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Kulturbezirk 5, 3100 St. Pölten, Niederösterreich, Austria
Seit 2011 gibt es den Museumsblog. Bis 31. Juli 2016 waren es Themen, die im Zusammenhang mit den drei Kernbereichen des Landesmuseum Niederösterreich (Geschichte - Kunst - Natur) standen. Mit 1. August 2016 wird das Landesmuseum zum Museum Niederösterreich und somit ist der Museumsblog unter neuer Adresse zu finden: www.museumnoe.at/de/das-museum/blog

29. Januar 2015

#6 Die Küchenzwiebel - die Heilpflanze des Jahres 2015


Zwiebel © thinkstock
Wenn der Hals kratzt und der Hustenreiz nicht weichen will, dann werden in vielen Haushalten alte Hausmittel ausprobiert; eines davon war bei mir zuhause immer „Zwiebelmilch“. Dazu wurde eine Zwiebel geschält und geviertelt, Milch erhitzt und die Zwiebelstückchen darin für 30 Minuten eingelegt; dann wurde die Zwiebel entfernt und die Milch mit Honig gesüßt. Allein der Gedanke, diese Milch trinken zu müssen, hat bei mir oft eine Schnellheilung bewirkt.

Die Küchenzwiebel – Allium cepa L. – spielt nicht nur in den Kochtöpfen als Gewürz oder Gemüse eine wichtige Rolle. Sie ist überdies reich an medizinisch wirksamen Inhaltsstoffen: Sie wirkt antibakteriell, senkt den Blutdruck, den Blutzucker und verbessert die Blutfette; sie macht das Blut dünnflüssiger und wirkt antiasthmatisch. Äußerlich kann man ihren Saft gegen Insektenstichen und Furunkeln anwenden. Umschläge mit gehackter Zwiebel wirken auch sehr gut bei Blutergüssen. 
Diese vielfältige Wirkweise ist sicher ein Grund dafür, dass der „Verband der Heilkräuterfreunde Deutschlands“ gemeinsam mit dem „Verein zur Förderung der naturgemäßen Heilweise nach Theophrastus Bombastus von Hohenheim“ die Küchenzwiebel zur Heilpflanze des Jahres 2015 wählte.


Wo die Vorfahren der Küchenzwiebel beheimatet waren, wissen wir nicht genau. Man nimmt Mittelasien oder Afghanistan an; die nächste Verwandte unserer Küchenzwiebel wächst heute in Turkmenistan und im Iran. Seit mehr als 5.000 Jahren wird die Küchenzwiebel als Heil-, Gewürz- und Gemüsepflanze kultiviert. Sie ist damit eine der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit. Mit Zwiebeln wurden die Arbeiter beim Pyramidenbau in Ägypten bezahlt; Zwiebeln gab man den Toten auf die Reise ins Jenseits mit; so fanden sich Zwiebel im Grab Tutanchamuns. Beim Auszug aus Ägypten beklagten die Israeliten ihre Entbehrungen, sie sehnten sich nicht nur nach den Fleischtöpfen Ägyptens, sondern auch nach „Gurken und Melonen, Lauch, Zwiebeln und Knoblauch“ (4 Moses 11). Auch bei den Römern waren Zwiebeln bei der einfachen Bevölkerung ein Grundnahrungsmittel. Römische Legionäre sorgten für ihre Verbreitung in Mitteleuropa. Ab nun fehlten Zwiebeln in keinem Koch- und Arzneibuch mehr.
Im ältesten erhaltenen Buch der Klostermedizin – im Lorscher Arzneibuch, um 795 in lateinischer Sprache im Kloster Lorsch bei Worms niedergeschrieben  – werden Zwiebeln als Heilmittel „gegen die Fäulnis des Mundes, der Zunge und des Gaumens sowie zur Behandlung von Zahnfleisch, welches vom Leibessaft zerfressen wird“ eingesetzt; man verwendet sie äußerlich gegen Knoten und Schmerzen in den Brüsten. Gegen Furunkel und Karbunkel legte man Zwiebeln, die man vorher in Asche geröstet und mit Honig vermischt hatte, als Pflaster auf die betroffene Stelle auf.
Ausführlich beschäftigen sich die Kräuterbücher der frühen Neuzeit mit der Zwiebel: lassen wir wieder einmal Leonhart Fuchs mit seinem 1543 erschienenen Kräuterbuch zu Wort kommen:


