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Kulturbezirk 5, 3100 St. Pölten, Niederösterreich, Austria
Seit 2011 gibt es den Museumsblog. Bis 31. Juli 2016 waren es Themen, die im Zusammenhang mit den drei Kernbereichen des Landesmuseum Niederösterreich (Geschichte - Kunst - Natur) standen. Mit 1. August 2016 wird das Landesmuseum zum Museum Niederösterreich und somit ist der Museumsblog unter neuer Adresse zu finden: www.museumnoe.at/de/das-museum/blog

30. März 2015

Interview mit unseren Ausstellungsarchitekten

 
Im Zuge der Eröffnung unserer neuen Ausstellung im Bereich Natur „Warzenkraut und Krötenstein – Natur in Volksmedizin und Aberglaube“ haben wir unseren beiden Ausstellungsarchitekten Hanno und Victoria ein paar Fragen zum Aufbau gestellt.

Interview-"Selfie"

Wer entscheidet eigentlich, welches Thema die neue Ausstellung behandeln soll?

Es werden immer verschiedenste Themen in der Geschäftsführung vorgeschlagen und diskutiert. Das letzte Wort, welches Thema nun tatsächlich für eine Ausstellung herangezogen wird, hat dann unser naturkundlicher Leiter Dr. Erich Steiner.

Mit welchen Schritten beginnt der Aufbau einer Ausstellung in den Räumlichkeiten?


Um etwas Neues aufbauen zu können, muss zuerst die vorige Ausstellung abgebaut werden. Die alten Objekte müssen raus, wieder retourniert oder zurück in die Sammlungen gegeben werden. Dafür ist meist sehr wenig Zeit, daher laufen der Abbau der alten und der Aufbau der neuen Ausstellung teilweise parallel ab. In Summe brauchen wir dafür etwa drei Wochen, wobei wir stets versuchen, so nachhaltig und budgetschonend wie möglich zu arbeiten.

Habt Ihr beide verschiedene Hauptaufgabenbereiche?


Hanno: Ich bin meistens für die Großmodelle zuständig, beschaffe oder mache die Ausstellungobjekte, den Modellbau und die diversen Toninstallationen. Der Grund dafür ist, dass ich früher Ausstellungsleiter in Wien war und deshalb viele Kontakte z.B. zum Naturhistorischen Museum in Wien habe, was das Organisieren von Leihgaben einfacher macht.
Victoria: In meinen Arbeitsbereich fallen Großteils die Printmedien, also die Informationstafeln bei den Ausstellungsmodellen, sowie die Organisation was, wann, wo hingestellt wird. Aber alles in allem kann man sagen, dass auch unsere verschiedenen Aufgabenbereiche sehr stark verschwimmen.

Die letzten Arbeiten wenige Tag vor der Eröffnung.

Wie viele Personen wirken dabei sonst noch mit, wer sind eure „Helferlein“?


Intern im Museum sind das vor allem Martina Bertl aus der Produktion, unsere Haustechniker, unser naturkundlicher Leiter Dr. Erich Steiner sowie Mag. Johann Nesweda, früherer Naturvermittler.

Gab es bei dieser Ausstellung eine besondere Herausforderung?


Beim Aufbau eigentlich nicht, jedoch machte uns das Thema selbst zu Beginn einiges an Kopfzerbrechen. Man denkt am Anfang, dass es einfach nichts Geeignetes und nicht genug Material gibt, welches man in die Ausstellung mit hinein nehmen kann. Doch dann arbeitet man sich so sehr in das Thema hinein und findet so viele Informationen, dass man dann schon wieder darauf achten muss, nicht zu umfangreich zu werden.

Zum Abschluss noch ein kurzer „Word-Rap“ …


Die Arbeit war …
 … wie immer spannend und aufregend.

Fraisenketten sollten bei Krankheiten
vorbeugend, abwehrend und heilend wirken.
Uneinigkeit herrscht …
 … immer dann, wenn wir uns einig sind.

Was wir immer dabei haben, ist …
 … ein Maßband und ein Bleistift.

Wenn Störungen aufgetreten sind …
 … haben wir uns gewundert, aber als gut eingespieltes
Team war auch das zu bewältigen.

