinnerung an die erste deutsche Dichterin ist bis heute sehr lebendig geblieben. Die „Frau Ava Gesellschaft für Literatur“ mit dem Sitz in Paudorf bei Göttweig hat sich zum Ziel gesetzt, die Erforschung ihres Werkes weiter zu fördern. In Erinnerung an sie wurde ein „Frau Ava Literaturpreis“ (www.frauavapreis.at) ausgeschrieben, der seit 2003 an Schriftstellerinnen vergeben wird, die sich in einem Prosatext auf neuartige und innovative Weise in Sprache und Form mit Themen im Spannungsfeld von Spiritualität, Religion und Politik auseinander setzen. Den Preisträgerinnen wird eine vom Paudorfer Künstler Leo Pfisterer entworfene Ava-Statuette sowie ein Geldpreis verliehen. Die Preisträgerinnen bis heute waren 2003 Irma Krauß („Der Verdiener“), 2005 Elisabeth Ebenberger („Reigen unseliger Geister“), 2007 Karin Bruder („Servus“), 2009 Marjana Gaponenko („rosa canina“), 2011 Ruth Johanna Benrath („Wimpern aus Gras“) und 2013 Corinna Antelmann („Maja hasst Bienen“).

Text: Dr. Elisabeth Vavra



#20 Ursula (Julia) Ledóchowska - eine Heilige aus Niederösterreich 

Der Ambrosi-Schüler Carlo Wimmer schuf
die Statuen der beiden Schwestern (Detail).
Pfarrkirche Loosdorf, Foto: E. Vavra
Die Grafen Ledóchowski waren ein Adelsgeschlecht, das einst dem polnischen Hochadel angehörte. Nach dem Ende des polnischen Königreiches erwarben sie die erbliche österreichische Grafenwürde und stellte fortan ihr Wirken in den Dienst der Habsburgermonarchie. 1843 erwarb der k. k. Kämmerer Anton August Graf Halka Ledóchowski das Schloss Sitzenthal bei Loosdorf und siedelte sich dort mit seiner ersten Gemahlin, einer Gräfin Seilern, an, die drei Söhnen das Leben schenkte. Nach ihrem Tod  heiratete er Gräfin Josephine Salis-Zizers. Sie gebar ihm fünf Kinder, unter ihnen 1863 Maria Theresia, die die Petrus-Claver-Sodalität gründete, 1865 Julia und ein Jahr später Wladimir, der von 1915 bis 1942 Ordensgeneral des Jesuitenordens werden sollte. Der Onkel der Kinder Mieczysław Halka Ledóchowski war Erzbischof von Gnesen und Posen und später Kardinal und Präfekt der Kongregation zur Verbreitung des Glaubens in Rom.

Durch den Wiener Börsenkrach 1873 verlor die Familie den Großteil ihres Vermögens. Sie musste ihren Ansitz verkaufen und zog nach St. Pölten. Maria Theresia und Julia gingen gemeinsam bei den Englischen Fräulein zur Schule. Der Vater kränkelte und wollte zurück in die alte Heimat Polen. So zog die Familie 1883 nach Lipnica in Galizien in der Nähe von Krakau, damals Bestandteil des Kaisertums Österreich.

Hl. Ursula als 15-jähriges Mädchen,
Foto: Sanktuarium
św. Urszuli Ledóchowskiej
Zwei Jahre nach der Übersiedlung starb Graf Ledóchowski; zuvor hatte er noch seiner Tochter Julia die Erlaubnis erteilt, ihrer Berufung zu folgen und in den Orden der Ursulinen einzutreten. Dies tat sie dann 1886 und nahm den Ordensnamen Ursula nach der Gründerin des Ordens an. Am 28. April 1889 legte sie die ewigen Gelübde ab und war in der Folge als Lehrerin und Erzieherin in der Ordensniederlassung in Krakau tätig, wo sie 1904 zur Oberin des Klosters gewählt wurde. In Petersburg gründete sie ein Internat für polnische Studentinnen, weil sie vom Pfarrer der St. Katharinen-Kirche, dem Monsignore Konstantin Budkiewicz, darum gebeten worden war, 1907 dann ein Ursulinenkloster in Petersburg und ein gleiches in Sortavala in Finnland. Hier nahm sie auch ökumenische Kontakte und übersetzte den Katechismus ins Finnische, ebenso ein religiöses Liederbuch. Für arme Fischer und deren Familien gründete sie ein Ambulatorium, das kostenlos den Kranken half.

Der Ambrosi-Schüler Carlo Wimmer schuf
die Statuen der beiden Schwestern.
Pfarrkirche Loosdorf, Foto: E. Vavra

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs machte einen weiteren Aufenthalt im Land des Kriegsgegners unmöglich. Schwester Ursula ging nach Stockholm und gründete dort
eine Mädchenschule und ein Waisenhaus für Kinder polnischer Emigranten. Sie setzte sich für eine zukünftige polnische Unabhängigkeit ein, indem sie während der Kriegsjahre 1915 bis 1918 in den skandinavischen Ländern mehr als 80 Konferenzen abhielt, auf denen sie über Kultur, Literatur und Geschichte des polnischen Volkes sowie über sein Recht auf Freiheit, Unabhängigkeit und staatliche Selbständigkeit sprach. Sie unterstützte das vom Nobelpreisträger Henryk Sienkiewicz in der Schweiz gegründete Komitee zur Hilfe für polnische Kriegsopfer.

Das Wiedererstehen Polens ermöglichte ihr die Rückkehr in die Heimat. Dank der finanziellen Hilfe des norwegischen Konsuls in Dänemark Stolt-Nielsen kaufte Mutter Ursula in Pniewy bei Posen ein Grundstück mit zwei Villen, wo das Mutterhaus des neu gegründeten ursulinischen Zweigs entstand. Sie kam 1920 aus Skandinavien direkt nach Pniewy (Mehr zum Sanktuarium in Pniewy: http://sanktuarium-pniewy.pl/de/geschichte-des-sanktuariums). Bald zeigte sich jedoch, dass ihre Interessen und ihre Ziele, entwickelt in den Jahren des Exils in Skandinavien, sich von denen des Ordens unterschieden. Richtete sich dieser an ein bürgerliches Publikum, so lagen ihr und ihren Mitschwestern aus St. Petersburg die Ärmsten der Armen am Herzen. So trennte sich Ursula Ledóchowska mit ihren Schwestern im Einverständnis mit dem Heiligen Stuhl in Rom vom polnischen Ursulinenorden und gründete den selbständigen Zweig der „Ursulinen von dem Todesangst leidenden Herzen Jesu“ („Orsoline del Sacro Cuore di Gesú Agonizzante“, in Polen „die grauen Ursulinen“ genannt). 1923 erhielt die Ordenskongregation probeweise die kirchliche Approbation, 1930 bereits die definitive. Als die Gründerin am 29. Mai 1939 in Rom 74jährig starb, zählte die Ordenskongregation bereits mehr als 777 Mitglieder in 35 Klöstern. Heute sind es 95 Niederlassungen in Finnland, Frankreich, Italien, Polen, Brasilien, Kanada und seit 1980 auch in der Bundesrepublik Deutschland. Die Grauen Ursulinen widmen sich vor allem der christlichen Erziehung und Armenfürsorge.

Hl. Ursula mit Kindern in Frankreich (Ucel),
Foto: Sanktuarium św. Urszuli Ledóchowskiej
Der Leichnam der Ordensgründerin wurde in Rom beigesetzt. 1989 wurde er von Rom nach Pniewy überführt. 1983 wurde Mutter Ursula von Papst Johannes Paul II. selig- und am 18. Mai 2003 heiliggesprochen. Der liturgische Feiertag der Heiligen Ursula wird am 29. Mai begangen.

Text: Dr. Elisabeth Vavra

 

 

#19 Schwester Maria Restituta

eine Kämpferin für den Glauben

 
Sr. Maria Restituta,
Fotoquelle: Dokumentationsarchiv des
öst. Widerstands (www.doew.at)
Aus Mähren kam 1896 die Familie Kafka nach Wien. Hier hoffte der Vater Anton Kafka als Schuhmacher ausreichend Arbeit zu finden, um seine kinderreiche Familie ernähren zu können. Helene Kafka war als viertes von sieben Kindern am 1. Mai 1894 noch in Hussowitz (Husovice) bei Brünn zur Welt gekommen. In Wien-Brigittenau besuchte sie die Volksschule, dann die dreijährige Bürgerschule und später eine einjährige Haushaltungsschule. Zunächst verdiente sie sich ihren Lebensunterhalt als Hausmädchen und als Verkäuferin in einer Tabaktrafik. Ab 1914 arbeitete sie als Hilfspflegerin im Krankenhaus Lainz und lernte dort die „Franziskanerinnen von der christlichen Liebe“, die in Wien das Hartmannspital führten, kennen und trat am 25. April 1914 gegen den Willen der Eltern in den Orden ein. Am 23. Oktober 1915 begann ihr Noviziat. Sie nahm den Ordensnamen Maria Restituta an. Ein Jahr später legte sie die einfache Profess ab, am 8. Juni 1923 ihre Ewige Profess, das Gelübde auf Lebenszeit.
Nach Zwischenstationen im Krankenhaus Neunkirchen und wieder im Krankenhaus Lainz begann sie im Mai 1919 ihre Arbeit als Krankenschwester im Krankenhaus Mödling. Sehr rasch wurde sie aufgrund ihres Einsatzes und ihrer Qualifikation zur leitenden Operationsschwester und Narkotiseurin. Im Kloster konnte sie ihr musisches Talent als Harmoniumspielerin und Chorleiterin ausleben. Ihr temperamentvolles Wesen und ihre schonungslose Ehrlichkeit machten ihr das Leben weder in der Klostergemeinschaft noch „an ihrem Arbeitsplatz leicht. Bald erhielt sie im Spital den Spitznamen „Schwester Resoluta“.
Die Machtübernahme durch die Nazi 1938 blieb nicht ohne Folgen für das Krankenhaus Mödling. Mit der Schaffung von Groß-Wien und der Eingemeindung von Mödling ging am  15. Oktober 1938 das Krankenhaus in das Eigentum und in die Verwaltung der Gemeinde Wien über. Der jüdische Chirurg wurde entlassen; an seine Stelle trat der minder qualifizierte SS-Arzt Dr. Lambert Stumfohl; damit waren Konfrontationen bereits vorprogrammiert. Ein weiterer Konflikt entzündete sich an den Kruzifixen in den Krankenzimmern, gegen deren Entfernung sich Sr. Maria Restituta stellte. Dies und zwei regimekritische Schriften, für deren Verbreitung Sr. Maria Restituta sorgte, wurden ihr zum Verhängnis.
Bei einem der Texte handelte es sich um das „Soldatenlied für ein glückliches Österreich“:

Erwacht, Soldaten, und seid bereit,
Gedenkt Eures ersten Eid(s).
Für das Land, in dem ihr gelebt und geboren,
Für Österreich habet ihr alle geschworen.
Das sieht ja schon heute jedes Kind,
Daß wir von den Preußen verraten sind.
Für die uralte heimische Tradition
Haben sie nichts als Spott und Hohn.
Den altösterreichischen General
Kommandiert ein Gefreiter von dazumal.
Und der österreichische Rekrut
Ist für sie nur als Kanonenfutter gut.
Zum Beschimpfen und Leuteschinden
Mögen sie andere Opfer finden.
Mit ihrem großen preußischen Maul
Sind sie uns herabzusetzen nicht faul.
Dafür haben sie bis auf den letzten Rest
Die Ostmarkzitrone ausgepreßt.
Unser Gold und Kunstschätze schleppten sie gleich
In ihr abgewirtschaftetes Nazireich.
Unser Fleisch, Obst, Milch und Butter
Waren für sie ein willkommenes Futter.
Sie befreiten uns, und ehe man's glaubt
Hatten sie uns gänzlich ausgeraubt.
Selbst den ruhmvollen Namen stahl uns die Brut,
Und jetzt wollen sie auch noch unser Blut.
Der Bruder Schnürschuh ist nicht so dumm,
Gebt acht, er dreht die Gewehre um.
Der Tag der Vergeltung ist nicht mehr weit,
Soldaten, gedenkt eures ersten Eid(s).

Österreich!

Wir Österreicher, auf uns gestellt,
Hatten Frieden und Freundschaft mit aller Welt.
Die Welt vergiftet mit ihrem Haß,
Sie machen sich jedes Volk zum Feind,
Sie haben die Welt gegen sich vereint.
Die Mütter zittern, die Männer bangen,
Der Himmel ist schwarz mit Wolken verhangen.
Der schrecklichste Krieg, den die Menschheit gekannt,
Steht furchtbar vor unserem Heimatland.
Es droht uns Elend und Hungersnot,
Der Männer und Jünglinge Massentod.
Kameraden, trotzt dem verderblichen Wahn,
Was gehen uns die Händel der Preußen an.
Was haben uns die Völker getan?
Wir nehmen die Waffen nur in die Hand
Zum Kampf fürs freie Vaterland.
Gegen das braune Sklavenreich,
Für ein glückliches Österreich!