Zwiebel © thinkstock
„Es seind vil geschlecht der Zwibel / welche alle Theophrastus unnd Plinius erzelen / on not hie vil darvon zu schreiben. Die Zwibel aber so in unsern landen wachsen seind ettlich groß / ettlich klein / an der farb ettlich rot / ettlich weiß / ettlich rund / die andern lang. Die besten aber seind die runden und von farben rot.
Die Zwibel haben bletter fast wie der Lauch / inwendig hol / jre stengel oder rhör seind rund / die gewinnen an den gipffeln runde köpfflin mit dünnen weissen heütlin überzogen / die brechen mit der zeit auff / unn kriechen die bleychweisse gestirnte blümlin vil neben einander getrungen herfür. Sölch blümlin werden zu kleinen knöpfflin oder böllin / in deren yedem seind zwey oder drey schwartz eckete körnlin verschlossen. Die wurtzel ist rund wie ein kleins köpfflin / auß vilen dünnen schelfen oder heütlin zusamen gesetzt / die aller außwendigsten aber seind gantz zart unnd rotlecht. An disem köpfflin hangen zu öberst kleine weisse zaseln wie das har. […]

Die krafft und würckung.
Die langen Zwibel seind scherpffer dann die runden / die roten mehr dann die weissen / die dürren dann die grünen / die rowen dann die gesotten. Doch beissen allerley Zwibel / machen bläst / oder wind / reytzen zu essen / zerteylen / machen durst / und reynigen. Sie lindern den stulgang. So man sie schelet unnd in öl legt / darnach zäpfflin darauß macht / und in den affter thut / so eröffnens die gulden oder rosen ader. Der safft vonn Zwibeln außgetruckt / mit hönig vermischt und in die augen gethon / macht lautere augen / vertreibt die fäl / und den anfang des starns. Er bringt den frawen jre kranckheyt in die weiblich scham gethon. Reyniget das haupt in die nasen gethon. Zwibel safft mit saltz / rauten / und hönig vermischt / ein pflaster darauß gemacht und übergelegt / ist ein köstlich artzney zu den wunden / so von unsinnigen hunden seind gebissen. Der safft mit essig vermengt / und an der sonnen angestrichen / vertreibt die weissen unnd schwartzen masen am leib. Gedachter safft mit hennen schmaltz vermischt / ist nützlich denen so die schuch getruckt haben / ein sälblin darauß gemacht. Der safft in die ohren gethon / bringt das gehör / und nimpt das sausen im kopff. Er macht das har widerumb wachsen / so man das haupt darmit reibt. Der Zwibel so er zuvil würt in der speiß gebraucht / macht er weetagen des haupts. So er wol gesotten ist / treibt er den harn. In den kranckheyten zuvil gessen / auch gesotten / bringt er mit sich ein starcken schlaff. Mit kleinen weinbeerlin und feigen zerstossen und übergelegt / zeitiget er / und bricht die geschwär. Der Zwibel zerteylt die groben zähen flüß im leib.“
(zitiert nach: http://www.waimann.de/capitel/163.html#Abb_241)
Zwiebel © thinkstock
Kehren wir noch einmal zur Kultivierung der Gemüsezwiebel zurück: Die Zwiebel liebt lockere, leichte Böden; ideale Verhältnisse für ihr Gedeihen finden sich in der Region rund um Laa an der Thaya, wo eines ihrer traditionellen Hauptanbaugebiet in Österreich liegt. Im Gegensatz zur Massenproduktion in anderen Gegenden Europas wird die Gelbe und Rote Laaer Zwiebel hier nicht bewässert und reift natürlich am Feld ab. Der Ertrag der Felder ist dadurch zwar geringer, die geschmackliche Qualität der Zwiebeln aber um vieles besser. Ebenso positiv wirkt sich das auf ihre Lagerfähigkeit aus. Die Küchenzwiebel und die etwas größere Gemüsezwiebel wurden in das „Register der Traditionellen Lebensmittel“ aufgenommen und die Region um Laa ist als „Laaer Zwiebel“ unter den Genussregionen Österreichs registriert (http://www.genuss-region.at/genussregionen/niederoesterreich/laaer-zwiebel/index.html).


Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra

15. Januar 2015

#5 Das Johanniskraut – die Arzneipflanze des Jahres 2015

Seit den 90er Jahren wählt der Studienkreis „Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ an der Universität Würzburg, dem Medizinhistoriker, Ärzte, Apotheker und Biologen angehören, die „Arzneipflanze des Jahres“. Für 2015 kürten sie das Echte Johanniskraut.
Johanniskraut, Bild: thinkstock, Alex Rath
Die Gattung der Johanniskräuter ist äußerst vielfältig und umfasst weltweit mehr als 450 Arten. In unseren Regionen kommen bis zu neun verschiedene Arten nebeneinander vor. Das „Echte Johanniskraut“ erkennt man u.a. an seinem zweikantigen Stängel. Sind schon Knospen oder Blüten vorhanden, dann hilft ein weiteres Erkennungsmerkmal: Zerreibt man die Blütenblätter, so färbt der austretende Saft die Finger rot. Die Pflanze findet man an Weg- und Wiesenrändern; sie wird bis zu 90 cm hoch.
Den Namen Johanniskraut trägt die Pflanze, weil sich in der Zeit rund um das Fest Johannes' des Täufers am 24. Juni je nach Witterung die Knospen zeigen oder sich bereits die gelben Blüten öffnen. Das ist dann der Beginn für die Sammelzeit der Knospen und Blüten. Seit der Antike trägt die Gattung der Johanniskräuter den Namen „Hypericum“. Das Echte Johanniskraut heißt mit lateinischen Namen Hypericum perforatum, was auf eine weitere Eigenart der Pflanze verweist: Betrachtet man die Blätter gegen das Licht, so erblickt man zahlreiche kleine Punkte, die den Anschein erwecken, als seien die Blätter fein durchstoßen. Bei den Pünktchen handelt es sich um Öldrüsen, die einen der Wirkstoffe der Pflanze, das Hypericin, enthalten.

Johanniskraut, Bild: thinkstock
Die Beliebtheit der Pflanze und ihre vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten spiegeln sich im Variantenreichtum der Bezeichnungen im Volksmund, der das Kräutlein u.a. als Antoniuskraut, Blutkraut, Brustkraut, Donnerkraut, Eisenhart, Feldhopfenkraut, Feuerkraut, Fieberkraut, Frauenkraut, Gottesblut, Hanskraut, Hanskräutel, Hasenkraut, Herrgotsblume, Herrgotsträne, Herrgottsblut, Herrgottskraut, Hexenkraut, Jesuwunderkraut, Johannesbettstroh, Johannisblut, Johannishartheu, Johannisschweiß, Kälberkraut, Kleine Johannisblume, Kranzkraut, Leibwehblume, Liebeskraut, Löcherkraut, Marienkraut, Mariens Bettstroh, Muttergotteskraut, Siebenundsiebziglöcherkraut, Sonnenwendkraut, Tausendloch, Tausendlöcherkraut, Teufelsfluch, Teufelsflucht, Teufelskraut, Tüpfelhartheu, Unseres Herrn Wundkraut, Waldhopfenkraut, Walpurgiskraut, Wundstroh oder Wurmgras bezeichnet.