Mein Lieblingsteil der Ausstellung …
 … ist „das grüne Ei der schwarzen Henne“. (Victoria)
 … sind die Fraisenketten, weil sie sehr schön sind und
eine tolle Geschichte haben. (Hanno)

Am meisten Spaß hatten wir bei …
 … der ersten Themenbesprechung bei Dr. Erich Steiner. Generell waren die Meetings immer sehr lustig.



Text: Claudia Hauer
Bild: © Claudia Hauer

Infos zur Ausstellung "Warzenkraut & Krötenstein" gibt es unter:
www.landesmuseum.net

26. März 2015

Figl von Österreich

Leopold Figl gehört zu den wenigen Menschen, die in Österreich quer durch alle Weltanschauungen bekannt und geschätzt werden. Bei einer Umfrage 1998 nach den beliebtesten und prominentesten Österreichern war zwar der unbestrittene Regent Wolfgang Amadeus Mozart mit 21 Prozent, ihm folgte Leopold Figl mit immerhin 14 Prozent. Johann Strauss kam - trotz Neujahrskonzert, Donauwalzer und goldenem Denkmal im Wiener Stadtpark - nur auf sechs Prozent.

Ausstellungssujet "Figl von Österreich" im
Landesmuseum Niederösterreich 19.4.-26.10.2015

Das Landesmuseum Niederösterreich widmet  Leopold Figl anlässlich seines 50. Todestages eine Ausstellung "Figl von Österreich" (19. April bis zum 26. Oktober 2015), die sich mit seinem Leben und Wirken für Österreich auseinandersetzt.  Ausstellungen können nie alle Aspekte aufgreifen; sie sind eingeschränkt durch Platzvorgaben; sie müssen Rücksicht auf konservatorische Richtlinien nehmen, und sie müssen die Befindlichkeiten der Besucher im Auge behalten. In loser Folge wird daher der Museumsblog in den kommenden Wochen Ergänzungen zu  den Ausstellungsinhalten anbieten.


Oskar Helmer, Leopold Figl und Otto Mödlagl im
Sommer 1945 auf einer der zahlreichen Besichtigungs-
touren durch Niederösterreich (Privatbesitz)
In den umfangreichen Beständen des Figl-Nachlasses, der im Niederösterreichischen Landesarchiv aufbewahrt wird, finden sich auch noch zahlreiche Redemanuskripte, alle feinsäuberlich getippt, je nach Anlass auf A4 Seiten oder auf A5 Seiten. Das Papier ist schon vergilbt, die Schrift der Schreibmaschine manchmal nur mehr schwer lesbar. Die Seiten zeigen alle noch deutlich „Gebrauchsspuren“. Figl unterstrich wichtige Wörter, besserte einzelne Sätze aus, strich manche Textstelle heraus und fügte neue ein. In der Ausstellung zeigen wir das Manuskript der Regierungserklärung vom 21. Dezember 1945.

In der Folge bringe ich Ihnen ein Redemanuskript aus einem anderen Zusammenhang:
Am 18. März 1948 fand der erste Landesbauerntag Niederösterreich nach dem Krieg statt. Das Datum war ein denkwürdiges: 100 Jahre zuvor hatten die Bauern im Zuge der Revolution 1848 ihre Freiheit erlangt. Freiheit war aber nun wieder ein kostbares Gut geworden. Österreich war von vier Besatzungsmächten besetzt. Das Klima zwischen West und Ost hatte sich nach dem Ende des Krieges wieder zunehmend verschlechtert. Der „Kalte Krieg“ war ausgebrochen.  1947 hatten die kommunistischen Parteien mit Hilfe der sowjetischen Besatzungsmacht in Polen, Ungarn, Rumänien und Bulgarien die politische Macht ergriffen. Im Februar 1948 hatte in der Tschechoslowakei nach einer Regierungskrise  die kommunistische Machtübernahme begonnen.
An diese Ereignisse erinnerte Leopold Figl in seiner Rede; und er verband diese Erinnerung mit einem flammenden Appell an die Bauernschaft, ihren Aufgaben auch in einer so schweren Zeit nachzukommen und für die Versorgung ihrer MitbürgerInnen mit den notwendigen Lebensmitteln zu sorgen. Denn er wusste, nichts war gefährlicher als ein leerer Magen:

Bauernbund-Dankwallfahrt nach Mariazell,
20. September 1947 (Privatbesitz)
Wenn ich heute hier das Wort nehme, so tu ich es vor allem als niederösterreichischer Bauernbündler, der ich immer war und als solcher ich mich auch heute verpflichtet und verantwortlich fühle.
Vor hundert Jahren sind die Bauern frei geworden, vor zehn Jahren ist das österreichische Volk versklavt worden, und heute, nach hundert Jahren beziehungsweise nach zehn Jahren, sind wir noch immer nicht freie Herren in einem freien Vaterlande. Jedem von uns muß doch auch jetzt die Überzeugung aufkommen, daß, wenn es vor hundert Jahren möglich war, den Bauernstand zu befreien, es heute, wenn wir zusammenhalten und opferbereiter denn je arbeiten, möglich sein muß, auch diese heutige schwere Zeit zu meistern.
Ich weiß, daß euch heute viele und harte Sorgen beschweren. Ich möchte aber nur eines sagen: Bauern, versteht die Zeit und seid euch klar, daß wir manches, was wir vielleicht vor einigen Monaten stärker betont haben, heute angesichts der Verhältnisse zurückstellen müssen im Interesse der Erhaltung des Vaterlandes, im Wissen darum, daß mit dem Kampf und mit dem Siege durch die Erhaltung Österreichs auch die wirtschaftliche und politische Zukunft das Bauernstandes gesichert ist. Die Bundesregierung steht in diesem Kampfe an vorderster Stelle, sie weiß, daß dieser Kampf um die Erringung eines freien Österreichs zum Erfolg führen muß, wenn auch die Bauern mittun. Darum seid euch bewußt der Verantwortung, die ihr zu tragen habt. Die Regierung wird sich bemühen, alles zu tun, um auch eure wirtschaftlichen Bedürfnisse zu erfüllen, weil der Nährstand eines Landes die gesunde Grundlage bilden kann, auf der die Wirtschaft des Landes aufgebaut werden muß. Der Bauer aber muß sich darüber klar sein, daß er die Verpflichtung hat, zu sorgen, daß die Konsumenten auch wirklich existieren können und daß wir Bauern den wahren Solidarismus in die Tat umsetzen müssen, das heißt gemeinsam verantworten, sich mit den anderen verstehen und mit dieser Gemeinsamkeit auch jedem einzelnen des Volkes sein Recht zu geben.

Leopold Figl auf einer Feier in Atzenbrugg,
12. März 1950 (Privatbesitz)
Wir leben in einer harten und schweren Zeit. Die ganze Welt ringt um die Entscheidung von Freiheit und Frieden, um wahre Demokratie, nicht um eine sogenannte Volksdemokratie. Wir Österreicher sind Nachbarn von drei Volksdemokratien seit vierzehn Tagen, und wir wissen, was Volksdemokratie heißt. Wir müssen zusammenrücken und müssen eine klare Scheidung treffen zwischen jenen, die bestrebt sind, die Totengräber dieses Volkes zu werden. Wer sich nicht eindeutig zum Bauernbund und zur Österreichischen Volkspartei bekennt, ist kein Freund von uns und mit dem hat kein ehrlicher Bauer nur eine Sekunde beisammenzustehen oder ein Wort zu reden. Mit Totengräbern der Heimat kann kein wahrer Bauer irgend etwas zu tun haben. Es ist für uns klar, daß wer mit den Kommunisten irgendwie versucht zusammenzuarbeiten, sich selbst aus den Reihen der ehrlichen Österreicher ausstößt. Daraus ergibt sich eine gewisse Zusammenarbeit mit allen anderen, die es ehrlich meinen mit der Demokratie.


In London bemüht man sich heute, mit den Verhandlungen wieder in Fluß zu kommen. Unser Außenminister hat klare Richtlinien mitbekommen, unter welchen Bedingungen wir den Vertrag zu unterzeichnen entschlossen sind. Nur wenn die wirkliche Freiheit des Staates garantiert ist und wenn wir selber imstande sein können, unsere Grenzen selbst zu verteidigen und die wirtschaftlichen Bedingungen so erstellt sind, daß wir wirklich existieren und leben können, werden wir den Staatsvertrag unterzeichnen.
Darum steht dieser heutige Bauerntag unter einem bedeutungsvollen Zeichen. Bauern, erfüllt auch in dieser entscheidungsvollen Zeit eure Pflicht in dem Wissen: „Dem Mutigen gehört die Welt, und ihm hilft auch der Herrgott.“ Darum heute die Reihen noch enger geschlossen und stärker denn je zusammenstehen im Kampfe um die Erhaltung des Bauernstandes und des Vaterlandes in dem Wissen: „Der Bauernbund ist Schutz und Wehr für Österreichs Bauern Recht und Ehr.“    


Quelle: Johannes Kunz (Hg.), Leopold Figl. Ansichten eines großen Österreichers, Wien 1992, S. 122-123.

Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra

19. März 2015

#12 „Dr. Schnabel“ geht um …

Der Ausbruch der Pest 1347 standen Behörden wie Mediziner hilflos gegenüber. Ein Gefühl der Ohnmacht verbreitete sich in den Städten. Eine anschauliche Schilderung dieser Stimmung vermittelt uns Giovanni Boccacio in seinem „Decamerone“, dessen Rahmenhandlung im Florenz zur Zeit der Pest 1348/49 spielt:

„Zur Heilung dieser Krankheit schien weder der Rat eines Arztes noch irgendeine Arznei etwas zu vermögen oder von Vorteil zu sein; ob es nun die Natur der Seuche nicht zuließ, oder ob die Ärzte, deren Zahl außer den studierten Leuten ebenso durch Frauen wie durch Männer, die nie einen Unterricht in der Arzneikunst gehabt hatten, übermäßig groß geworden war - in ihrer Unwissenheit nicht erkannt, woher sie rühre, und folglich nicht die richtigen Mittel anwandten, jedenfalls genasen nur sehr wenige, während schier alle binnen drei Tagen, der eine rasche, der andere langsamer und die meisten ohne irgendein Fieber oder einen sonstigen äußeren Anlass starben.“

 
Darstellung von Pesttoten auf einem Freskofragment
Hans Stocinger, 1407 Terlan, Pfarrkirche (© IMAREAL)

An allen Universitäten befassten sich gelehrte Mediziner mit den Ursachen für den Ausbruch der Seuche und mit Möglichkeiten der Bekämpfung. Im Auftrag des französischen Königs verfasste die medizinische Fakultät der Universität zu Paris ein Pestgutachten, in dem sie zu dem Schluss kam, dass eine kosmische Konstellation - also eine besondere Stellung der Planeten zueinander - an dem Ausbruch der Seuche schuld sei. Die Konjunktion von Saturn, Mars und Jupiter hätte zu einem Übermaß an heißen Kräften geführt, dadurch wäre das Wasser auf Erden stärker als üblich verdampft und üble Dämpfe wären so entstanden. Diese Theorie basiert auf einer seit der Antike verbreiteten Vorstellung vom Miasma, der verdorbenen Luft, die vom Menschen eingeatmet wird und so zum Auslöser von Krankheitsprozessen im Körper wird. Um sich vor Ansteckung zu schützen, empfahlen die Mediziner in erster Linie diätische Maßnahmen - und rieten zur Flucht aus den betroffenen Städten. Wer dennoch bleiben musste, sollte sich durch das Verbrennen bestimmter Kräutermischungen in Räucherpfannen, durch das Tragen von Riechäpfeln und durch die Einnahme von Theriak schützen. Theriak war ein seit der Antike bekannte Mixtur, die als Allheilmittel galt. Rezepte für deren Herstellung wurden noch im 19. Jahrhundert verbreitet, wie etwa im 1882 veröffentlichen „Deutschen Arzneibuch“: Die Inhaltsstoffe waren in dieser Rezeptur: 1 Teil Opium,         3 Teile spanischen Wein, 6 Teile Angelikawurzel, 4 Teile Rad. Serpentariae (Wurzel der Virginenhohlwurzel, Aristolochia serpentariae), 2 Teile Baldrianwurzel, 2 Teile Meerzwiebel, 2 Teile Zitwerwurzel, 9 Teile Zimt, 1 Teil Grüner Kardamom, 1 Teil Myrrhe, 1 Teil Eisenvitriol und 72 Teile Honig. In früheren Jahrhunderten fanden sich noch andere Substanzen im Theriak wie etwa Schlangengifte.
 