Eine Angestellte belauschte sie, als sie den Text einer anderen in die Schreibmaschine diktierte, und denunzierte sie bei Dr. Stumfohl. Dieser beschlagnahmte das Durchschlagpapier als Beweismittel und erstattete Anzeige. Am Aschermittwoch, den 18. Februar 1942, wurde sie im Operationssaal von der Gestapo verhaftet. In ihrem Besitz fand man noch die Flugschrift „Deutsche katholische Jugend“, die aus Protest gegen einen Übergriff anlässlich einer katholischen Jugendkundgebung in Freiburg im Breisgau abgefasst worden war. In den folgenden Verhören durch die Gestapo gab Sr. Maria Restituta keinen Namen preis. Sie schützte alle an den Vorgängen im Krankenhaus Beteiligten.
Über die Zeit ihrer Haft berichtete ihre Mitgefangene, die kommunistische Parteifunktionärin Anna Haider: „Sie hat geholfen ohne Rücksicht auf Nationalität oder Weltanschauung, ob jemand katholisch war oder konfessionslos oder kommunistisch war oder sozialdemokratisch oder christlich-sozial, da hat sie weder gefragt, noch hatte es irgendeine Bedeutung für sie [...] Sie hat die Menschen sichtlich wirklich gerne gehabt.“
Obwohl man ihr weder die Verbreitung des Liedes oder des Flugblattes nachweisen konnte, eröffnete man im Herbst 1942 den Prozess wegen Hochverrat und Feindbegünstigung. Es war offensichtlich, dass das Regime an Sr. Maria Restituta ein Exempel statuieren wollte, dass sich gegen die katholische Kirche richtete und deren Proteste und Widerstand im Keim ersticken sollte. Am 29. Oktober 1942 wurde das Todesurteil verkündet: „Im Namen des Deutschen Volkes. In der Strafsache gegen die Ordensschwester und Operationsschwester am Städtischen Krankenhaus in Wien – Mödling Helene Kafka, Ordensname „Restituta“, aus Wien-Mödling, geboren am 1. Mai 1894 in Hussowitz bei Brünn (Mähren), zur Zeit in dieser Sache in gerichtlicher Untersuchungshaft, wegen Vorbereitung zum Hochverrat hat der Volksgerichtshof, 5. Senat, auf Grund der Hauptverhandlung vom 29. Oktober 1942, […] für Recht erkannt: Die Angeklagte Kafka wird wegen landesverräterischer Feindbegünstigung und Vorbereitung zum Hochverrat zum Tode und zum Ehrenrechtsverlust auf Lebenszeit verurteilt. […].“
Gnadengesuche, u.a. vom Wiener Kardinal Theodor Innitzer, blieben ohne Wirkung. Am 30. März 1943 wurde sie im Wiener Landesgericht durch Enthauptung hingerichtet. Ihr Leichnam wurde nicht der Ordensgemeinschaft übergeben, sondern anonym in der sog. 40er Gruppe des Wiener Zentralfriedhofs verscharrt.
Seinen Besuch in Wien nahm Papst Johannes II. zum Anlass, am 21. Juni 1998 ihre Seligsprechung zu verkünden. Sr. Maria Restituta ist die erste Märtyrerin der Erzdiözese Wien. Ihr liturgischer Gedenktag ist der 29. Oktober.
Text: Dr. Elisabeth Vavra

Quellen: 
Helene Maimann, Schwester Restituta. Versuch über eine Unbequeme. In: Helmut Konrad, Wolfgang Neugebauer (Hrsg.): Arbeiterbewegung. Faschismus. Nationalbewußtsein. Wien-München-Zürich 1983, 201–212.
Werner Kunzenmann, Sr. Maria Restituta Kafka. Märtyrin aus dem Widerstand. Dokumentation. Innsbruck 1998.
http://www.widerstand-christlicher-frauen.de/biografien/kafka_restituta.htm (aufgerufen 29.4.2014).

#18 Elfriede Mejchar

Elfriede Mejchar, 1958 © Archiv Mejchar
Kindheit
Elfriede Mejchar wurde am 10. Mai 1924 im Allgemeinen Krankenhaus in Wien geboren. Nach einem Jahr übersiedelte sie mit ihrer Mutter Rosa Jähnl nach Ruprechtshofen bei Melk. In Melk lebten die Großeltern von Elfriede Mejchar; ihr Großvater Wilhelm Jähnl, der 1905 nur 52-jährig verstarb, war Primarius am 1899 neu gebauten Krankenhaus; auch ihre Mutter wurde in Melk geboren. Elfriede Mejchar wuchs bis zum Ende der 2. Volksschulklasse in Ruprechtshofen auf und beendet die Volskschule 1934 in St. Leonhard am Forst.
Da aus ökonomischen Gründen ihr Wunsch, die Schule der „Englischen Fräulein“ in St. Pölten zu besuchen, nicht möglich war, kam Elfriede Mejchar im Herbst 1934 intern zu den katholischen „Schulschwestern“, einer Ordensschule mit Mädchenpensionat, nach Haindorf bei Langenlois. Auf Grund des „Anschlusses“ Österreichs an Deutschland musste das Institut im Herbst 1938 geschlossen werden, sodass Elfriede Mejchar auf Drängen ihrer Mutter die „Wirtschaftschule“ (heute „Handelsschule“) in St. Pölten absolvieren musste. Nach wenigen Monaten verweigerte Elfriede Mejchar die Schule und zog ihrer Mutter nach Nordenham in Norddeutschland nach, wo infolge der nationalsozialistischen Arbeitspolitik deren Mann Karl Berger hinbeordert wurde. Dort besuchte sie in Brake bei Nordenham die Oberschule, die sie am 1. 6. 1940 mit „Mittlerer Reife“ abschloss.

Landesmuseum Niederösterreich, Foto © Helmut Lackinger
Jugend und Beginn der photographischen Laufbahn
Nach dem Schulabschluss arbeitete sie kurze Zeit als Büromitarbeiterin im Flugzeugwerk Nordenham („Weser-Flugzeugbau“, wo auch ihr Stiefvater beschäftigt war und die JU52 produziert wurde), da ihr Wunsch, Photographin zu werden („Ich wollte ein Handwerk lernen.“) mangels einer Lehrstelle nicht sofort realisiert werden konnte.
Dieser Wunsch wurzelt wohl bei ihrer Tante Lotte Jähnl, die Sekretärin in der Direktion der „Österreichischen Galerie“ im Belvedere war und leidenschaftlich gerne photographierte, wenn sie zu Besuch zu Elfriede Mejchar nach Ruprechtshofen bzw. St. Leonhard kam. „Die Photographie war also immer existent in meinem Leben, daher war es nahe liegend, dass ich Photographin werden wollte“, erinnert sie sich an ihre Kindheit. Ihr großer Wunsch war, nach München zu gehen, wo es damals die beste Photoschule im deutschsprachigen Raum gab, da sie die beste Ausbildung absolvieren wollte, aber auch dies war aus ökonomischen Gründen nicht möglich.
Mit 7. April 1941 war es soweit: Elfriede Mejchar begann ihre Photographielehre im kleinen Photostudio Ernst Ley in Nordenham, die sie am 15.April 1944 mit der offiziellen GesellInnenprüfung in Oldenburg abschloss (und im Mai 1960 bei der Sektion Gewerbe der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien mit der Meisterprüfung Photographie als externe Absolventin der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt Wien beendete). Die dabei zu absolvierende Aufgabe war ein Portrait zu realisieren, sowohl im Profil als auch en face. Es galt zu zeigen, dass man in Bezug auf Licht- und Personengestaltung direkt vor der Kommission die Photographie technisch beherrschte.

Landesmuseum Niederösterreich, Foto © Helmut Lackinger
Rückkehr nach Wien – Die ersten Arbeiten für das Bundesdenkmalamt (BDA)
Im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen 1944 zog Elfriede Mejchar mit ihrer Mutter noch im Juni zurück nach Wien. Diese nahm rasch Kontakt zur „Österreichischen Galerie im Belvedere“ auf, da sie durch ihre Schwester Lotte sowohl den damaligen Direktor Grimschitz als auch Eva Frodl kannte, welche die Photoabteilung des „Instituts für Denkmalpflege“, wie das BDA während der nationalsozialistischen Zeit hieß, leitete.
Am 19. Juni 1944 erhielt Elfriede Mejchar erstmals eine Anstellung am BDA und wurde beauftragt, u. a. in St. Pölten historische Architektur zu photographieren, um so im Falle möglicher Bombenschäden Dokumentationsmaterial zu haben; dabei wurde sie für kurzfristig wegen Spionageverdacht von Nationalsozialisten in Verwahrungshaft genommen. Eine Woche lang war sie auch in Bad Aussee im Salzbergwerk, um die von den Nationalsozialisten dort gehorteten Kunstwerke zu dokumentieren.
Wie für so viele andere war auch für Elfriede Mejchar das Kriegsende turbulent. Mehrmals war sie in St. Pölten und lebte auch für kurze Zeit 1945 in Anreith im Dunkelsteiner Wald, wo sie das unmittelbare Kriegsende erlebte. Im September 1945 holte sie ihre Mutter wieder nach Nordenham.1946 wurden sie als Ausländer aus Deutschland ausgewiesen und kehrten zunächst nach Melk, dann nach Markersdorf zurück. 1947 übersiedelte Elfriede Mejchar nach Wien.

Ein photographisches Leben für das Bundesdenkmalamt
Elfriede Mejchar war ab dem 15.Oktober. 1947 bis zur ihrer Pensionierung am 30. September 1984 im Bundesdenkmalamt als vertragsbedienstete Photographin tätig. Ihr Arbeitsbereich umfasste dabei laut Dienstvertrag
„…die gesamte fotografische Dokumentation der Restaurierungen von Kunstwerken in den Werkstätten des Bundesdenkmalamtes, wobei neben den normalen auch fotografische Spezialverfahren (Infrarot-, Ultraviolett- und Fluoreszensfotografie) zur Anwendung gelangen.“
Weiteres oblag ihr „…die Herstellung der Bildvorlagen für die kunstwissenschaftlichen Publikationen des Bundesdenkmalamtes, vor allem für die Österreichische Kunsttopographie. In diesem Aufgabenbereich müssen neben der Landschafts- und Architekturfotografie auch zahlreiche Sachgebiete der technischen Fotografie, wie das fachgemäße Aufnehmen von Skulpturen, Bildern, Textilien und Goldschmiedearbeiten beherrscht werden.“
Ihre umfangreiche, vielfältige und auch körperlich höchst herausfordernde beruflich-photographische Tätigkeit führte sie dabei über Jahrzehnte fast durch ganz Österreich, insbesondere nach Vorarlberg, Tirol, Kärnten, Steiermark und Oberösterreich. Ihre Arbeit ist durch einen hohen bildphotographischen Qualitätsanspruch gekennzeichnet, auf den immer wieder auch explizit bei den kunsttopographischen Publikationen des BDA hingewiesen wird.

Industriearchäologische Dokumentationen
In den 1970er Jahren lernte der Architekt Manfred Wehdorn, der Doyen der österreichischen Industriearchäologie Elfriede Mejchar im BDA kennen und beauftragte sie Anfang der 1980er Jahre mit umfangreichen industriearchäologischen Dokumentationen. Anders als im BDA, wo es exakte photographische Vorgaben bezüglich der Art und Weise der Aufnahmen gab, konnte Elfriede Mejchar jetzt viel freier nach ihren Vorstellungen die photographische Dokumentation gestalten (Wehdorn listete lediglich die zu dokumentierenden Objekte auf, alles weitere überließ er ihr). Hilfreich war dabei das Faktum, dass Elfriede Mejchar selbst genuines Interesse an diesen Thema hatte, wie ihre freie photographische Arbeit über die Simmeringer Heide und der Erdberger Mais in Wien in den 1960er Jahren eindrucksvoll zeigt.


Landesmuseum Niederösterreich, Foto © Helmut Lackinger

Freie photographische Werke
Elfriede Mejchar zählt nicht nur im Bereich der kunsttopographischen und industriearchäologischen Dokumentation zu den bedeutendsten Photographinnen Österreichs, sondern auch im Hinblick auf ihre außerordentlich vielgestaltige freie, also auftragsungebundenen photographischen Arbeiten, die bereits in den 1950er Jahren begann (u.a. mit dem bemerkenswerten Projekt „Künstler bei der Arbeit“); zahlreiche Ausstellungen, Ausstellungsbeteiligungen, Publikationen sowie herausragende Ehrungen und Preise – u. a. erhielt sie 2002 den Würdigungspreis für künstlerische Photographie des Bundeskanzleramtes, Kunstsektion, 2004 den Preis der Stadt Wien für bildende Kunst sowie ebenfalls 2004 den Würdigungspreis für Photographie des Landes Niederösterreich für Medienkunst – zeigen eindrucksvoll den Rang des photographischen Oeuvres von Elfriede Mejchar.

Text: Carl Aigner

Werkschau im Landesmuseum Niederösterreich:
http://www.landesmuseum.net/de/ausstellungen/sonderausstellungen/elfriede-mejchar/elfriede-mejchar
18.05.-12.10.2014


AKTIVPROGRAMM #3


Fotolabor © B. Gramm

Passend zum Thema Fotografie findet im Landesmuseum am Dienstag, 24. Juni ab 16Uhr das dritte Aktivprogramm mit Kulturvermittlerin Barbara Wippl statt.