Seit der Antike schätzte man die Vielfalt der Anwendungsgebiete des Krautes bei der Behandlung von Krankheiten. So empfahl der griechische Arzt Dioskurides, der im 1. Jahrhundert n. Chr. als Militärarzt im Dienste der Römer stand und mit seinem Werk „Materia Medica“ zum berühmtesten Pharmakologen des Altertums wurde, das Kraut als Umschlag gegen Brandwunden und die reife Frucht des Krautes, in Honigwasser eingelegt, gegen Ischias. 

Johanniskraut, Bild: thinkstock
Paracelsus (geb. um 1493-1541) widmete dem Echten Johanniskraut eine ausführliche Erläuterung, in der er dessen Wirkung nicht nur als Wundheilmittel, sondern auch als Vertreiber der Melancholie – und als Wurmmittel pries.
Eines der ausführlichsten und originellsten Kräuterbücher des 16. Jahrhunderts stammt aus der Feder des Botanikers und Mediziners Tabernaemontanus – eigentlich Jacobus Theodorus  (1522/5-1590); sein Name „Tabernaemontanus“ ist eine latinisierte Form seines Geburtsortes Bergzabern in Rheinland-Pfalz. Tabernaemontanus war zunächst als Kräutersammler in Weißenburg im Elsass tätig; dann studierte er Medizin in Padua und Montpellier. Nach seiner Rückkehr betrieb er in Weißenburg eine Apotheke. Für seine weitere Laufbahn war die Begegnung mit dem Botaniker Hieronymus Bock maßgeblich. 1588 erschien sein „Neuw Kreuterbuch“ im Druck, ein Werk mit fast 1600 Seiten und mehr als 2000 Holzschnitten.
In den Texten zu den einzelnen Pflanzen beschreibt Tabernaemontanus diese nicht nur genau aus botanischer Sicht, sondern sammelt auch das Wissen um ihre Wirkweise und greift dabei auf vergangene Autoritäten zurück. Zum Johanniskraut zitiert er etwa Dioskurides und den flämischen Botaniker und Arzt Rembert Dodoens, genannt Dodonaeus (1516/17-1585). Dann geht er auf die Wirkung bei innerer und äußerer Anwendung des Krautes ein: Siedet man das Kraut in Wein, so besitzt es harntreibende Wirkung, hilft bei Blasensteinen, wie die antiken Autoritäten berichten, und bei Menstruationsbeschwerden. Der so gewonnene Saft dient auch als Mittel gegen das dreitägige Fieber. Äußerlich angewendet beschleunigt es die Wundheilung und wirkt gegen Entzündungen. Frauen, die in Kindsnöten liegen, sollen mit dem Kraut beräuchert werden, deshalb wird das Johanniskraut auch Frauenkraut genannt. Im Anschluss beschreibt Tabernaemontanus die Herstellung von Johanneskrautwasser und Johanniskrautöl. 


Johanniskraut, Bild: thinkstock
Beide Mittel empfiehlt er bei Schlaganfall, roter Ruhr, bei Koliken und Verdauungsbeschwerden jeglicher Art. Er empfiehlt auch die Verwendung des Johanneskrautes als Apotropäum gegen Gespenster und Ungewitter. Hier wird man wohl an eine Anwendung als Räucherkraut denken. Tabernaemontanus folgte in seinen Angaben seinem Lehrer Hieronymus Bock, der in seinem „New Kreuterbuch“ ganz ähnliche Wirkweisen des Krautes beschrieben hatte. 
In den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kräuter- und Arzneibüchern wird die heute bekannte stimmungsaufhellende Wirkung des Johanniskrautes nur selten erwähnt. In Zedlers „Grossem vollständigen Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste“, das in den Jahren 1732 bis 1754 erschien, wird dann das Rezept für eine Tinktur angeführt, deren Grundsubstanz  aus Johanneskraut gewonnen wird und die als Heilmittel gegen Schwermut, Raserei, Tollsucht und allgemein gegen Schwachheit des Geistes angepriesen wird. Dem Johanniskraut werden allerdings bei der Herstellung noch andere Substanzen wie Ackergauchheil (Anagallis arvensis) oder Eselsblut, das aus einer Ader hinter dem Ohr gewonnen wird, hinzufügt; sie alle werden gemeinsam destilliert, das Destillat wird mit Branntwein verdünnt und im Bedarfsfall eingenommen.
- Wohl bekomm’s!


Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra

7. Januar 2015

Pilgern mit Eduard Gurk - Die heiligen Berge: Annaberg

Zum Einstieg wird dieser Beitrag empfohlen: http://landesmuseum.blogspot.co.at/2014/10/pilgern-mit-eduard-gurk.html

Es ist natürlich ein Ding der Unmöglichkeit, sich in den Gemütszustand eines Untertanen des Jahres 1833 zu versetzen. Einen Versuch ist es aber wert. Unseren fiktiven Pilger nennen wir einfach Chrysostomos Panigl, wohnhaft in der Gemeinde Rodaun nahe Wien. Eine recht flache Gegend, gemessen an dem, was noch kommen wird. Die höchste Erhebung Rodauns ist der Eichkogel, ein sanfter Hügel.
Der Thronfolger Erherzog Ferdinand hatte im Vorjahr ein Attentat zwar fast unbeschadet überlebt, seine Nerven waren darauf derart zerrüttet, dass ein Priester zur letzten Ölung geholt werden musste. Er genas auf wundersame Weise, gelobte eine Wallfahrt nach Mariazell und fuhr los. Ob er den Maler Eduard Gurk an seiner Seite hatte, das wissen wir nicht gesichert. Wir, Monika Schaar-Willomitzer und ich, machten uns etwa 180 Jahre später auf Spurensuche.

Einsiedelei Siebenbründl © Land Niederösterreich,
Landessammlung Niederösterreich, Eduard Gurk, 1833

aktuelle Ansicht von Siebenbründl, Foto: M. Schaar

Unser Chrysostomos erhoffte sich durch Wallfahrten die Heilung von seiner Gicht. Den Medicus und Arznei aus der Apotheke konnte er sich als Rossknecht nicht leisten. Es wird eine weite Reise werden. Seine weiteste war bisher nach Mauer zum Kirtag.
Ferdinand, als späterer Kaiser der Gütige genannt, reiste per Kutsche, Chrysostomos auf Schusters Rappen, wir fuhren mit dem Auto.


Wir überspringen einen Tag und begegnen unserem Pilger gegen Ende des zweiten Tages kurz vor dem mühsamen, geradezu quälenden Aufstieg nach Annaberg. Es hätte zu Fuß schon gereicht, aber auf Knien war das noch einmal was anderes. Wer sich mit dem Auto die Serpentinen hinaufwindet, kann vielleicht nachempfinden, was das für einen müden, schwachen, vielleicht kranken Pilger bedeutet haben muss, der sich kein Mietsaumpferd (wie auf dem Aquarell dargestellt), eine Art frühes Taxi, leisten konnte. Gottlob, vor wenigen Stunden hatte Chrysostomos die Heilquelle Siebenbründl passiert. Gebet und Wasserkur hatten ihn wieder aufgerichtet.


„Höchst romantisch“ oder „österreichisches Sibirien“?


Also endlich Annaberg. Was sich hier dem Betrachter darbot, war überwältigend, ein gigantischer Berg, der Ötscher. Wir sind auch heute noch beeindruckt, trotz Fernsehdokumenationen über 8000er und vermögen uns schwer vorzustellen, wie es dem Rodauner ergangen sein muss. Den genauen Standort zu finden, an dem Eduard Gurk seine Skizze für das Aquarell anfertigte, dauerte lange und das Ergebnis war schließlich ein Kompromiss.