Von dem sterben oder pestilentz dieseer welt
Holzschnitt aus Franciscus Petrarcha, Von der Artzney
bayder Glück, des guten vnd widerwertigen,
gedruckt bei Heinrich Steiner, 1532 (© IMAREAL)

Die Bekämpfung der Pest öffnete nicht nur akademischen Medizinern eine reich sprudelnde Einnahmequelle; Einblattdrucke und populärmedizinische Traktatchen ließen die Kassa der Buchdrucker klingeln. Die Mittel gegen die Pest, die sie anpriesen, waren mehr als fragwürdig. Ähnlich obskur erscheinen uns heute aber auch die Anweisungen, die von medizinischen Autoritäten ihren Zunftgenossen gegeben wurden: Die Ärzte verordneten ihren pestkranken Patienten Aderlass und Klistiere, beides sollte den Körper reinigen. Mit Brenneisen und Messer mussten die Bader unter der Aufsicht der Ärzte die Pestbeulen öffnen. Die akademischen Ärzte beschränkten sich auf Harnschau, Pulsmessen und die Beobachtung des Kranken. Es gab auch genaue Anweisungen, wie sich die Ärzte beim Hausbesuch verhalten sollten: Zunächst mussten im Krankenzimmer alle Fenster und Türen geöffnet werden, damit die krankmachende Luft entweichen konnte. Der Arzt sollte weder den Kranken noch das Bett oder die Bettwäsche berühren. Die Harnschau sollte er besser im Freien vornehmen und dabei Handschuhe tragen. Um das Einatmen des Pesthauches zu vermeiden, sollte er sich zumindest einen mit Essig und pulverisierten Gewürznelken getränkten Schwamm vor Nase und Mund halten.
 

Bisamäpfel trug man als Anhänger an Gürteln
oder an Rosenkränzen. Hier hat ein geistlicher
Stifter seinen Rosenkranz mit Bisamapfel auf
dem Betpult abgelegt. Salzburg, um 1510.
Salzburg, St. Peter, Stiftsgalerie (© IMAREAL)
In der frühen Neuzeit wurde die Schutzbekleidung der Ärzte weiter perfektioniert. Die Ärzte - „Dr. Schnabel“ nach ihrem Mundschutz genannt - trugen nun ein langes Gewand aus undurchlässigem Stoff oder Leder, dazu Handschuhe und Hut. Ein Stab in der Hand zeichnete sie als Pestarzt aus. Vor dem Gesicht trugen sie eine Schnabelmaske, in die Riechstoffe als Filter eingefüllt wurden. Vor den Augen trug man Gläser aus Kristall, da man die Ansteckung durch Blickkontakt fürchtete.
 

Der Großteil der Bevölkerung konnte sich im Krankheitsfall keinen „Bucharzt“ leisten. Das Volk schöpfte für die Vorbeugung und Behandlung der Pest aus dem reichen Schatz der Volksmedizin und des Aberglaubens. Mit Amuletten versuchte man sich vor der Ansteckung zu schützen. War die Krankheit bereits ausgebrochen, so räucherte man das Haus mit Wacholder, Enzian oder Eberwurz. Man reichte schweißtreibende Substanzen aus Bibernelle und Pestwurz. Zeigen sich die Pestbeulen, dann legte man Frösche auf diese, um sie günstig zu beeinflussen. Auch zum Baldrian griff man, um die Pestdämonen abzuwehren.
Vielleicht noch größer als die demographischen Auswirkungen auf die Gesellschaft waren die psychologischen. Hand in Hand mit der Wirkungslosigkeit der medizinischen Betreuung ging eine Zerrüttung der Gesellschaft einher; alle Regeln, die zuvor das Zusammenleben der Menschen bestimmt hatten, traten außer Kraft: Verwandte verweigerten die Pflege; Pesthäuser wurden geplündert; Tote ohne Glockengeläut und Leichenzug in Massengräbern verscharrt. Wer es sich leisten konnte, floh aus den betroffenen Orten. Wer blieb, betäubte sich und versuchte die vielleicht letzten Stunden seines Lebens exzessiv zu genießen. So berichtet ein Chronist von der Pest in Genf im Jahre 1530:




Pestwurz, Kupferstich aus Wolf Helmhardt von Hohberg,
Georgica curiosa aucta, Auflage von 1716
St. Pölten, NÖ Landesbibliothek  (© IMAREAL)

Unterdessen die Pest wütete, sah ich, wie vor mir mindestens sieben oder acht Körper abtransportiert wurden. Aber hätten Sie die Mädchen gesehen! Sie tanzten zu den Virelais (= mittelalterliches Tanz- und Liebeslied) und sangen Fastnachtslieder. Eine von ihnen wurde von Fieberschauern so geschüttelt, dass es sie zu Boden streckte, man musste sie nach Hause tragen, ohne dass die anderen ihren Tanz auch nur unterbrochen hätten.