Bei diesem Workshop werden die Prinzipien analoger Fotografie erläutert, um selbst in der Dunkelkammer eigene fotografische Experimente anzustellen. Ob mit Belichtung, der Mischung von Chemikalien oder dem Variieren von Gegenständen auf dem Fotopapier. Der inspirative Zugang und das freie Gestalten beim Ausarbeiten des Fotogramms stehen dabei im Vordergrund.





TIPP!
Elfriede Mejchar ist Mitglied bei FLUSS – NÖ INITIATIVE FÜR FOTO- UND MEDIENKUNST. FLUSS wurde 1989 von Heinz Cibulka und Helmut Kandl (vorm. Schäffer) als gemeinnütziger Verein gegründet; die nun etwa sechzig Vereinsmitglieder sind Foto- und MedienkünstlerInnen, FotografInnen und KunstvermittlerInnen, denen die gesellschaftliche und künstlerische Auseinandersetzung mit Fotografie und Neuen Medien ein Anliegen ist.
http://www.fotofluss.at/index.php


#17 Maria Trilety – Gemeinderätin und Landtagsabgeordnete

© Stadtarchiv Baden
Als Tochter eines Wagnermeisters kam Maria Trilety in Weikersdorf  (jetzt Stadtteil von Baden) am 3. Mai 1878 zur Welt. Sie besuchte die Volks- und Bürgerschule in Baden, dann eine zweijährige höhere Fortbildungsschule und Handelsschule in Wien. In erster Ehe heiratete sie den Bäckergehilfen Ludwig Brunner. Beide fanden ihre politische Heimat in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) und wurden für diese in ihrer Heimat Baden tätig. Obwohl erst durch die am 18. Dezember 1918 beschlossene Wahlordnung Frauen das allgemeine Wahlrecht erhielten, zog Maria Brunner bereits im November 1918 als erste Frau in den Badener Gemeinderat ein. Ihr Gatte Ludwig Brunner verzichtete auf seinen Gemeinderatssitz, da „nach der gesetzlichen Vorschrift aber eine nahe Verwandschaft in dieser Körperschaft nicht statthaft ist“, wie die Badener Zeitung zum 27. November 1918 berichtete.
Während ihrer kurzen aktiven Zeit im Badener Gemeinderat engagierte sie sich gemeinsam mit den anderen Vertretern der sozialdemokratischen Arbeiterpartei für Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, der Armut und der Wohnungsnot. Am 10. März 1919 wurde ein von ihrer Fraktion eingebrachter Antrag betreffend Delogierung oder Ausmietung von Familien, Schaffung von Abhilfe durch Notstandswohnungen und Inangriffnahme von Bauten von Kleinwohnungen angenommen. In der vorausgegangenen Debatte ergriff auch Maria Brunner das Wort: „Die Wohnungsfrage ist für die armen Leute von jeher sehr dringend ... Es ist ja bekannt, dass die Kinder sich selbst überlassen sind und in den Häusern viel ruinieren, sie verlottern und stellen alles mögliche an. Was das Armen- und Waisenhaus anbelangt, so ist die Unterbringung nur momentan möglich, nicht aber auf die Dauer. Es ist notwendig, dass die Stadtgemeinde Baden als großer Kurort vorangeht bezüglich der Kleinwohnungen, Arbeiterhäuser, damit die Familien anständig wohnen können, wie es sich gehört. Denn es gibt Wohnungen, die kaum Wohnungen zu nennen sind. Der Herr Bürgermeister [= Dr. Franz Trenner] als Arzt wird in der Lage sein, sich ein Urteil über den Gesundheitszustand der zukünftigen Kinder, der Proletarierkinder zu bilden …“ (zit. nach Wagner).
Um für unterstandslose Familien Wohnraum zu schaffen, wurden die Baracken des ehemaligen Kriegsspitals herangezogen; die Lebensbedingungen dort waren aber katastrophal, wie Maria Brunner anlässlich eines weiteren Dringlichkeitsantrages am  7. April 1919 schilderte: „Ich habe mir die Baracken mit den Wohnungen angesehen. Es sind 34 Parteien mit 139 Personen, darunter Familien mit 5 bis 9 Kinder. Es wird der Dringlichkeitsantrag gestellt, weil bereits Beschwerden gelaufen sind. Ein großer Teil der Familien ist verlaust. Es sind Notwohnungen. Es wäre Pflicht gewesen, diese Baracken zu untersuchen, ob sie auch bewohnt werden können. Sie sind nicht gereinigt … Mir war den ganzen Tag übel vom Geruch … Es muss die Forderung nach sofortiger Remedur [Abhilfe, Beseitigung eines Missstandes] gestellt werden, damit nicht fürchterliche Krankheiten entstehen. Es sind nette Leute drinnen, die im Großen und Ganzen zu bedauern sind. Den netten und reinen Familien dort werden die Möbel verwanzt und verlaust. Die sozialdemokratische Fraktion muss an die Gemeindeverwaltung das Ersuchen stellen, dort draußen Ordnung zu schaffen …“ (zit. nach Wagner).
Weitere Aktivitäten Maria Brunners zielten auf die Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten auch für Frauen und auf eine Verbesserung der Entlohnung ab. So setzte sie sich dafür ein, dass die weiblichen und männlichen Angestellten in den Bädern endlich eine feste Entlohnung als Existenzminimum erhielten und nicht mehr nur auf Trinkgeld angewiesen wären. Sie kritisierte auch die Entlohnung, die für die Putzarbeiten in den Schulen vorgesehen war: „Bei dieser Beschäftigung kann man aber mit 6 K[ronen] nicht auskommen und es ist wahrscheinlich, dass hier der Unwille zum Ausbruche kommt. Wir alle tragen die Verantwortung, dass allen Menschen, die hier in Baden wohnen, die unsere Mitbürger sind, die Lebensmöglichkeit geboten wird. Wenn die Gemeinde auf dem Standpunkt steht, nicht wie die Kommune Wien eine Auszahlung der Arbeitslosenunterstützung aus ihren Mitteln vorzunehmen, so erwächst andererseits die Pflicht, für eine ausreichende Arbeitsmöglichkeit aller Arbeitslosen zur sorgen, d .i. auch für die Frauen und Mädchen.“ Sie richtete einen Apell an die wohlhabenden Bürger von Baden, mit Spenden Arbeitslose, Heimkehrer und Invalide zu unterstützen. Denn eine solche Hilfe wäre eine moralische Verpflichtung.  
Bereits im Mai 1919 nahm sie auch ihre Tätigkeit als Abgeordnete im Landtag auf. Während der Loslösungsphase Wiens von Niederösterreich zwischen dem 11. November 1920 und dem 11. Mai 1921 gehörte sie der Kurie Niederösterreich Land an. Ihr Engagement dort ließ ihr immer weniger Zeit für die Arbeit im Gemeinderat. Als am 11. Juni 1919 die Neuwahl des Bürgermeisters und der geschäftsführenden Gemeinderäte stattfand, fand sich ihr Name nicht mehr auf der Liste. 1920 ließ sie sich scheiden; später heiratete sie wieder. Als Maria Kraichel blieb sie bis zum 20. Mai 1927 Abgeordnete zum Landtag.


© Stadtarchiv Baden

Text: Elisabeth Vavra
Quelle: Sabine Wagner, Marie  Brunner – Badens erste Gemeinderätin, in: Badener Zuckerln – Aus der Arbeit des Stadtarchivs 33 (1912)
Bildnachweis: Stadtarchiv Baden

#16 Lolita – Edith Zuser (1931 – 2010)

©Kulturabteilung der Stadt / Stadtmuseum
Die aus Spratzern stammende „Dita“ arbeitete als Kindergärtnerin, als Sachbearbeiterin in einer Spinnerei und als Zahnarztassistentin bevor sie unter dem Namen „Lolita“ ein internationaler Schlagerstar wurde.
Ihre Karriere hat - relativ spät - im Alter von 26 Jahren begonnen. Gesungen hat sie allerdings schon seit frühester Jugend, wobei sie von ihrer Mutter, die ebenfalls einen schönen Mezzosopran besaß, unterrichtet wurde. Ihr Vater nahm sie sonntags auch gerne mit ins Wirtshaus, wo sie auf den Tisch gestellt, so ziemlich alles sang, was sie damals kannte. Etwas geordneter ging es in der Kirche zu, wo sie bei Krippenspielen meist den Joseph sang.
1954 sang sie, bei einer Hochzeit eines Bekannten, im Dom St. Pölten das „Ave Maria“. Ihre Stimme sorgte für solche Furore, dass die Leute vom Markt in den Dom strömten und voller Begeisterung zuhörten. Auch sonst trat sie damals immer wieder bei lokalen Veranstaltungen auf, darunter Matineen im Parkkino, ehe sie 1956 bei einem Unterhaltungsabend in Wien für den erkrankten Gerhard Wendland einsprang und auf sich aufmerksam machte. Es folgte ein Vertrag als Backgroundsängerin in Wien, wobei sie jeden Abend um 2.00 Uhr nachts nach St. Pölten zurück kam und dort von ihrer Mutter mit dem Rad abgeholt wurde, ehe sie um 6.00 Uhr morgens wieder zu ihrer beruflichen Tätigkeit nach Harland aufbrach.  
1957 gelang ihr schließlich mit dem Schlager „Weißer Holunder“ der Durchbruch, mit dem sie auch im gleichnamigen Film zu sehen war. Kurz darauf erhielt sie einen Plattenvertrag bei Polydor. Noch im selben Jahr eroberte sie mit „Der weiße Mond in Maratonga“ den 2. Platz der deutschen Hitparade. 1958 erhielt sie, ohne dass sie lang gefragt worden wäre, ihren neuen Namen „Lolita“. Lolita, die zuvor noch nie das Meer gesehen hatte, gelang ihr größter Charterfolg mit dem Lied „Seemann, deine Heimat ist das Meer“, das unter anderem von Freddy Quinn oder Andrea Berg gecovert wurde. Das Lied erreichte nicht nur in Deutschland Platz 2 in der Hitparade, sondern auch als 1. deutschsprachige Single Platz 5 in den amerikanischen Charts. Insgesamt wurden 2 Millionen Schallplatten dieses Titels verkauft, was ihr auch eine Goldene Schallplatte einbrachte.
In den späteren Jahren wandte sich die ausgezeichnete Sängerin dann verstärkt der volkstümlichen Musik zu und moderierte einschlägige Fernsehsendungen.
Lolita starb 2010 an den Folgen eines Krebsleidens in ihrer Wahlheimat Großgmain bei Salzburg. Sie verkaufte in ihrer Karriere weltweit mehr als 20 Millionen Schallplatten.
Bild: Kulturabteilung der Stadt / Stadtmuseum
Text: Büro für Diversität

#15 Josefine Jammer – eine Badener Institution


Der bekannte Wiener Biedermeier-Maler Thomas Ender (1793–1875) verewigte 1824 auf einer kleinen aquarellierten Bleistiftzeichnung das Mauthaus beim Urtelstein am Eingang ins Helenental, an der Heiligenkreuzer Straße gelegen.