Annaberg, Blick gegen den Ötscher © Land Niederösterreich,
Landessammlung Niederösterreich, Eduard Gurk, 1833
aktuelle Ansicht von Annaberg, Foto: M. Schaar

Annaberg ist die erste Station an der Via Sacra, die kein Marienort, sondern Marias Mutter geweiht ist. Auch nach ihrem Mann ist ein heiliger Berg benannt, der Joachimsberg. Nach Mariazell sind es noch rund sechs Stunden Fußmarsch über mehrere Berge, darunter der Josefsberg.
Neben einer Poststation, das Gebäude rechts im Bild steht am ehemaligen Standort, gab es 1833 fünf Gasthäuser, einen Bäcker, Fleischhauer, Wundarzt, Schmied und einen Schuhmacher. Wir verabschieden uns von Chrysostomos Panigl und fragen die derzeitige Bürgermeisterin, Petra Zeh, was heute Annaberg ausmacht.

Bürgermeisterin Petra Zeh,
Foto: Leaderregion Mostviertel
Worauf sind Sie in Ihrer Gemeinde besonders stolz?
Besonders stolz bin ich auf die Menschen und Ihren Zusammenhalt. Sie unterstützen sich gegenseitig. Vieles können wir dadurch in unserer kleinen Gemeinde schaffen. Von kleinen Projekten in den Vereinen  bis hin zu großen Projekten, wie etwa der Revitalisierung unserer Via Sacra von Wien bis Mariazell und natürlich der Landesausstellung 2015.


Welchen Stellenwert hat die Wallfahrt für Annaberg heute?
Die Wallfahrt und Annaberg waren und sind auch heute noch untrennbar miteinander verbunden. Sie ist Teil unserer Geschichte und unseres heutigen Lebens. Viele Menschen pilgern durch unsere Gemeinde und machen Halt bei der Heiligen Anna in der Wallfahrtskirche. Es erfüllt uns mit Stolz an einem Weg zu liegen, der schon seit Jahrhunderten begangen wird. Das Pilgerwesen ist Teil unserer Identität und auch Lebensgrundlage unserer Gasthäuser und Beherbergungsbetriebe.

Wenn Sie sich was wünschen dürften, was wäre es?
Ich würde mich freuen, wenn weiterhin viele Pilger auf der Via Sacra nach Annaberg und Mariazell unterwegs sind, sich etwas Zeit für sich nehmen können, auf dem Weg unserem Herrgott näher kommen und mit sich im Reinen nach Hause zurück kehren.
Pilgern ist, wenn man sich darauf einlässt, etwas Wunderschönes und Erfüllendes. Das erleben zu können, wünsche ich vielen Menschen.
Wir danken für das Gespräch!
Heute hat Annaberg 3 Gasthäuser, 2 Pensionen, einen  Nahversorger, Ärztin, Polizeistation, Volksschule, 9 Schilifte und 65 Schneekanonen.
Berühmte Söhne und Töchter Annabergs sind die Landesrätin und Innenministerin Liese Prokop [Blogbeitrag vom 25.9.2014: http://landesmuseum.blogspot.co.at/2014_09_01_archive.html], der Maler Sepp Gamsjäger und der oberösterreichische Landeshauptmann Erwin Wenzel. Leider sind alle Genannten bereits verstorben.
Die beiden Zitate im Zwischentitel stammen aus Reiseführern von Rafael Hellbach (1858) und Wenzel-Carl Wolfgang Blumenbach (1835).

Text: Gerhard Hintringer
Fotos: Mag. Monika Schaar-Willomitzer
Sonderausstellung „Malerische Wallfahrt nach Mariazell in Aquarellen von Eduard Gurk“, 26. Oktober 2014 bis 22. März 2015
 
Das empfehlenswerte Buch zur Ausstellung ist 2014 im Residenzverlag erschienen, es kostet 35 Euro und ist u.a. im Shop des Landesmuseums erhältlich.
Links zu Annaberg