Welche Mittel die Obrigkeit in der frühen Neuzeit einsetzte, um Pestepidemien zu verhindern, davon lesen Sie im nächsten Blog.
   
Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra

12. März 2015

#11 Der Schwarze Tod kam über Nacht

„Beulen entwickeln sich an verschiedenen Körperstellen: an den Geschlechtsorgangen, bei manchen Betroffenen an den Oberschenkeln oder Armen und bei anderen am Hals. Zunächst sind diese etwa so groß wie eine Haselnuss, und der Patient wird von heftigen Fieberschauern erfasst, die ihn bald darauf so schwächen, dass er sich nicht mehr auf den Beinen halten kann und ans Bett gefesselt ist. Das zunehmende Fieber raubt ihm alle Kräfte und allen Lebensmut. Die Beulen wachsen auf die Größe einer Walnuss an und sind schließlich so groß wie ein Hühner oder Gänseei. Sie sind überaus schmerzhaft, verunreinigen die Körpersäfte und lassen den Patienten Blut spucken. Das Blut steigt von der befallenen Lunge in den Hals hinauf und die Fäulnis ergreift und zerstört den gesamten Körper. Drei Tage siecht der Patient dahin, spätestens am Viertel erliegt er der Erkrankung.“ 

Die Heiligen Sebastian, Rochus und Wolfgang
Steiermark, um 1480, Bad Aussee,
Spitalskirche © IMAREAL
So beschreibt 1347 der Franziskanermönch Michele da Piazza das Auftreten einer neuen Krankheit in Sizilien. Im Herbst 1347 hatten genuesische Schiffe den Pesterreger von der Krim nach Italien gebracht. Hilflos war man dieser Seuche ausgeliefert. Rasant breitete sie sich über Europa aus und dezimierte die Bevölkerung. Florenz - für das späte Mittelalter eine Großstadt mit ungefähr 100.000 Einwohnern - schrumpfte fast auf die Hälfte seiner Bewohner zusammen; ebenso widerfuhr es Venedig. Die sich ausbreitende Seuche gelangte auf dem Seeweg nach Westen und von dort in das nördliche Europa. Auf dem Landweg breitete sie sich über die Alpen Richtung Mitteleuropa aus. Allerdings hatte sie hier, wie neueste Forschungen zeigen, nicht so weit reichende Bevölkerungsverluste zur Folge. Nicht alle Gebiete wurden betroffen.  Schwerwiegender war der Umstand, dass es mit der ersten Pestwelle um 1347/1350 nicht getan war. In fast regelmäßiger Folge traten Epidemien auf. Die Freie Reichsstadt Nürnberg etwa, eine der bevölkerungsreichsten Städte und Handelsmetropole am Schnittpunkt wichtiger Verbindungsrouten, erlebte zwischen 1359 und 1543 fünfzehn Epidemien. Auch in anderen wichtigen Zentren wie Augsburg tauchte der Erreger in Abständen von zehn Jahren immer wieder auf und dezimierte die Bevölkerung. Ganz ähnlich erging es vielen Städten. 

Schutzmantelmadonna, Thomas von Villach, um 1460
Gerlamoos, Filialkirche St. Georg © IMAREAL
Das plötzliche Auftreten der Seuche und die kurze Dauer vom Ausbruch der Krankheit bis zum Tod versetzten die Menschen in Angst und Schrecken. Als die wahre Ursache der Seuche wurde der Zorn Gottes über die Sündhaftigkeit der Welt angesehen:
„Ihr müsst die Ursachen der Pest heilen, die da sind die abscheulichen Sünden, die begangen werden: Blasphemie gegen Gott und die Heiligen, die Schulen der Sodomie, die unerhörte Wucherei … Handelt, handelt, und ihr werdet mit der Pest fertig,“ so tönte es in den Kirchen von den Kanzeln. 