Thomas Ender, Das Mauthaus beim Urtelstein im Helenental, 1824
Bleistift, aquarelliert auf Papier, 8,8x16,1 cm, 1824
© NÖ Landesbibliothek
Hier wuchs Josepha Jammer auf. Mitten während der napoleonischen Kriege kam sie 1808 zur Welt. Ihr Vater war Mauteinnehmer-Gehilfe, verstarb aber schon früh. Ihre Brüder fielen in der Völkerschlacht bei Leipzig; ihre Mutter betrieb im Mauthaus mit allerhöchster Genehmigung seit 1813 eine „Kaffeeküche“. Wie sie zu dieser Lizenz bekam schilderte Elise Degen, die 1856 in München geborene und in Baden ansässige Schriftstellerin in der Ausgabe des Badener Bezirks-Blattes am 21. Mai 1892:
© Wien Museum
„Die Söhne der armen Witwe, die es bewohnte, hatten Blut und Leben für die Befreiung des Vaterlandes geopfert [...] Die ersten Knospen drängten schon hervor, die Veilchen blühten [...] Da ertönte von Ferne das Rollen eines Wagens. Frau Jammer hatte gerade Zeit, die verweinten Augen zu trocknen, da hielt auch schon der Wagen des Erzherzogs Anton vor ihr. Die Frau brachte dem leutseligen Herrn wie schon so oft ein Glas frischer süßer Milch ... Freundlich ergriff er die Hand der Traurigen und sprach: „Frau Jammer, sorgen Sie sich nicht weiter, ich werde schon ein Mittel finden, um ihnen und ihren Kindern zu helfen!“ [...]
Kurze Zeit darauf erhielt die arme Frau die damals schwer zu erreichende Bewilligung, eine Kaffeeküche zu errichten, deren Ertrag sie vor Kummer und Sorge bewahren sollte. Erzherzog Anton und außer ihm noch viele Mitglieder des Kaiserhauses sind dort eingekehrt [...]
Bis heute noch steht das Häuschen, bis heute noch schützen es die hohen Felsen und finden sich fröhliche Menschen ein, um im Kühlen zu rasten.“
Nach dem Tod der Mutter betrieb ihre Tochter Josepha den Kaffeeausschank weiter; das Lokal führte nun den Namen „Zur Jammerpepi“. Das Geschäftsschild der Kaffee- und Milchwirtschaft hat sich bis heute im Besitz des Wien Museums erhalten. Es ist als Dauerleihgabe im Rollett Museum in Baden zu sehen.
So schwierig wie ihre entbehrungsreiche Kindheit und Jugend als Halbwaise gestaltete sich auch ihr weiteres Privatleben. Sie verliebte sich in „Schorsch“ Hörner, der in jungen Jahren nach Baden gekommen war. Er war der erste „Zahlmarqueur“ (=Zahlkellner) im Café Scheiner, Ecke Weilburgstraße/Peterhofgasse, das „In-Café“ der Biedermeierzeit in Baden. Bei den Gästen beliebt gelang es ihm, ein wenig auf die hohe Kante zu legen. Ein häufiger Gast im Café Scheiner, Georg Simon Freiherr von Sina half ihm beim Anlegen der Ersparnisse, so dass Hörner über ein bescheidenes Vermögen verfügte, ausreichend, um mit Pepi Jammer einen Hausstand zu gründen. Dem stand allerdings ein nicht unerhebliches Hindernis im Wege: Schorsch war aus seiner Heimat, dem Königreich Bayern geflohen, um dem Wehrdienst zu entgehen. So konnte er sich nicht die für eine Eheschließung notwendigen Papiere besorgen. Nach einer Zeit des Wartens wendete sich doch dann alles für die beiden zum Guten: Bei der Jammerpepi verkehrten neben Kurgästen und alteingesessenen Badenern auch Angehörige der Aristokratie, die während ihrer Spaziergänge durchs Helenental bei ihr einkehrten, um ein Glas Milch oder Kaffee zu trinken. Darunter war auch Prinzessin Hildegard Luise Charlotte Theresia Friederike von Bayern (1825–1864), die Tochter König Ludwigs I. von Bayern und der Therese von Sachsen-Hildburghausen, die mit 19 Jahren Erzherzog Albrecht von Österreich geheiratet hatte. Sie besorgte die notwendigen Papiere. So wurde für das in die Jahre gekommene Paar – Pepi war schon an die 55 – eine Heirat doch noch möglich. Pepi Jammer, nun Pepi Hörner, betrieb mit ihrem Mann die Meierei bis ins hohe Alter weiter. Beim großen Börsenkrach 1873 verloren sie allerdings ihr Vermögen.
Aber lassen wir noch einmal Elise Degen in ihrer blumigen Sprache zu Wort kommen:
Während der Wintermonate, in denen kaum Gäste kamen, besserte sie mit Bastel- und Handarbeiten das Haushaltsgeld auf: Sie fertigte Andenkenbilder aus Moos und Baumrinden (Weilburg, Rauhenstein, Dr. Rollett am Wasserfall, etc.) und strickte. Schorsch starb 1892 und Pepi wenige Monate nach ihm 1893.
           
Die Jausenstation blieb unter dem Namen „Jammerpepi“ bis in die Jahre nach 1945 in Betrieb.
 
Text: Dr. Elisabeth Vavra
Quelle: Hildegard Hnatek, Stets freundlich lächelnd - die Jammerpepi, in: Badner Zuckerln. Aus der Arbeit des Stadtarchivs 5, 1998.

#14 Paula Menotti – die Gigerlkönigin


Foto©www.foto-julius.at 
Einer äußerst eigenwilligen Frau verdankt die Kurstadt Baden eine der schönsten Jugendstilvillen in prominenter Lage am Kaiser-Franz-Ring.
1863 wurde Paula in dem gutbürgerlichen Elternhaus der Familie Heuberger in Graz geboren. Mit 16 Jahren nahm sie zum ersten Mal Reißaus, um in Wien ihr Glück als Schauspielerin und Sängerin zu suchen. Ihre Eltern ließen sie von der Polizei suchen und wieder nach Graz zurückbringen. Ihr zweiter „Fluchtversuch“ gelang. Über Wien gelangte sie nach Russland und von dort mit Hilfe ihres Impresarios nach London, wo sie eine Ausbildung zur Exzentriksängerin absolvierte. Sie startete eine glanzvolle Karriere auf den Varietébühnen Europas und feierte u.a. Triumphe in St. Petersburg, Berlin und im Varieté-Theater Ronacher in Wien. Ihre größten Erfolgsschlager waren die beiden Rheinländer „Die Gigerlköngin“ und „Ich bin eine Witwe“.
Die Musik zum Lied „Die Gigerlkönigin“*, mit dem sie 1894 erstmals auftrat und das 1897 auf Schallplatte erschien, schrieb der Berliner Komponist Paul Lincke. Der Text des Liedes beschrieb die Interpretin und deren Lebenswandel:  


Ich kleid mich stets nach neuester Facon
beweg mich im Salon
ich erfinde neue Moden, was ich trage, das ist schick
man sieht's am ersten Blick
Der Refrain lautet:
Sehen Sie mich nur an, ich bitt
diesen eleganten Schritt
Da sieht doch gleich ein jeder wer ich bin
die Gigerlkönigin
 
Eine Neuinterpretation erfuhr das Lied durch Hildegard Knef 1963.
Die Musik zu ihrem zweiten Erfolgsschlager „Ich bin eine Witwe“ komponierte der in Bad Nauheim geborene Wilhelm Aletter, der in Berlin als Pianist und Komponist tätig war. Der Text des Couplets, das 1898 im amerikanischen Musikverlag The B.F.Wood Music Company Boston erschien, stammt aus der Feder des Sängers und Komikers Otto Reutter:

Mein Herz ist so traurig, mein Kopf ist so schwer,
Ich hatte zwei Männer und hab' sie nicht mehr.
Ich hab' sie begraben, o, denkt euch nur an.
Nun bin ich verlassen und hab' keinen Mann.
Bin einundzwanzig, fesch und patent,
habe zum Lieben sehr viel Talent.
Steh jetzt allein, o Gott, welch ein Graus,
ganz ohne Mann sein, das halt ich nicht aus. Ach!

Mein erster hieß Anton, mein zweiter hieß Fritz,
sie waren nicht lange in meinem Besitz.
Der Fritz war so blaß und hat sterben gemußt,
und Anton war auch etwas schwach auf der Brust.
Hab' an die beiden gar oft schon gedacht,
manchmal bei Tage, stets in der Nacht.
Jetzt bricht mein Herze vor Liebe schier,
und ich hab' keine Verwendung dafür! Ach!
Refrain:
Ich bin eine Witwe, eine kleine Witwe,
bin das Küssen so gewöhnt, daß ich's nicht lassen kann
Ich bin eine Witwe, eine kleine Witwe,
hätt' ich doch nur wieder einen Mann.
Ich bin eine Witwe, eine kleine Witwe,
bin das Küssen so gewöhnt, daß ich's nicht lassen kann.
Ich bin eine Witwe, eine kleine Witwe,

hätt' ich doch nur wieder einen Mann.


wikicommons©Adolf Geringer
Um die Person der exzentrischen Sängerin rankten sich noch zu Lebzeiten zahlreiche Gerüchte: Bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung in Wien soll sie einen Kuss um 1000 Gulden verkauft haben. Das Geld für den Bau der Villa soll aus dem Besitz eines russischen Adeligen stammen, der sich - wie versprochen  - nach einer Liebesnacht mit ihr erschoss und ihr sein Vermögen hinterließ. Vielleicht wurde auch Arthur Schnitzler durch sie zu der 1902 fertiggestellten Novelle „Exzentrik“ angeregt.  Die Villa Menotti wurde nach Plänen des Darmstädter Architekten Karl Köhler von August Amberger errichtet. Der Badener Bildhauer Karl Vock führte die Stuckarbeiten aus. Der 1912 fertig gestellte Bau umfasste 26 Zimmer und spiegelte den neuesten Stand der Technik wieder. Die Villa verfügte über Badezimmer, elektrisches Licht, Zentralheizung und Einbauschränke. Der Bau war von einem parkähnlichen Garten mit Glashaus umgeben. Die Villa Menotti war der letzte große Villenbau in Baden. Paula Menotti lebte dort zurückgezogen bis zu ihrem Tod am 17. April 1939.

* Gigerl bezeichnet im Altwienerischen einen äußerst modebewussten Mann, der sich stets in übertriebener Form nach den neuesten Trends kleidet.  

Bild: www.foto-julius.at
Text: Dr. Elisabeth Vavra



#13 Anny Wödl (1902–1996) – eine Mutter kämpft um ihren Sohn

Fotoquelle: Dokumentationsarchiv
des öst. Widerstands (DÖW)
http://www.doew.at/
Ein Stolperstein, verlegt am Areal des Landesklinikums Wiener Neustadt, erinnert an das Schicksal des 7jährigen Alfred Wödl und seiner Mutter Anny.
Drei Wochen vor der Entbindung hatte Anny Wödl, die am Corvinusring 16 in Wiener Neustadt lebte, eine Rauchgasvergiftung erlitten. Als der kleine Alfred in das Alter kam, in dem andere Kinder zunächst zu laufen und dann zu sprechen begannen, merkte die Mutter, dass diese Rauchgasvergiftung nicht ohne Folgen für das Kind geblieben war. 1946 sagte sie als Zeugin vor Gericht aus:
„Ich habe am 24. November 1934 einen Knaben geboren, der mit dem Gehen und auch mit dem Sprechen Schwierigkeiten hatte, als er gehen und sprechen sollte. Es stellte sich schließlich heraus, dass er zwar alles verstand, dass er aber nicht sprechen konnte. Auch waren seine Beine offenbar zu schwach, um ihn zu tragen, sodass er soviel wie nicht gehen konnte. Woran er eigentlich litt und was die Ursache seines Zustandes war, konnten die Ärzte eigentlich nicht feststellen.“
Von Amts wegen wurde am 1. April 1939 seine Einweisung in die Pflege- und Beschäftigungsanstalt für Kinder in Gugging verfügt. Zu dieser Zeit begann man im Dritten Reich mit einer großangelegten Aktion zunächst gegen behinderte Kinder, die später auch auf Erwachsene mit Behinderungen ausgedehnt wurde. Ein Erlass verpflichtete Ärzte und Hebammen, Fälle von „Idiotie“ und „Missbildungen“ den Gesundheitsämtern zu melden. Die betroffenen Kinder wurden von Amts wegen in sogenannte Kinderfachabteilungen überstellt. In Wien wurde eine solche Abteilung in der Nervenheilanstalt „Am Steinhof“ eingerichtet. Ihr Leiter war Erwin Jekelius, sein Assistent Heinrich Gross, der über die Aktionen in einem Verhör nach dem Krieg zu Protokoll gab: „Man stellte Listen über die betreffenden Kinder zusammen und schickte sie mir zur unmittelbaren Ausführung. Ich wiederum habe die Listen an Dr. Gross übergeben, der dann die Tötung der Kinder mittels Verabreichung von Luminal vornahm. Die Tötung kranker Kinder wurde von uns unter strengster Geheimhaltung vorgenommen. Daher wussten die Eltern darüber nichts. Nach der Vergiftung eines Kindes durch Dr. Gross wurde den Eltern mitgeteilt, dass ihr Kind an dieser oder jener Krankheit gestorben sei, die er sich selbst ausdachte. Diese Mitteilungen habe ich als Leiter der Klinik unterschrieben [. . .] monatlich töteten wir zwischen 6 und 10 Kinder.“
Trotz der strengen Geheimhaltung fiel das Verschwinden der Patienten/Patientinnen auf; zu auffällig war das sich regelmäßig wiederholende Muster: zunächst eine Nachricht, dass der Patient/die Patientin als kriegsbedingte Maßnahme verlegt werden musste und dann einige Zeit später die Todesnachricht. Die  betroffenen Angehörigen verlangten von Ärzten und Pflegepersonal eine Erklärung. Anny Wödl, die Krankenschwester im Kriegslazarett des Allgemeinen Krankenhauses war, traf sich im Geheimen mit den Müttern und Vätern. Man kam zu der Ansicht, dass nur eine Intervention in Berlin Erfolg bringen könnte. Sicher auch getrieben durch die Sorge um das eigene Kind, das auch jederzeit in diese Todesmaschinerie geraten konnte, fuhr Anny Wödl im Juli 1940 nach Berlin und sprach im Namen aller Angehörigen der Steinhof-Patienten in der Reichskanzlei vor.  Man verwies sie ans Reichsinnenministerium. Dort wurde sie von Ministerialdirigent Linden empfangen, der als Reichsbeauftragter für die Heil- und Pflegeanstalten für die Durchführung der T4-Aktion – der systematischen Ermordung von mehr als 70.000 Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen in den Jahren 1940 bis 1941 – maßgeblich verantwortlich war. Ihre Intervention war wie zu erwarten vergeblich. Linden erklärte ihr, dass Berlin nicht dazu bereit wäre, für Wien Ausnahmen zu machen.
Im Jänner des folgenden Jahres erfuhr sie von einer Krankenschwester in Gugging, dass nun auch ihr Sohn Albrecht für einen „Transport“ in die Tötungsanstalt  Schloss Hartheim vorgesehen sei, wo u. a. auch Menschen mit Behinderungen im Rahmen der T4-Aktion vergast wurden.  Anny Wödl fuhr sofort wieder nach Berlin zu Ministerialdirigent Linden, um ihren Sohn zu retten. Linden frage sie nur, was sie, die als Krankenschwester im Kriegseinsatz tätig wäre, mit einem behinderten Kind wolle. Das einzige Zugeständnis, das sie erreichen konnte, war eine „Sterbeerleichterung“ für ihren Sohn:  Linden versprach ihr, dass Alfred wenigstens in ihrer Obhut sterben „dürfe“.   
Am 6. Februar 1941 wurde Alfred Wödl von Gugging in die Kinderanstalt „Am Spiegelgrund“ in Steinhof verlegt. Ergebnislos blieben die Bemühungen der Mutter, ihren Sohn doch noch der nationalsozialistischen Tötungsmaschinerie zu entreißen. Am 17. Februar besuchte sie ihren Sohn, am 23. Februar erfuhr sie, dass Albrecht am Tag zuvor ermordet worden war. Die offizielle Todesursache in den Akten und auf dem Totenschein war „Lungenentzündung“. Anny Wödl konnte auch nicht verhindern, dass Dr. Heinrich Gross ihren Sohn obduzierte. Über 60 Jahre befand sich Alfreds Gehirn in einem Keller der Pathologie des „Steinhofs“. Erst im April 2002 wurde sein Gehirn mit den Gehirnen weiterer wenigstens 600 Opfer in einem Ehrenhain am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.   
Am 5. März 1942 wurde Anny Wödl im Wiener Allgemeinen Krankenhaus nach einer ärztlichen Untersuchung, auf Veranlassung der Direktion, gekündigt; in dem entsprechenden Schriftstück heißt es: „… dass bei der Wödl eine hochgradige Neurose bestehe, die eine ersprießliche Dienstleistung nicht erwarten lasse und die Lösung des Dienstverhältnisses unter Nachsicht der Kündigungsfrist zu empfehlen wäre.“
Bild: Quelle: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes
Text: Dr. Elisabeth Vavra
Link:
http://de.doew.braintrust.at/m22sm112.html

#12 Charlotte Andri-Hampel (1863 – 1945)

Die Malerin Charlotte Andri-Hampel, die an der Ehe scheiterte, wurde in Wien am 4. Oktober 1863 geboren. Die Tochter des Architekten Franz Hampel studierte an der Frauenkunstschule in Wien und danach bei Heinrich Lossow in München (dort war sie bereits in Ausstellungen vertreten). Zu Beginn der 1890er Jahre kehrte die Künstlerin nach Wien zurück, wo sie auch wiederholt ausstellte – so zum Beispiel im Künstlerhaus oder in der Secession. In der Zeit um 1900 favorisierte Charlotte Hampel, die bis dahin hauptsächlich Stillleben gemalt hatte, Dachlandschaften und von Bäumen und Wiesen umgebe Bauerhöfe als Darstellungsgegenstand. Sie konnte mit diesen Sujets den künstlerischen „Anforderungen“ der Jahrhundertwende bestens gerecht werden.


1897 heiratete sie den Maler Ferdinand Andri und beendete ihre Karriere als Malerin – offensichtlich nicht ganz freiwillig – jäh: nach 1900 war sie nicht mehr künstlerisch tätig.


Am 23. Dezember 1945 starb Charlotte Andri-Hampel in Totzenbach in Niederösterreich. Ein Konvolut ihrer Arbeit gelangte nach dem Nachlass ihres 1956 gestorbenen Mannes in den Besitz des Stadtmuseums St. Pölten. Die Malerin hinterließ Stillleben, Landschafts- sowie Genrebilder, außerdem fertigte sie Federzeichnungen und Schriftentwürfe für die Wiener Zeitschrift „Ver Sacrum“ an.

Charlotte Andri-Hampels Werke sind bis heute Glanzpunkte der Jugendstilsammlung im Stadtmuseum St. Pölten.

Fotos © Stadtmuseum St. Pölten
Text: Büro für Diversität



#11 Maria Sturm (1913 – 1996)

© St. Pölten Konkret
Maria Sturm war Malerin und Pädagogin. Sie wurde im niederösterreichischen Seitenstetten geboren und studierte nach ihrer Matura in Linz Kunsterziehung und Mathematik, dann an der Uni Wien und an der Akademie der bildenden Künste. 1938 kam sie als Kunsterzieherin an das St. Pöltner Gymnasium und wirkte dort bis 1974 als warmherzige, zur Kunst mitreißende Professorin.In St. Pölten stammen 2 Deckengemälde in der Dr.-Theodor-Körner-Hauptschule, ein Wandbild am Eingang zu den Stadtsälen, ein Sgraffito am Wagramer Feuerwehrhaus von ihr. Sie fertigte im Stadtauftrag auch die offiziellen Portraits einiger St. Pöltner Bürgermeister an. (Langer, Käfer, Steingötter und Singer). Darüber hinaus war sie in ganz Niederösterreich vor allem für kirchliche Auftraggeber künstlerisch tätig. 1996 wurde in Spratzern eine Straße nach ihr benannt.

Foto: Stadtmagazin St. Pölten Konkret
Text: Büro für Diversität


#10 Lina Lux (1894–1989) – Fotografin in Zwettl

Porträtfotografie von Lina Lux, 1921
© Familienarchiv Lux
Aus einem kleinen Ort in Preußisch Schlesien,  heute Polen, war Carl Lux, der Großvater Linas,  1858 nach Zwettl gekommen und fand dort in der Buchbinderei des Conrad Schöpfer Arbeit. Als sein Meister starb, führte er mit dessen Witwe den Betrieb weiter, heiratete diese und erhielt schließlich 1888 das Bürgerrecht in Zwettl. Sein Sohn Carl jun. übernahm 1890 das väterliche Geschäft. Zuvor hatte er nach einer Buchbinderlehre in Judenburg bei einem dortigen Fotografen auch die Porträtfotografie erlernt. 1892 heiratete er in der Wallfahrtskirche Maria Dreieichen Paula Kastner, die Tochter des aus Innsbruck stammenden Gemeinde- und Sparkassensekretärs.
Zwei Jahre später, am 12. April 1894  kam das erste Kind zur Welt, eine Tochter, die auf die Namen Carolina Paula Maria getauft wurde. Zwei weitere folgten in kurzen Abständen.  Sechs Jahre nach der Eheschließung erlag die erst 28-jährige Mutter, wie so viele andere jungen Menschen in dieser Zeit, der Lungentuberkulose.  Um die drei kleinen Kinder zu versorgen, blieb dem Witwer nichts Anderes übrig als möglichst bald wieder zu heiraten. In Theresia Bernardi, einer Freundin seiner Frau, hoffte er eine gute Stiefmutter für seine Kinder zu finden.
Nach der Beendigung der Schulzeit begann Lina Lux im Atelier ihres Vaters mit der Ausbildung zur Fotografin. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, mussten die jungen Männer an die Front. In der Heimat fehlten sie als Arbeitskräfte in allen Sparten. Frauen wurde es dadurch möglich, in Berufe vorzudringen, die sonst in erster Linie von Männern ausgeübt wurden. Auch in der Verwaltung herrschte ein Arbeitskräftemangel. So begann Lina Lux am k.k. Steueramt (=Finanzamt) in Zwettl zu arbeiten. Als ihr Vater schwer erkrankte und nicht mehr im Fotoatelier arbeiten konnte, suchte Lina um Entlassung aus dem Staatsdienst an und arbeitete wieder im Betrieb ihres Vaters;  nach dessen Tod 1917 führte sie ihn dann gemeinsam mit ihrer Stiefmutter. Die Beziehung zwischen den beiden war immer schon etwas problematisch gewesen.  Dieser Umstand und die schlechte wirtschaftliche Lage nach dem ersten Weltkrieg waren Anlass für den Entschluss, den Lina Lux nun fasste: In der Ferne wollte sie ihr Glück versuchen; ihr Ziel war Brasilien! 
Von Triest aus sollte die Überfahrt mit einem Dampfer nach Brasilien erfolgen. Ursprünglich wollte sie die Reise mit Zwettler Bekannten antreten, die ebenfalls in Brasilien ihr Glück suchen wollten. Lina verpasste aber die Abfahrt  des Dampfers in Triest und musste nun allein zu einem späteren Zeitpunkt reisen. Während der Überfahrt 1920 brach an Bord die Cholera aus. Zahlreiche Passagiere bezahlten ihre Sehnsucht nach einer besseren Sehnsucht mit dem Leben.

Lina Lux arbeitete auch in Brasilien als Fotografin. Sie fand Arbeit in einem Atelier in São Paulo. Zunächst nur für Hilfsarbeiten wie Retuschen herangezogen, erkannte ihr Chef, der Deutsche Paul Friedrich Schmidt, bald das Talent und die Einsatzbereitschaft der jungen Österreicherin. Die Hauptarbeit in dem Fotostudio bestand in Porträt- und Gruppenaufnahmen. In  Stoßzeiten – etwa während des Karnevals, zu Schulschluss oder zu Beginn der Universitätsferien – musste Lina Lux oft hundert und mehr Glasplattennegative in der Dunkelkammer entwickeln und zunächst Rohabzüge herstellen. Diese Rohabzüge wurden nun den Kunden und Kundinnen vorgelegt. Erst dann wurden von den ausgesuchten Fotografien die endgültigen Abzüge ausgearbeitet.
Zwischen der jungen Fotografin und ihrem Chef, dessen Frau schwer krank war, entwickelte sich bald mehr als ein bloßes Arbeitsverhältnis. 1922 brachte Lina Lux einen Sohn zur Welt, um den sie sich in der Folge gemeinsam mit ihrem Chef und dessen Frau kümmerte. Als die Ehefrau starb, verschlechterte sich das Verhältnis zunehmend; Lina Lux beschloss, wieder in die Heimat zurückzukehren. Allerdings wollte die Stiefmutter sie nicht gemeinsam mit dem unehelichen Sohn wieder aufnehmen. Vermutlich aus Angst vor der Schande, in einer Kleinstadt wie Zwettl einen unehelichen Enkel in der Familie zu haben, verlangte sie von ihrer Stieftochter, den Sohn in Brasilien beim Kindsvater zu lassen. Alle Versuche Linas, sie umzustimmen, scheiterten. Schließlich unterschrieb sie eine Verzichtserklärung zugunsten des Kindsvaters und kehrte allein nach Zwettl zurück.
Die folgenden Jahre standen ganz im immer noch schwelenden Konflikt zwischen Stiefmutter und Stieftochter. Lina Lux wollten den Betrieb modernisieren, ihre Stiefmutter scheute hingegen jede Veränderung. Trotz der ständigen Reibereien und Machtkämpfe bewährte sich Lina Lux als Fotografin. Ihr Können stellte sie 1934 anlässlich der Landesausstellung in Zwettl unter Beweis. Sie dokumentierte die Eröffnungsfeierlichkeiten und die Ausstellung selbst, in der auch zahlreiche Arbeiten von ihr in der Leistungsschau der Fotografen zu sehen waren. Während der Landesausstellung war auch ein offenes Zweisitzer-Flugzeug in Zwettl stationiert; der provisorische Flugplatz war auf den Feldern beim Dürnhof eingerichtet. Gegen 15 Schilling pro Flugminute konnte jeder, der es wagte, einen Rundflug machen. Der Direktor der Landwirtschaftlichen Fachschule Edelhof wollte diese Gelegenheit nützen, endlich zu Flugaufnahmen der Schule zu kommen. Lina Lux wagte das Experiment. Bewaffnet mit einer Rollei bestieg sie den Flieger.




Lina Lux beim Aussteigen aus dem Flugzeug im September 1934
© Stadtarchiv Zwettl
Der erste Versuch misslang. Beim Einstieg hatte sich die Blende der Kamera verstellt. Der zweite Versuch wurde ein voller Erfolg. Lina Lux machte Aufnahmen von der Landwirtschaftlichen Fachschule, von der Stadt Zwettl, dem Stift und dem Festgelände in der Gartenstraße. Neben ihrer Arbeit im Fotoatelier besuchte Lina Lux in dieser Zeit Fortbildungs- und Meisterkurse an der Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt in Wien. Im Jänner 1935 legte sie die Meistprüfung ab und wurde Mitglied des Verbandes der Fotografenzunft in Niederösterreich. 1936 übernahm sie die alleinige Leitung des Betriebes. Der Anschluss 1938 brachte viele neue Aufträge. Jeder benötigte für die neuen Legitimationen Passbilder. Die mit der Errichtung des Truppenübungsplatzes im Raum Zwettl beschäftigten Arbeiter und die Soldaten der Wehrmacht überhäuften den Betrieb mit Arbeit. Pro Tag musste Lina Lux bis zu 300 Aufnahmen machen, viel Arbeit für sie, die nur eine Mitarbeiterin an ihrer Seite hatte. Neben ihrer Tätigkeit als Porträtfotografin fertigte sie auch – vielleicht im Auftrag des Kreisleiters der NSDAP – eine Fotoserie von Waldviertler Bauernstuben an. Nach Kriegsende rissen die Aufträge nicht ab; nun waren es die Soldaten der Roten Armee, die Porträtaufnahmen wollten; so kam Lina Lux auch in dieser schweren Zeit über die Runden und konnte dadurch auch der Familie ihres Bruders unter die Arme greifen. Ihren Bruder, der in Wien Landgerichtspräsident und Vorsitzender des Standgerichts für den Reichsgau Niederdonau gewesen war, hatte man inhaftiert. Seine Frau suchte mit ihren Kindern in Zwettl Zuflucht. In einen der beiden älteren Söhne fand Lina Lux einen Nachfolger. Gerhard Lux besuchte wie einst seine Tante die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien und legte die Meisterprüfung ab; 1955 wurde er zunächst Teilhaber, 1961 übernahm er den Betrieb.
Am 15. Oktober 1989 starb Lina Lux im Haus Schulgasse 22. Ihre letzte Ruhestätte fand sie am Zwettler Propsteifriedhof.


Quelle: Friedel Moll, Carolina (Lina) Lux (1894-1989). Fotografin in Zwettl, in: Waldviertler Biographien, Band 2, Waidhofen/Thaya 2004, S. 257-268.    
Text: Dr. Elisabeth Vavra


© Stadtarchiv St. Pölten

#9 Dr.in Rosa Kubin,  (1907 – 2003)

Rosa Kubins Vater, der Inhaber eines Leder- und Sportgeschäfts in der Linzer Straße 17, hatte im Grunde den Plan, einmal einen Sohn zu haben, der im Gymnasium in St. Pölten maturieren und an der Universität Wien ein Doktorat erwerben sollte. Da er allerdings ausschließlich Töchter – und zwar vier – hatte, plante er diese Zukunft für seine älteste Tochter.
Nach langem Widerstand der Direktion und des Unterrichtsministeriums setzte Richard Lustig seinen Willen durch: Im Jahre 1925 maturierte Rosa als 1. Gymnasiastin St. Pöltens.
Davor hatte sie bereits Privatunterricht erhalten und als „illegale“ Gasthörerin am Unterricht teilgenommen, wobei sie immer erst das Betreten des Professors abwarten musste, um dann hinter ihm in die letzte Bank zu huschen.
Anschließend studierte sie in Wien Chemie, promovierte im Mai 1931und heiratete 1935 einen Arzt aus Herzogenburg.
1938 wurde die Familie enteignet und konnte ein Jahr später in die USA ausreisen. 
Ihr Mann musste eine Prüfung machen, um die Lizenz fürs Praktizieren zu bekommen. In dieser Zeit war Rosa für das Einkommen verantwortlich. Sie besuchte einige Kurse an der Uni und in einem angesehenen Labor. Schlussendlich machte Rosa Kubin an der Bostoner Universität Karriere - sie wurde Assistenzprofessorin für Chemie.
In ihren späten Lebensjahren nahm Rosa Kubin wieder Kontakt mit ihrer alten Heimatstadt und auch mit ihrem Gymnasium auf, denn die Bildung der Jugendlichen war ihr lebenslang ein Herzensanliegen.
Rosa Kubin starb 2003 im Alter von 96 Jahren in einem Altersheim in Massachusetts.
Text: Mag.a Martina Eigelsreiter


#8 Lucie Englisch (1903-1965) – Ein Filmstar aus Baden

Aloisia Englisch
Im Badner Vorort Leesdorf  – im Haus Waltersdorferstraße  45 – lebte der Fleischselcher Ernest Englisch mit seiner Gattin Theresia (geb. Huemer). Drei Kinder waren schon zur Welt gekommen, 1891 Ernst, 1897 Franziska  und 1899 Theresia, als 1903 wieder eine Tochter geboren wurde, die auf die Namen Aloisia Paula getauft wurde. Zwei Jahre später folgte noch ein weiterer Sohn nach, Ludwig. Ab 1907 scheint der Name des Vaters nicht mehr in den Archivalien auf. In den folgenden Jahren zog die Familie mehrmals um, blieb aber immer Leesdorf treu.   
Aloisia Englisch besuchte ab dem Schuljahr 1908/9 die Volksschule für Mädchen in der Kaiser-Franz-Josef-Schule in Leesdorf. Nach fünf Jahren Volksschule besuchte sie in den Schuljahren 1913/14 und 1914/15 die Bürgerschule, in deren Gebäude sich heute die Volksschule Pfarrplatz Baden befindet. Bereits während ihrer Schulzeit entdeckte sie die Liebe zum Theater und war als Statistin am Stadttheater Baden tätig; es war dies bereits das heutige Gebäude, das nach nur zehnmonatiger Bauzeit am 2. Oktober 1909 eröffnet wurde, ein Werk des Ateliers Fellner & Helmer.  Mit ihrem Vornamen „Aloisia“ scheint sie nicht allzu glücklich gewesen zu sein: 1919 unterschrieb sie mit „Luisl“, 1923 mit Luise und ab 1925/28 mit Lucie oder Lucy.
Wo sie ihre Theater- und Gesangsausbildung in den folgenden Jahren erhalten hat, ist leider nicht bekannt. Wie in dieser Zeit üblich, sammelte sie ihre ersten Erfahrungen als Schauspielerin und Sängerin in der Provinz; sie absolvierte 1920 ein Gastspiel in Rumänien und trat dann auf der Bühne  in Eger auf. In den Kritiken wurden „ihr temperamentvolles Spiel, ihre melodische Sprache und ihre anmutigen Bewegungen“ lobend erwähnt. Zurück in Wien spielte sie an diversen Theatern, u.a. auch bei der Löwinger-Bühne, die zu dieser Zeit noch keine feste Spielstätte hatte. In der Spielzeit 1924/25 holte sie Max Reinhardt an das Theater an der Josefstadt.
Dann begab sie sich nach Deutschland und spielte u.a. am „Neuen Theater“ in Frankfurt am Main, in Berlin und absolvierte Gastspiele in der Schweiz. In Berlin spielte sie am „Lustspieltheater“ sowie an der Boulevardbühne „Theater in der Behrenstraße“, wo sie u.a. in Komödien von Curt Goetz und Franz Molnár auftrat.
Unter der Regie von Carl Froelich gab sie 1929 ihr Debüt im frühen Tonfilm: An der Seite von Hans Albers, Charlotte Ander und Walter Janssen spielte sie in dem im Rennfahrermilieu spielenden Kinostreifen „Die Nacht gehört uns“ die Rolle einer Dame der Gesellschaft. Im Film wurde sie schon bald auf das Fach der munteren Naiven festgelegt. Je nach Drehbuch spielte sie Zofen, Mägde oder Haushälterinnen. Nur selten spielte sie Hauptrollen wie etwa in der Komödie „Die Unschuld vom Lande“, deren Handlung sich um ein junges theaterbegeistertes Mädchen vom Land dreht, das sich in der Villa eines Theaterdirektors einnistet, oder in der freien Verfilmung der Operette „Die Landstreicher“ (1937), in der sie an der Seite Paul Hörbigers die Hauptrolle spielte. In „Du kannst nicht treu sein“ (1935/6) mimt sie eine junge resche Hoteldirektorin, die durch List und Schläue „an den Mann gebracht“ wird.  
Während ihres Engagements in Frankfurt am Main hatte sie den Schauspieler, Dramaturgen und Regisseur Dr. Heinrich Fuchs (1896-1961) kennengelernt, den sie kurze Zeit darauf heiratete. 1930 kehrte sie mit ihrem Gemahl nach Österreich zurück und ließ sich in Wien nieder. Für ihre Mutter und ihre Geschwister ließ sie in Baden, Im Schießgraben 22 ein Haus errichten: Ihre Mutter lebte dort bis zu ihrem Tod 1939.
Nach dem Krieg setzte sie ihre Karriere im Film und am Theater fort. Sie gab Gastspiele in Deutschland und der Schweiz, spielte unter anderem am Berliner „Schlosspark-Theater“ unter Boleslaw Barlog oder am Münchner „Volkstheater“ in der Brienner Straße. Langsam wechselte sie in das Fach der komischen Alten. In ihren mehr als 50 Filmen, die sie nach dem Zweiten Weltkrieg noch drehte, spielte sie an der Seite von Hans Moser, Theo Lingen, Paul Kemp, Gert Fröbe, Paul Hörbiger, Oscar Sima, Joe Stoeckel u.v.a.m. 
Lucie Englisch starb am 12. Oktober 1965. Ihre letzte Ruhestätte fand sie an der Seite ihres Gatten auf dem Friedhof Westerbuchberg bei Übersee am Chiemsee.


Quelle: Regina Luxbacher, Lucie Englisch – Ein Filmstar aus Baden! In: Badener Zuckerln. Aus der Arbeit des Stadtarchivs 36 (2010).
Text: Dr. Elisabeth Vavra

#7 Ita, Gemahlin Leopolds II. – Tod in der Fremde

Ita, Gemahlin Leopolds II.
Je weiter man in der Geschichte zurückgeht, desto spärlicher werden die Spuren von Frauen. Das gilt selbst für prominente  Persönlichkeiten wie etwa die Gemahlinnen der Babenberger, die aus den verschiedensten Regionen Europas im Zuge der Heiratspolitik der Babenberger  in das Gebiet des heutigen Niederösterreichs kamen. Oft gelingt es nicht einmal ihre genaue Herkunft zu klären.
Nicht nur wir hätten gern gewusst, wie diese Frauen an der Seite der Babenberger Markgrafen und Herzöge ausgesehen haben. Auch andere vor uns haben diesen Wunsch verspürt. Als das Stift Klosterneuburg anlässlich der Heiligsprechung des Klostergründers Markgraf Leopold III. 1485 den in seinen Dimensionen gewaltigen Babenberger-Stammbaum in Auftrag gab, sollten auf den Flügeln dieses wie ein Flügelaltar konzipierten Werkes die Ehefrauen und Töchter der Babenberger dargestellt werden. Mit viel Fantasie schuf der Maler 40 höchst unterschiedliche „Porträts“ und kleidete die Damen in die prunkvollen Kostüme seiner Zeit.      
Unter diesen Damen befindet sich auch besagte Ita, die Markgraf Leopold II. heiratete, der 1075 die Herrschaft in der Nachfolge seines Vaters Markgraf Ernst antrat. Was wissen wir nun von ihr? Eine der Quellen zu ihrem Leben ist die Genealogie und Geschichte der Babenberger, die Ladislaus von Sunthaym, ein in Wien tätiger Gelehrter und Geistlicher, 1489 verfasste. Er war es auch, der den Babenbergern ihre bis heute bekannten Beinamen verpasste: Albrecht der Sieghafte, Heinrich Jasomirgott oder Heinrich der Streitbare.
Ita finden wir in dieser Schrift als Gemahlin Leopolds des Schönen = Leopold II.  (um 1050/5 –1095, regierte 1075–1095) erwähnt. Ita war laut Meinung Sunthayms eine Tochter Kaiser Heinrichs III., was natürlich für die Babenberger eine große Aufwertung bedeutet hätte. Sunthayms Annahme basierte auf älteren Quellen: bereits Thomas Ebendorfer und vor ihm die Österreichische Chronik der 95 Herrschaften hatten von der Werbung Leopolds II. um die Kaisertochter berichtet und sie blumig ausgeschmückt:  Auf die Burg Markgraf Leopolds II. kam einst ein Spielmann, den Leopold fürstlich entlohnte. Der Spielmann zog weiter an den Hof des Kaisers und sang dort ein Loblied auf den noch unverheirateten Babenberger, pries dessen Schönheit und Mildtätigkeit. Der Kaiser wurde neugierig und berief einen Hoftag nach Rom, an dem auch Leopold teilnehmen sollte. Auch die Tochter des Kaisers zeigte sich von dem jungen Mann beeindruckt, und der Kaiser gab ihr Leopold zum Mann. Noch in Rom wurde eine große Hochzeit begangen mit „Stechen und Tanzen“. Das Ganze ist eine nette Geschichte, die jeglicher historischen Grundlage entbehrt. Denn Heinrich III. starb bereits 1056; zwar waren Eheversprechen zwischen Kindern in dieser Zeit durchaus üblich, aber kaum hätte ein salischer Kaiser seine Tochter einem maximal 6jährigen Knaben angetraut. Andere Quellen behaupten, dass Ita aus dem Hause der Grafen von Formbach stammte, deren Herrschaft am Inn in Vornbach (heute ein Teil von Neuhaus am Inn) lag. Sie hatten Besitzungen rund um Wien und waren eifrige Unterstützer des Passauer Bischofs Altmann von Passau. Diese Herkunft scheint wahrscheinlich.   
Für Ita war das vielleicht nicht einmal die erste Eheschließung. Einige Forscher nehmen an, dass sie zuvor mit Haderich von Schwarzenburg vermählt war. Das aus der Oberpfalz stammende Geschlecht der Schwarzenburger hatte Besitzungen um Hadres im Waldviertel. In Urkunden – etwa im Stiftungsbrief des Klosters Göttweig von 1083 – wird der jüngere Haderich als „Markgraf“ tituliert, was den Schluss zulässt, dass es sich bei dem jüngeren Haderich um einen Halbbruder Leopolds III. handelt.
Die Zeiten waren unruhig; zwischen Heinrich IV. und dem Papst tobte ein mit Worten und Taten ausgefochtener Kampf um die Macht. Leopold schwankte – zeigte sich einmal papst- dann wieder kaisertreu. Schließlich schlug er sich endgültig auf die Seite des Papstes, was ihm nicht gut bekam. Heinrich IV. setzte Leopold als Markgrafen ab und berief Herzog Wratislaw von Böhmen als österreichischen Markgrafen. In der Schlacht bei Mailberg 1082 erlitt Leopold eine schwere Niederlage, konnte sich aber trotzdem als Markgraf behaupten.
Das junge Paar, das vermutlich vor 1072 geheiratet hatte, residierte zunächst in Melk; später verlegte Leopold II. seine Residenz von Melk nach Gars, um seine Besitzansprüche in diesem erst neu zu der Mark gekommenen Gebiet zu behaupten. In der Garser Burg, die man nicht mit der später von den Kuenringern errichteten Burg verwechseln darf, kamen die Kinder des Paares zur Welt: die Töchter Elisabeth, verheiratet mit dem Markgrafen Otakar II. von Steiermark; Gerberga mit Herzog Bořiwoy von Böhmen; Ida mit Luitold von Mähren und Znaim;  Sophie in erster Ehe mit Herzog Heinrich III. von Kärnten, in zweiter mit dem Grafen Sighard von Schala-Burghausen und schließlich Euphemia mit dem Grafen Konrad von Peilstein. Eine Tochter, Juditta, verstarb in jungen Jahren. Der einzige Sohn Leopold kam 1073 zur Welt. Als Leopold III. wurde er der Nachfolger seines Vaters und dann aufgrund seines Wirkens und  Lebens 1485 heiliggesprochen.
Ita wurde früh Witwe, denn Leopold II. starb bereits 1095. Sechs Jahre nach seinem Tod schloss sie sich einem kleinen Kreuzfahrerhaufen an, der 1101 im Anschluss an den Ersten Kreuzzug ins Heilige Land zog. Wien war immer Sammelpunkt für die aus Süddeutschland kommenden Teilnehmer. Dann zog man weiter quer durch das heutige Ungarn über Sirmium und Belgrad nach Konstantinopel. Ita zog in prominenter Gesellschaft: Auf den Weg ins Heilige Land machten sich auch Erzbischof Thiemo von Salzburg, Ulrich von Passau, Welf IV. von Bayern und Wilhelm IX. von Aquitanien. In Konstantinopel leistete sie angeblich so wie die anderen Fürsten dem byzantinischen Kaiser Alexios  einen Eid. Der weitere Zug ins Heilige Land erfolgte auf zwei Passagen: Ein Teil der Armee reiste per Schiff nach Palästina und kam dort an. Der andere Teil nahm den Landweg; unter diesen war auch Ita. Im September gerieten sie bei Heraklea in einen Hinterhalt. Nur wenigen gelang es zu entkommen. Auch Ita kam dabei vermutlich ums Leben. Spätere Legenden erzählen, sie sei von einem muslimischen Fürsten entführt worden und habe Imad-ad-Din Atabeg Zengi, den Eroberer von Edessa, zur Welt gebracht.    
 

Quelle: Susanna Neukam, Die Frauen der Babenberger, Diplomarbeit, Universität Wien 2011.
Text: Dr. Elisabeth Vavra  

#6 Elsa Plainacher, geb. Holtzgasser (um 1513-1583) – ein Opfer des Hexenwahns

Zur Hinrichtung der Elsa Plainacher gibt es
keine Bildquelle. Das hier gezeigte Gemälde
zeigt die Hinrichtung der Hexe Maria Kropf
1675 zu Feldbach in der Steiermark.
Man kann sich leider nicht aussuchen, in welche Familie man hineingeboren wird. Elsas Voraussetzungen für ihr zukünftiges Leben waren denkbar schlecht. Zur Welt kam sie irgendwann um 1513 in einem kleinen Weiler in der Nähe von Melk; dort, wo die Pielach in die Donau mündet, stand die Mühle ihres Vaters, die er für das Kloster Melk als Hofmühle betrieb. Müller waren zwar notwendig für das Funktionieren der Versorgung, sie standen aber während des Mittelalters und der frühen Neuzeit immer am Rande der Gesellschaft. Man verdächtigte sie u. a. des Betruges; Mühlen galten aufgrund ihrer abgeschiedenen Lage als Treffpunkt zwielichtigen Gesindels oder auch als Orte der Prostitution. Sie wurden wie Scharfrichter als Paria – Unberührbare – behandelt. Man mied ihre Gesellschaft. Söhne und Töchter von Müllern heirateten Partner, deren Väter ebenfalls Müller waren oder andere „unehrliche“ Berufe ausübten.

Elsa war eines von mehreren Kindern, deren Spuren sich aber alle bis auf die ihres Bruders  verlieren. Ihr Bruder Vitus – ein Schiffmann – wohnte später in Melk unter der „Schlachtprugge“. Ganz jung war Elsa noch, als sie von einem Gehilfen ihres Vaters geschwängert wurde. Das Kind blieb nicht lange am Leben. Dann heiratete sie einen Müller namens Paumgartner, der vermutlich früh starb, da sie sich ein zweites Mal verehelichte. Zwei Kinder bekam sie in dieser Ehe, den Sohn Achatius, der die Mühle des Vaters übernahm, und die Tochter Margareth.
Auch der zweite Mann Elsas starb. Sie ging noch eine Ehe ein; ihr dritter Mann namens Plainacher bewirtschaftete einen Hof in der Nähe von St. Pölten, vermutlich der Gschwendthof in der Gemeinde Rammersdorf, der der Grundherrschaft des Georg Achaz Mattseber zu Goldegg unterstand. 


Um 1550 ehelichte ihre Tochter Margareth den Bauern Georg Schlutterbauer aus Strannersdorf in der Gemeinde Mank. Zunächst ging alles gut. Drei Kinder kamen in rascher Reihenfolge – Catharina, Ursula und Hensel; nach zehn Jahren kam noch eine Nachzüglerin – Anna, die der Mutter das Leben kostete. Am Totenbett hatte Elsa ihrer Tochter versprochen, sich um den Säugling zu kümmern, da der Ehemann mehr in den Wirtshäusern zu finden war als am Hof  und im Suff zu Gewalttätigkeiten neigte. Binnen einem Jahr starben die drei älteren Kinder, die beim Vater verblieben waren, alle angeblich im Schlaf während der Nacht. Man geht wohl nicht fehl mit der Annahme, dass sie Übergriffen ihres Vaters zum Opfer fielen. Anna blieb zunächst bei ihrer Großmutter, die vermutlich bereits zu dieser Zeit zum Protestantismus übergetreten war – wir befinden uns gerade mitten in der Zeit der Reformation, in der sich große Bevölkerungsteile aller sozialen Schichten in Niederösterreich dem neuen Glauben zuwandten. 


Georg Schlutterbauer begann nun eine Verleumdungskampagne gegen seine Schwiegermutter. Er bezichtigte sie, ihr Enkelkind verhext zu haben, nachdem sie Anna schon vom rechten Glauben abgebracht hatte und mit ihr nur protestantische Gottesdienste besuchte. Mit seinen Beschuldigungen hatte er leichtes Spiel, da Anna etwas schwachsinnig war und überdies an krampfartigen Anfällen litt, vermutlich Epilepsie, deren Entstehen in der Vergangenheit oft mit dem Einwirken des Teufels erklärt wurde. Bei den Verhören, denen das junge Mädchen in der Folge unterzogen wurde, erzählte sie, ihre Großmutter hätte im Stall Schlangen mit Milch gefüttert. Sie berichtete auch über einen schwarzen zotteligen Mann, mit dem sie die Großmutter bekannt gemacht habe, vermutlich ein Freier, der sich für das Mädchen interessierte. Dreimal wurde an dem Mädchen ein Exorzismus vollzogen, in St. Pölten, in Mariazell und schließlich in Wien – ohne Erfolg. Da man natürlich auch ihren Schwachsinn bemerkt hatte, brachte man  das Mädchen im Wiener Bürgerspital unter. Schlutterbauer ließ von seinen Beschuldigungen nicht ab; schließlich nahm die  Behörde Elsa Plainacher Mitte 1583 fest und brachte sie nach Wien. Die Anklage lautete auf  zauberische Schädigung ihrer Enkelin, Giftmord an ihrem Mann und den anderen Schlutterbauer-Kindern. Die untersuchenden Ärzte und Priester konstatierten allerdings nur, dass die Frau alt und bei „schwachem Verstand“ sei. Man wollte sie nun auch in das Bürgerspital einweisen.
Aber es kam nicht dazu. Der aus Tirol stammende Hofprediger, der Jesuit Georg Scherer, hielt vor dem Stephansdom eine Predigt wider die Hexen und Elsa Plainacher im Besonderen. Mit seiner Predigt hetzte er das Volk derart auf, dass es die Folterung  der vermeintlichen Hexe verlangte. Die ersten Foltern überstand die alte Frau, bei der dritten gestand sie schließlich ihr Bündnis mit dem Teufel und Hexenflüge auf den Ötscher. Sie wurde zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Am 27. September 1583 wurde sie auf ein Brett gebunden und zur Hinrichtungsstätte auf der Gänseweide – heute die Kreuzung Weißgerberlände-Kegelgasse – geschleift. Ihre Asche wurde in die Donau gestreut. Elsa Plainacher war die einzige Hexe, die in Wien auf dem Scheiterhaufen den Tod fand. In Wien Donaustadt wurde eine Gasse nach ihr benannt.


Text: Dr. Elisabeth Vavra

Quelle: Anita Lackenberger, Ein teuflisches Werk. Die Torturen der Hexe von Wien, Folterprotokoll 1583. Linz 1988; Anna Ehrlich, Hexen, Mörder, Henker. Die österreichische Kriminalgeschichte. Wien 2006.

#5 Maria Emhart


Diese Woche widmet sich das Frauenportrait der Sonderausstellung im Stadtmuseum St. Pölten: 

Maria Emhart um 1934,
© Stadtarchiv  St.Pölten

„Maria Emhart und der Bürgerkrieg 1934 in St. Pölten“

http://www.stadtmuseum-stpoelten.at/Maria_Emhart_und_der_Buergerkrieg_1934_in_St._Poelten 

Am 12. Februar 2014 eröffnete Bürgermeister Mag. Matthias Stadler um 19 Uhr im Stadtmuseum eine Ausstellung zu den Bürgerkriegs-Ereignissen des Februar 1934 in St. Pölten. Nach der Ausschaltung des Parlaments im Jahr 1933 war es vor achtzig Jahren in verschiedenen Städten Österreichs zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der de facto bereits autoritär regierenden Obrigkeit und aufständischen Sozialdemokraten gekommen. In St. Pölten wurde der Aufstand von Maria Emhart (27. Mai 1901 in St. Pölten - 9. Oktober 1981 in Bischofshofen) angeführt, deren mutiges Vorgehen in dieser Ausstellung näher beleuchtet wird. 
Maria Emhart wuchs als älteste von 5 Kinder einer Landarbeiterin und eines Eisenbahners in einer St. Pöltener Barackensiedlung auf. 1919 trat sie mit 17 Jahren in die Sozialdemokratische Partei ein. Mit 20 Jahren heiratete sie Karl Emhart. Ihre politische Tätigkeit begann als Betriebsrätin. 1932 wurde sie in den Gemeinderat St. Pölten gewählt und im Februar 1934 beteiligte sie sich in führender funktion an den Februarkämpfen. Sie wurde verhaftet und musste befürchten, gehängt zu werden, da noch das Standrecht galt. Nach 17 Wochen wurde sie jedoch aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Nach der Verhaftung von Rosa Jochmann im August 1934 übernahm Emhart unter dem Decknamen Grete Mayer deren führende Position bei den Revolutionären Sozialisten, die nach dem Verbot der Sozialdemokratischen Partei im Untergrund agierten. Nach der Verhaftung stand sie im März 1936 als zweite Hauptangeklagte im "Großen Sozialistenprozess" vor Gericht. Die zu Beginn des Prozesses verlangte Todesstrafe konnte wegen schwacher Belastungszeugen nicht durchgesetzt werden. Maria Emhart wurde stattdessen zu 18 Monaten Kerker verurteilt, kam jedoch bei der Amnestie im Juli 1936 frei.
1945 wurde sie als einzige Frau im November 1945 in den Salzburger Landtag gewählt. 
1946 wurde sie als erste Frau zur Vizebürgermeisterin in Bischofshofen gewählt. Dieses Amt hatte sie bis 1966 inne und 1953-1965 war sie Nationalratsabgeordnete.

Eine Toninstallation bringt den BesucherInnen originale Zitate aus Briefen und Erinnerungen Maria Emharts näher. Zeitungsberichte, Gerichtsakten, Fotografien und Plakate aus den Februartagen 1934 sowie ein Film mit Zeitzeugeninterviews ergänzen die Ausstellung.
Am 12. Februar wurde auch eine Gedenktafel am Blauen Haus, Herzogenburger Straße 32, enthüllt, die an die Widerstandskämpfer erinnert. 

Mehr zu ihrem außergewöhnlichen Leben findet man auch hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Maria_Emhart

„Maria Emhart und der Bürgerkrieg 1934 in St. Pölten“
Sonderausstellung Stadtmuseum St. Pölten, 12. Februar bis 14. Mai 2014
Öffnungszeiten: Mi - So, 10 bis 17 Uhr
Führungen gegen Voranmeldung unter 02742/333-2643 oder 2620



#4 Dr. Brigitte Schlögl

Aus gegebenen Anlass ist das dieswöchige Frauenportrait die Geschäftsführerin der Museum Betriebs GmbH Dr. Brigitte Schlögl.
In der St. Pöltner Zeitschrift "MFG - Das Magazin" ist in der aktuellen Ausgabe März ebenfalls ein Frauenschwerpunkt mit interessanten Interviews zu finden. 
Auch Dr. Schlögl hat sich darin zu Wort gemeldet:

Dr. Brigitte Schlögl,
© Daniel Hinterramskogler
Brigitte Schlögl steht ihren Mann: Ein Satz, den die Geschäftsführerin des Landesmuseums gar nicht gerne hört. Sie ist sich sicher: "Das Wichtigste für jeden Menschen ist es, authentisch zu bleiben. Eine Frau ist kein Mann, wird es nie sein und soll es auch nicht sein." Man müsse sich nicht wie ein Mann kleiden und gebärden, um den Job zu machen, den man möchte. "Ganz im Gegenteil: Ich darf bitte orange tragen. Es laufen schon zu viele im schwarzen Anzug herum", konstatiert sie selbstbewusst. Sie ist mittlerweile 25 Jahre in Führungsebenen tätig und hat vieles in der Geschäftswelt schon erlebt. Wie arbeitet es sich so in den österreichischen Führungsriegen, die nach wie vor eine Männerdomäne darstellen? "Man braucht als Frau vielleicht einen längeren Anlauf, um akzeptiert zu werden. Ist die Akzeptanz aber einmal da, gibt  es kein Problem mehr. Frauen haben ihre eigenen Stärken in der Geschäftswelt, die sie auch ausspielen müssen. Ich habe in meiner ganzen Karriere noch nie erlebt, dass ich von einem Mann abgedrängt wurde. Am Ende des Tages geht es um die Leistung", fasst sie ihre Erfahrungen zusammen. Als Karrierefrau würde sie sich selbst nicht bezeichnen, das dürfen gern andere tun. Schlögl sieht ihren Werdegang pragmatisch: "Ich habe immer das getan, was der nächste logische Schritt war. Ich habe die meisten Positionen, in denen ich war, selbst geschaffen und daher gab es auch nie einen Gehaltskonflikt mit einem männlichen Kollegen. Ich habe verlangt, was ich das Gefühl hatte, wer zu sein. Frauen müssen aufhören, tief zu stapeln und auch für das einzustehen,was ihnen zusteht. Da muss ich mich selbst auch bei der Nase nehmen." Die vorsichtige Herangehensweise an die eigene Karriere sei der große Hemmschuh einer Frau. "Vielleicht liegt es doch am Testosteron", schmunzelt Schlögl. Ob sie auch dort stehen würde, hätte sie Familie, fragt sie sich nicht. Für sie war es keine Entscheidung zwischen Kind und Karriere, sondern Kind hat sich einfach nicht ergeben. Aber auch das soll möglich sein. "Das alte 8 bis 17 Uhr Arbeitsmodell hat schon längst ausgedient. Die Zukunft sind flexible Lösungen, die - und das sage ich auch als Arbeitgeberin - in den meisten Jobs möglich sind. "Wer leisten möchte, soll das auch tun können. Hier sei die Politik gefragt, die Schlögls Ansicht nach hier grob säumig ist. "Die Geschäftswelt wird härter. Aber die Küche für Frauen ist auch keine Lösung. Flexibilität tut uns allen gut!"








Alle weiteren Beiträge zum Frauenschwerpunkt im MFG gibt's zum Nachlesen unter: http://dasmfg.at/










#3 Emmy Feiks Waldhäusl (1899 – 1975)

© Stadtarchiv St. Pölten
Emmy Waldhäusl wurde in Pottenbrunn als Tochter des Pächters des dortigen Schlossgutes geboren.
1917 maturierte sie am Institut der Englischen Fräulein in St. Pölten.


1918 und 1919 erlangte sie am Gymnasium Wien-Wieden die Studienberechtigung für die Fächer Geschichte und Germanistik. 1923 promovierte sie und unterrichtet diese Fächer bis 1957 in Wien und Linz. Als Literatin debütierte sie 1939 mit einem historischen Roman, der auf dem Pottenbrunner Schloss spielt. 1946 erschien der „Spielmann von Pottenbrunn“, der im 14. Jahrhundert angesiedelt ist. Es folgten weitere Romane sowie ein Kinderbuch. Die Trägerin des niederösterreichischen Kulturpreises, des Handel-Mazzetti-Preises und des Jugendbuchpreises der Stadt Wien verstarb 1975. Ihre Bücher sind allesamt längst nicht mehr im Buchhandel erhältlich.
1975 wurde in Pottenbrunn eine Straße nach ihr benannt.


Text: Mag.a Martina Eigelsreiter




#2 Helene Trauttmansdorff (1908 – 1945)


© Stadtarchiv St. Pölten
Im letzten Kriegsjahr 1945 bildete sich in St. Pölten eine große überparteiliche Widerstandsbewegung aus Angehörigen der St. Pöltner Polizei, aus ArbeiterInnen der Glanzstoff-Fabrik und LandwirtInnen aus St. Pölten und Umgebung.
Hauptorganisatoren waren der stellvertretende St. Pöltner Polizeidirektor Regierungsrat Dr. Otto Kirchl sowie der Pottenbrunner Gutsbesitzer Josef Graf Trauttmansdorff-Weinsberg. Ihr Ziel war es, St. Pölten weitere Zerstörungen und weiteres Blutvergießen zu ersparen und die Stadt möglichst kampflos der Roten Armee zu übergeben. Im April 1945 flog die Gruppe durch Verrat auf. Am 11. April führte die Gestapo einen gezielten Schlag gegen die Organisation durch. Beamte drangen in das von der SS umstellte Schloss Trauttmansdorff ein und verhafteten alle, gerade zu einer Beratung versammelten, Mitglieder. Mit den Verhören wurde sofort begonnen. Die Methoden, mit denen versucht wurde, bestimmte Geständnisse zu erpressen, können als Folter bezeichnet werden. 12 der 13 Angeklagten wurden zum Tod verurteilt. Bei der Schießstätte im Hammerpark wurde eine Grube ausgehoben; das Urteil wurde unmittelbar nach der Verhandlung vollstreckt. Kaum mehr als 30 Stunden später war St. Pölten von der Roten Armee erobert.
Die letzten tragischen Stunden von Helene Trauttmansdorff wurden von Mag.a Anita Lackenberger verfilmt.

Helene Trauttmansdorff kam ursprünglich aus Triest. Mit ihrem Mann hatte sie 3 Kinder und lebte ein durchwegs beschütztes Leben im Schloss Pottenbrunn. Was sie bewog, in den letzten Kriegstagen derartige Courage zu zeigen, darüber können nur Vermutungen aufgestellt werden.
Hier die letzten traurigen Ereignisse im Leben von Helene Trauttmansdorff:
Am 12. April 1945 setzte sie sich auf das Fahrrad, um zu ihrem bereits von der Polizei inhaftierten Mann nach St. Pölten zu fahren. Ihre Kinder ließ sie im Schloss zurück. St. Pölten war am Osterwochenende von den Alliierten schwer bombardiert worden, die russische Front verlief knapp vor der Stadt. Die Innenstadt und der Bahnhof lagen in Trümmern.
Helene Trauttmansdorff fuhr also mit dem Fahrrad die 7 Kilometer von Pottenbrunn zum Polizeigebäude und fuhr durch die vom Krieg verursachte Apokalypse. Am heutigen Europaplatz sah sie die in den letzten Tagen von der SS am Galgen aufgehängte „Deserteure“ – junge Männer ab 14, die die SS beim systematischen Durchkämmen der Stadt noch gefunden hatten. Der Europaplatz hieß von da an für viele Jahre Galgenplatz. Um zu ihrem Mann zu gelangen, musste sie den Europaplatz queren. Am Ziel angekommen wurde auch sie in eine Zelle gesperrt und am 13. April gemeinsam mit den anderen Widerstandskämpfern erschossen.
Text: Mag.a Martina Eigelsreiter

  
#1 Wetti Teuschl (1851-1944)
Barbara, genannt Wetti, Baumgartner (geb. Teuschl)
Fräulein Wetti Teuschl
(Privatarchiv Fam. Hörner)

Barbara Baumgartner (1851-1944) entstammte einer gutbürgerlichen Fuhrwerksunternehmersfamilie aus Krems.
Mit ihrem Ehemann Johann Baumgartner eröffnete sie verschiedene Geschäfte und Fachhandlungen in Wien und Krems, die sie jedoch jeweils nach kurzer Zeit wieder schließen mussten.

In der Ausstellungspublikation „Frauenleben in Niederösterreich“ hat Nikola Langreiter in ihrem Katalogbeitrag „Einblicke in ein bürgerliches Frauenleben zwischen Wien und Krems“ (S. 29-35) das Tagebuch der Wetti Teuschl (1870-1885) analysiert.

Hier ein kurzer Auszug:
„Beim ersten Eintrag in ihr Tagebuch 1870 war die Schreiberin 18 Jahre alt. Sie verlebte in ihrem Kremser Elternhaus verhältnismäßig sorglose Tage, nicht untypisch für eine mittelständische Bürgerstochter in einer Kleinstadt der Habsburgermonarchie zu dieser Zeit. Die Familie war gesellschaftlich angesehen, führte ein standesgemäßes Leben. Die Mutter leitete, unterstützt von einer Dienstbotin, das Hauswesen. Dem Vater gehörte ein Stellwagen- und Fuhrwerksunternehmen, er hatte ein Amt bei der Feuerwehr inne und nahm am örtlichen Honoratiorentisch Platz. Zwei Stadthäuser befanden sich im Besitz der Familie, Wohnungen und Geschäftslokale wurden vermietet. Welche Ausbildung Wetti Teuschl zuteil geworden war, ist nicht überliefert. […]
„Mit Gott!“ hatte Wetti Teuschl ihre Aufzeichnungen begonnen und damit einen zeitgenössisch üblichen Einstieg gewählt. Auffallend ist, dass sie ein kleines, einfaches Notizbuch verwendete und nicht das typische (Mädchen-)Tagebuch mit Prägedruck, Goldschnitt und Schlösschen.“

Das Original befindet sich in Familienbesitz, eine Kopie in der Sammlung Frauennachlässe (http://www.univie.ac.at/Geschichte/sfn/) der Universität Wien, und als kommentierte Edition ist es 2010 bei Böhlau erschienen.

„Das Tagebuchschreiben war im 19. Jahrhundert überaus modern geworden und in bürgerlichen Kreisen besonders Mädchen und jungen Frauen anempfohlen. Unter Aufsicht ihrer Mütter oder Lehrerinnen sollten sie sich schreibend darauf vorbereiten, taugliche Bräute und Ehefrauen zu werden. Diese Tagebücher wurden daher „Warte-Hefte“ genannt und folgerichtig meist mit der Verheiratung beendet. Es war also ungewöhnlich, dass Wetti Teuschl ihr Diarium – in anderer Form, aber doch – auch als Ehefrau weiter führte.
Bevor sie heiratete, schrieb sie regelmäßig und ausführlich: Die junge Frau war viel unterwegs, ging mit ihren Freundinnen Milli und Dini auf Bälle und Feste, in Ausstellungen und ins Theater, unternahm mit FreundInnen und Familie Ausflüge und kleinere Reisen. In Krems schien sie von zahlreichen Verehrern umgeben, die sie sämtlich abwimmelte, denn Wetti Teuschl hatte sich schon für Johann Baumgartner, einen Gehilfen in einem Herrenbekleidungsgeschäft, entschieden. Die Schilderungen der komplizierten Liebesgeschichte – durchsetzt von vielen Streitereien und Enttäuschungen – sagen viel über die Möglichkeiten der Begegnung zwischen wohlerzogenen jungen Frauen und deren Verehrern in der kleinen Stadt aus. […] Für kurze Zeit arbeitete er [Johann Baumgartner] bei einem Herrenausstatter auf der Mariahilfer Straße, mitten im traditionellen Textilviertel, um dann mit einer eigenen Gemischtwarenhandlung ein heiratsfähiger Geschäftsmann zu werden. Geheiratet wurde im Juni 1872 in Krems, die Braut hielt dazu im Tagebuch fest: „Ich will und werde meine Hochzeit in Krems feiern, warum? ich weiß es nicht vieleicht ist es die letzte Mädchenlaune.“ […]“

Text (gekürzt): Nikola Langreiter aus: Frauenleben in Niederösterreich, Einblicke in ein bürgerliches Frauenleben zwischen Wien und Krems, S. 29-35

1 Kommentar:

  1. Sehr interessante Frauen!!! Ich finde es überhaupt sehr spannend, zu erfahren, wie die Menschen damals gelebt haben. Somit war es auch für mich ein wirklich schönes Proejkt. Danke, dass wir teilhaben durften!!

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