Pfeilmartyrium des heiligen Sebastian
Niederösterreich, um 1490
Stift Herzogenburg, Galerie © IMAREAL
Man suchte Zuflucht bei den Heiligen, gelobte Wallfahrten oder Prozessionen und hoffte, so von einer Ansteckung verschont zu bleiben oder zumindest die Ausbreitung einzudämmen. In der Mitte des 14. Jahrhunderts gab es aber noch keinen für die Pest „zuständigen“ Heiligen. So musste man passende finden. In der Ikonographie der Pest wurde die Seuche durch von Gott verschossene Pfeile visualisiert. Als Schutzheiliger bot sich einer an, der ein Pfeilmartyrium überlebt hatte: Die Wahl fiel daher auf den heiligen Sebastian. Der heilige Sebastian kam angeblich in Narbonne zur Welt. Er wuchs in Mailand als Christ am Ende des 3. Jahrhunderts auf. Als Kommandant der kaiserlichen Leibgarde in Rom versuchte er, seinen in Gefangenschaft geratenen Glaubensbrüdern und -schwestern zu helfen. Das erweckte das Misstrauen des Kaisers. Sebastian wurde vom Dienst suspendiert und zum Tode verurteilt. Die Hinrichtung sollte mit Pfeilen erfolgen. Man band ihn an einen Baum und beschoss ihn mit Pfeilen. Sebastian überlebte und eine fromme Witwe namens Irene pflegte ihn gesund. Sebastian trat dann wieder in der Öffentlichkeit auf; der Kaiser ließ ihn abermals verhaften und erschlagen. Den Leichnam warf man in die cloaca maxima. Seiner Hilfe gegen die Pest wurde die Stadt Rom erstmals im 7. Jahrhundert  während der ersten großen Pestepidemie in Europa teilhaftig. In feierlicher Prozession trug man damals die Reliquien des Heiligen rund um die Stadt und durch die Gassen - und siehe, die Pest erlosch. Was lag näher, als sich beim Ausbrechen der Seuche im 14. Jahrhundert wieder an diesen Heiligen zu erinnern. Hilfe erhoffte man sich natürlich auf von Maria. Oft sind es Darstellungen der sog. Schutzmantelmaria, die an diese ihre Funktion erinnern. Der Mantel, unter dem die Christenheit, vertreten durch Repräsentanten aller Stände, Zuflucht finden, wehrt die Pestpfeile ab, die Gottvater oder Christus erzürnt vom Himmel auf die Menschheit schleudern.

Der heilige Rochus erkrankt an der Pest
Nürnberg, um 1480
Nürnberg, St. Lorenz © IMAREAL
Ein dritter im Bunde ist der heilige Rochus, der selbst als Pestkranker dargestellt wird. Er wurde um 1295 in Montpellier in Südfrankreich geboren. Zunächst studierte er Medizin, dann aber verschenkte er seinen Besitz an die Armen und begab sich auf Pilgerschaft. Auf seiner ersten Reise gelangte er nach Rom, pflegte dort Pestkranke und heilte sie. Auf der Rückreise in seine Heimat erkrankte er selbst in Piacenza an Pest. Dem Tode nahe retteten ihn ein Engel, der ihm Mut zusprach, und ein Hund, der ihn mit Brot versorgte. Als er endlich seine Heimatstadt erreichte, erkannte ihn dort niemand; man verdächtigte ihn, ein Spion zu sein und warf ihn in den Kerker, wo er im Alter von 32 Jahren verstarb. 1485 gelangten seine Reliquien nach Venedig, in eine Stadt, die besonders durch die wiederholten Pestepidemien im Spätmittelalter zu leiden hatte. Seit 1520 befinden sie sich in der Kirche der Erzbruderschaft San Rocco. 1576 wurde Rochus neben Markus zum zweiten Schutzpatron der Stadt. 
Aber nicht nur das Spätmittelalter kannte die Pest. Zu weiteren schweren Epidemien kam es in den 70er und 80er Jahren des 17. Jahrhunderts und dann noch einmal zu Beginn des 18. Jahrhunderts zwischen 1708 und 1714. Zeugen dieser letzten beiden Epidemien sind die zahlreichen Pestsäulen, die zum Dank für das Erlöschen der Seuche gestiftet wurden.
Welche Maßnahmen man aus medizinischer Sicht gegen die Pest empfahl und welche Schritte die Obrigkeit unternahm, um die Ausbreitung einzudämmen, davon lesen Sie im kommenden Blog.

Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra