Profil

Mein Bild
Kulturbezirk 5, 3100 St. Pölten, Niederösterreich, Austria
Seit 2011 gibt es den Museumsblog. Bis 31. Juli 2016 waren es Themen, die im Zusammenhang mit den drei Kernbereichen des Landesmuseum Niederösterreich (Geschichte - Kunst - Natur) standen. Mit 1. August 2016 wird das Landesmuseum zum Museum Niederösterreich und somit ist der Museumsblog unter neuer Adresse zu finden: www.museumnoe.at/de/das-museum/blog

18. Dezember 2014

#4 „Zu was Kranckheiten die distillirten Wasser dienen …“

Diese Überschrift steht nicht im einem Nachschlagewerk, das für einen Mediziner oder einen Apotheker bestimmt war, nein - es steht in dem klassischen Werk der sog. Hausväterliteratur: in der „Georgica curiosa“ des Wolf Helmhardt von Hohberg.

IMAREAL - Krems: In einer landadeligen Apotheke.
Kupferstich aus der "Georgica Curiosa", Nürnberg 1716
Bei dieser „Hausväterliteratur“ handelt es sich um frühe Ratgeber, die ab dem 16. Jahrhundert zunächst vor allem im protestantischen Milieu erschienen. Sie richteten sich an den Landadel als  potentiellen Käufer. Da ihr Inhalt aber von allgemeinem Interesse war, erwarben auch zunehmend bürgerliche Kreise diese Werke.
Den Höhepunkt dieser Gattung bildet das zitierte zweibändige Werk aus der Feder Wolf Helmhardt von Hohberg, das unter dem Titel „Georgica curiosa, Das ist: Umständlicher Bericht und klarer Unterricht Von dem Adelichen Land- und Feld-Leben“ erstmals 1682 in Nürnberg erschien.   
Wolf Helmhardt von Hohberg wurde am 20. Oktober 1612 in Lengenfeld bei Krems geboren. Früh verwaist trat er ins Heer ein und kämpfte im Dreißigjährigen Krieg. 1641 quittierte er den Dienst in einem kaiserlichen Regiment und zog sich auf ein kleines Gut in Süßenbach an der Thaya zurück. Als Protestant musste er später seine Heimat verlassen und ließ sich wie viele seiner Glaubensgenossen in Regensburg nieder, wo er 1688 verstarb.

IMAREAL - Krems: Die Hausmutter beim Zubereiten
von Arzneien. Kupferstich aus der "Georgica Curiosa",
Nürnberg 1716
Der erste Band des Werkes beschäftigt sich mit Haus und Garten, der zweite mit Feld, Vieh, Wald und Jagd. Die insgesamt 12 „Bücher“ geben einen ausführlichen Einblick in Organisation und Tätigkeitsbereiche der auf einem solchen Gut tätigen Personen.
Zu der Arbeit der „Hausmutter“ gehörten nicht nur die Versorgung der Hausangehörigen mit ausreichend Nahrung, die Vorratshaltung, die Betreuung des Gartens und vieles andere mehr, sondern auch die Betreuung im Krankheitsfall. In mehr als 20 Kapitel gibt Hohberg der Hausmutter Anweisungen, wie sie die Apotheke zu führen und Arzneien zuzubereiten hätte.
Dazu gehörte auch die Herstellung von Destillaten aus den unterschiedlichsten Ausgangsprodukten. In Kapitel LVII beschrieb Hohberg ausführlich die Arbeitsgänge und die Beschaffenheit des „Brennofens“, allerdings genüge es, „wann die Haus=Mutter nur weiß mit dem Brennkolben und Balneo Maris [=Wasserbad] umzugehen.“

IMAREAL - Krems: Das Destillieren von Kräutern
Kupferstich aus der "Georgica Curiosa", Nürnberg 1716
Das Anwendungsgebiet dieser destillierten Wasser, die aus Kräutern gewonnen werden, ist äußerst vielfältig; Hohberg führt 28 Verwendungszwecke an: bei Kopfschmerzen etwa Destillate aus Wohlgemuth (Origanum vulgare) oder Holunder; bei Leberbeschwerden Sauerampfer, Ehrenpreis, Wegwarte, Salbei, Brunnenkresse, Leberkraut und Waldmeister; für die Augen gut sind „Wasser“ von Ringelblumen, Augentrost, Schellkraut, Rittersporn, Fenchel, Blaue Kornblume und blaue Veilchen; gegen Blasen- und Nierensteine empfiehlt er u.a. Spitzwegerich, Petersilie, Rettich, Spargel, Steinbrech, Erdbeeren und Gundelreben (Glechoma hederacea). Ein Allheilmittel ist das Kardobenediktenkraut, das u.a. bei Magenproblemen, Gelbsucht, Seitenstechen, Menstruationsbeschwerden oder Vergiftungen empfohlen wird. Ähnlich vielseitig ist auch der Baldrian.

IMAREAL - Krems: Die Hausmutter als Krankenpflegerin
Kupferstich aus der "Georgica Curiosa", Nürnberg 1716
Im ersten Band der „Georgica curiosa“ gibt es auch Anleitungen zur Herstellung von „Krafft=Wasser“, für die unterschiedliche Substanzen in Destillaten und/oder Wein angesetzt werden. Für das „Hertz=Carfunckel=Wasser“ etwa muss man Rosmarin, Maienblümlein, Borrago-Blüten, Märzveilchen, Majoran, Lavendel, Kreuzsalbei und Saudistel in einem bestimmten Mischungsverhältnis fein hacken und im Mörser zerreiben. Dann werden Gewürze und Früchte - Muskat, Ingwer, Gewürznelken, Zimt, Kardamom, Galgant, Wacholderbeeren, Eichen- und Haselmisteln, geschälte Päonienkörner - mit Hirschhorn, Ungarischem Gold, Perlen und dgl. mehr gemischt, fein verrieben und mit Wein zu einer Paste verrührt, aus der man kleine Küglein formt. Dann legt man die Kräuter und die Küglein in einem Krug und gießt darüber Malvasier - in der Neuzeit besonders bekannt und beliebt - und verschiedene Destillate, etwa Erdbeer=Wasser und Rosen=Wasser. Dann wird der Krug verschlossen und im Keller in Sand eingegraben; ein Monat ruht er nun - von Neumond bis zum nächsten Neumond. Dann wird die Brühe abgeseiht, die noch nicht aufgelösten Substanzen fein zerstoßen und mit der  Flüssigkeit vermischt. Die so gewonnene Lösung wird nun gebrannt. Das Destillat ist das „Carfunckel=Wasser“, das bei schwerer Krankheit zur Stärkung verabreicht wird. Die Dosis richtet sich nach der Schwere der Krankheit und dem Alter des Patienten: ein alter Mensch erhält zwei Löffel voll, ein junger nur einen Löffel. Es dient zur allgemeinen Stärkung und soll bei Fraisen, Schlaganfällen, Ohnmachten, Kopfschmerzen und Herzbeschwerden aller Art helfen. Auch Gebärenden und schwachen Säuglingen gibt es Kraft.
Foto: F. Röper


Falls Sie selbst in der „Georgica curiosa“ blättern wollen, ein Digitalisat finden Sie unter http://digital.bibliothek.uni-halle.de/hd/content/titleinfo/363108 auf der Homepage der Universitätsbibliothek in Halle.

Den nächsten Blog können Sie im Neuen Jahr - am 15. Jänner 2015 - lesen. Bis dahin geruhsame Feiertage, in denen Sie hoffentlich weder Arzneien oder Kräuter brauchen, wünschen Ihnen die Autorin und das Team des Landesmuseums Niederösterreich.

Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra

11. Dezember 2014

# 3 Pflaster, Salben, Ratafia …

In der Ausstellung zeigen wir u. a. auch das Rezeptbuch eines Baders oder Apothekers, das sich heute im Besitz der Landschaftsapotheke in Mistelbach befindet.
Auf dem ersten Blatt steht in schönster Schrift geschrieben:
 
„Sammlung verschiedener nützlicher Recepten“
und darunter die Jahreszahl „1645“.
 

Angenehm bei diesem Rezeptbuch ist die gut leserliche Schrift des Verfassers, oder war es vielleicht sogar eine Frau, die die Rezepte niedergeschrieben hat? Man könnte fast vermuten, dass es sich um eine „Reinschrift“ handelt, also eine Abschrift älterer Rezepte. Die einzelnen Seiten lassen auch keinen Unterschied in der Schrift erkennen. 
Auf den folgenden 154 Seiten stehen in bunter Mischung die unterschiedlichsten Rezepte für die verschiedensten Anwendungsgebiete. Da gibt es Rezepturen bei Frauenbeschwerden, zur Linderung des Hustens und natürlich auch zur Eindämmung von Fieberanfällen.
 

Mistelbacher Rezeptsammlung
Weichsel-Likör, Foto: thinkstock,
Soyhan Erim
Eine wichtige Aufgabe eines Apothekers in der Vergangenheit war auch die Zubereitung von Destillaten und Likören.
Eine dieser Likörsorten war der Ratafia:
Wie es zu diesem Namen kam, erklärt man in einem der heute noch wichtigen Produktionsgebiete in den Abruzzen so: Anlässlich von Abkommen oder Verträgen, die man schloss, stieß man nach der Unterzeichnung mit Likör auf das gelungene Geschäft an und sprach dabei: „Pax rata fiat“
(freie Übersetzung: "Der Friede sei bestätigt". Die heutigen Produkte, die unter dem Namen „Ratafia“ verkauft werden, sind vollmundige süßliche Liköre mit einem Alkoholgehalt unter 22 Volumprozent. In den Abruzzen wird er heute aus Amarena-Kirschen, Waldfrüchte, Montepulciano Rotwein, Zucker und natürlichen Aromen hergestellt. Die Zusammensetzung zählt zu den bestgehüteten Familiengeheimnissen.
 


In Katalonien wird er aus grünen Walnüssen und Kräutern hergestellt, die 40 Tage in einem Anisschnaps angesetzt werden. In Burgund und der Champagne wird der aus Traubenmost und Weinbrand hergestellt.
 

Weichselblüten, Foto: thinkstock, Anatolii Boida
Das im Mistelbacher Rezeptbuch enthaltene Rezept für Ratafia verwendet ebenfalls Weichseln:
Erstlich nim Weixeln, welche fein sauber von denen Stengeln gezupft seyn müßen, in eine große gläserne Flasche, die einen weiten Hals hat, und thue selbe nicht gar völlig anfüllen mit dem Weixeln, darnach nimt man geschälte bittere Mandeln 8 oder 12 Stück, nachdem die Flasche groß ist, und wirft dieselben gantz hinein, alsdann giese man den Kirschengeist darauf, doch nicht ganz voll, daß man alle Tage die Flaschen umschütteln kann, und muß also 4 Wochen an einen kühlen Ort aufbehalten werden, hernach nimt man einen feinen ausgeleiterten Zuker, und gießt denselben in eine Flasche, darnach man es süß haben will, den Ratafia gießt man durch einen Trüchter der mit Löchern ist, darauf. NB. Den wenn man den Zucker in den Ratafia will giesen, so bleibt er trüb, die Weixeln thut man hernach in ein Einmachglas, allzeit ein paar Lagen, darzwischen, aber einen fein gestosenen Zuker darauf gestreuet, und so viel Lagen bis das Glas voll ist, hernach gieß man einen Kirschengeist darauf, daß er über die Weixeln geht, alsdann kann man es also stehen lassen 2 auch 3 Jahre, so bleiben sie gut, sie müßen aber allzeit an einen kühlen Orte stehen. Wann man diese Weixeln will auf die Schale geben, so muß man dieselben aus den Kirschengeist herausnehmen, und gieß ein wenig geleiterten Zuker darauf, sonsten sind sie gar zu stark, den übrigen Kirschengeist kann man unter Ratafia auch wiederum untermischen.
Bis zum nächsten Mal.
 

Text: Elisabeth Vavra

4. Dezember 2014

# 2 Wie die Zunft der Bader entstand

Der Bader, Holzschnitt aus
"Eygentliche Beschreibung
aller Stände auff Erden hoher
und nidriger, geistlicher und
weltlicher, aller Künsten, Hand-
werken und Händeln... (Ständebuch,
mit Versen von Hans Sachs,
1568), Holzschnitt von Jost Amman
(1539 Zürich - 1591 Nürnberg)
Seit dem Spätmittelalter finden wir in Schriftquellen Nachrichten über Badstuben in Niederösterreich: Für 1285 wird eine in Klosterneuburg erwähnt, 1286 in St. Pölten, 1296 in Hainfeld und so fort. Die Badstuben waren meist im Besitz der Grundherren und wurden in Pacht vergeben. Haben sich solche Pachtverträge erhalten, so informieren sie uns häufig nicht nur über die Höhe der abzuliefernden Pacht, sondern erzählen uns auch von den Arbeiten des Baders.

Am 8. September 1470 schloss etwa der Abt des Stiftes Göttweig einen solchen Pachtvertrag mit dem Stiftsbader Hermann Sachs ab. Auf acht Jahre durfte dieser die Badstube in Furth übernehmen. Als Gegenleistung musste er im Konvent alle Arbeiten verrichten, die in das Arbeitsfeld eines Baders gehörten: Rasieren, Zurichten der Bäder und alles, „was sonst in seinem Handbereich fällt“. Schon damals gehörten dazu Aderlassen und Schröpfen, Behandlung von Wunden oder Verabreichen von Salben. Dafür erhielt er einen Jahressold von 5 Pfund Denare.
Dass der Vorgänger nicht gerade zu den Pflichteifrigsten gehörte, zeigt der in der Urkunde beschriebene Zustand der Badstube: Denn Hermann Sachs musste sich auch dazu verpflichten, die Badstube auf seine Kosten neu eindecken zu lassen. Er hatte die Zimmerleute zu verköstigen und die Nägel zu kaufen. Das Stift als Eigentümer sorgte für die Entlohnung der Handwerker und das nötige Holz. 
Im 16. Jahrhundert nahmen die Steuern, die auf den Grundbesitzern lasteten, als Folge der Türkeneinfälle immer mehr zu, und so mancher Grundherr sah sich gezwungen, die Badstube an die Gemeinde oder gleich direkt an den Bader zu verkaufen. Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts waren nahezu alle Badstuben in den Besitz der Bader übergegangen. In den Städten konnten sie nun das Bürgerrecht erwerben. Hand in Hand damit eröffnete sich ihnen die Möglichkeit, Zünfte zu bilden und sich so gegen ein Überangebot vor Ort zu schützen. Das Badergewerbe durfte nun nur mehr derjenige ausüben, der im Besitz eines Baderhauses mit Badstube war.

Zunftlade der Bader, vor 1777
Mistelbach, Stadt-Museumsarchiv
Wie bei den anderen Gewerben auch unterlagen die in Städten ansässigen Bader Zunftordnungen, die von der Obrigkeit erlassen und vom Landesherrn bestätigt werden mussten. Die älteste niederösterreichische Ordnung solcher Art hat sich als Abschrift im Stadtbuch von Wiener Neustadt erhalten. Sie wurde am 22. Jänner 1476 unterzeichnet. Die rund 25 Paragraphen umfassen in erster Linie Vorschriften, die den Lebenswandel betrafen. Wer diese Richtlinien übertrat, musste Bußgelder an die Zunftlade abliefern. Bemerkenswert ist, dass in dieser Ordnung ausdrücklich auch Frauen in ihrer Funktion als „Baderinnen“ und als „Dienerinnen“ in den Badstuben Erwähnung finden.
Ganz den Zeitgeist der Gegenreformation spiegelt die für Krems und Stein erlassene neue Baderordnung, die am 9. März 1633 von Kaiser Ferdinand II. unterzeichnet wurde. Die ersten Paragraphen befassen sich mit dem religiösen Leben der Zunftangehörigen und regeln die Teilnahme an der Messfeier. Die nächsten Abschnitte enthalten allgemeine Strafbestimmungen für die Zunftmitglieder und eine detaillierte Regelung der Ausbildung vom Lehrling bis zum Meister.

Aderlassschnepper
Retz, Museum im Bürgerspital
Das für Krems erhaltene Register der Baderzunft aus dem Jahr 1667 dokumentiert den weiten Geltungsbereich. Die Kremser Hauptlade war für das Viertel ober dem Manhartsberg (= Waldviertel) zuständig und umfasste zu dieser Zeit insgesamt 96 Ortschaften. Rechnet man zu den Meistern die in den Badstuben tätigen Gesellen sowie die nicht in der Zunft Inkorporierten hinzu, so kommt man immerhin auf etwa 150 Bader bzw. Wundärzte, die die Bevölkerung in der Region medizinisch betreuten. Die Kremser Hauptlade errichtete sog. Viertelladen in Horn, Waidhofen an der Thaya, Weiten und Zwettl. Im Viertel unter dem Manhartsberg (= Weinviertel) gab es sogar zwei Hauptladen, eine in Mistelbach und die andere in Ober-Hollabrunn. 1626 erhielt die Baderzunft in St. Pölten als Sitz der Hauptlade für das Viertel ober dem Wienerwald (= etwa das heutige Mostviertel) ihre Ordnung bestätigt. Für das Viertel unter dem  Wienerwald (= etwa das heutige Industrieviertel) ist zwar keine Baderordnung aus dieser Zeit erhalten; man kann aber wohl annehmen, dass der Sitz der Hauptlade in Wiener Neustadt war. 

Die Reformen Maria Theresias im Gesundheitswesen brachten auch Neuerungen für die Bader: 1746 wurden diese verpflichtet, sich nach ihrer Gesellenzeit an der Medizinischen Fakultät in Wien prüfen zu lassen. Ferner wurde ihnen verboten, Wein über die Gasse auszuschenken und Medikamente zu verkaufen. Man sieht daraus, dass sich das Verhältnis der „Gesundheitsberufen“ zueinander nicht immer reibungslos gestaltete. Bader lagen mit Apothekern im Streit, diese mit akademisch ausgebildeten Ärzten, welche wiederum mit Chirurgen und Wundärzten zankten – aber davon ein anderes Mal.
1773 wurde schließlich der Titel „Bader“ abgeschafft. Damit erlosch die Berufsbezeichnung für ein jahrhundertealtes Gewerbe, dem Hans Sachs 1568 folgende Verse gewidmet hatte:

„Wolher ins Bad Reich unde Arm
Das ist jetzund geheitzet warm
Mit wolschmacker Laug man euch wescht
Denn auff die Oberbanck euch setzt
Erschwitzt, denn werdt Ihr zwagn und gribn
Mit Lassn das ubrig Blut außtriebn
Denn mit dem Wannenbad erfreut
Darnach geschorn und abgefleht.“

In der kommenden Woche blättern wir im Rezeptbuch eines Baders in Mistelbach.

Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra

27. November 2014

Bader, Medicus, Primar #1


Im Rahmen der Geschichte-Sonderausstellung "Bader, Medicus, Primar - Gesundheitswesen in Niederösterreich" (http://www.landesmuseum.net/de/ausstellungen/sonderausstellungen/bader-medicus-primar) stellen wir wöchentlich einen interessanten Beitrag zum Thema vor. 


#1 Wie das Einhorn in die Apotheke kam


In Deutschland gibt es mehr als 100 Apotheken, die das magische Tier Einhorn im Namen führen. In barocken Klosterapotheken recken sie stolz ihre gedrehten Hörner in die Luft. Aber wer sind diese Tiere und warum finden sie sich in Apotheken?
 

Das Einhorn als geheimnisvolles Geschöpf  beschäftigt seit Jahrtausenden Geist und Gemüt des Menschen. Persische Künstler schufen schon im 2. Jahrtausend vor Christi kleine Skulpturen dieses Wesens. Ihr Körper ähnelt dem der Gazellen, aus ihrer Stirn sprießt ein gebogenes, geriffeltes Horn, vergleichbar dem eines Steinbocks. Siegel der Indus-Kultur zwischen 2300 und 1750 vor Christi zeigen einhornartige Tiere. Aus den Gebirgen Indiens kam die Mär vom Einhorn über die Texte der Bibel, über die Dichtungen und Schriften der Griechen und Römer, über dem nahen Orient nach Europa.
 

Einhorn © thinkstock, Marina Yakutsenya
Das Einhorn ist ein scheues und wildes Tier. Die Beschreibungen seiner Gestalt in den Quellen variieren: Bald ist das Tier groß wie ein Berg, bald klein und zierlich, dass es einer Dame als Schoßhündchen dienen konnte. Ähnlich vielfältig wie seine Gestalt ist auch seine Bedeutung, die ihm durch das Christentum zugeschrieben wird: Mal steht das Einhorn für das Böse, den Tod und den Teufel; bald steht das Fabeltier für Christus selbst,  für dessen Demut. Das Einhorn steht nicht nur für Keuschheit; genauso kann es Sinnbild der hemmungslosen Wollust sein. Daher diente sein pulverisiertes Horn auch als Aphrodisiakum.
Die erste frühchristliche Naturkunde, der „Physiologus“, beschreibt das Einhorn als „kleines Lebewesen, wie ein Böckchen, aber ganz außerordentlich leidenschaftlich.“ Es lässt sich nur durch eine Methode fangen: „Eine reine Jungfrau, fein herausgeputzt, werfen sie [die Jäger] vor es hin, und es springt in ihren Schoß; und die Jungfrau säugt das Lebewesen und bringt es in den Palast zum König.“

Ktesias von Knidos, der griechische Arzt und Megasthenes, der griechische Diplomat, berichteten bereits von der Heilkraft des Horns des Einhorns; Es vertreibe Gifte und heile Krankheiten. Später erzählte der Physiologos über dessen wundersame Wirkung: Kommt das Einhorn zu einer vergifteten Quelle, dann bewegt es sein Horn in Kreuzesform über das Wasser und schon wird die Quelle trinkbar.

Ausstellungseinblick "Bader, Medicus, Primar"
Foto: H. Lackinger, Einhornkopf mit Narwalzahn,
Zwettl 17. Jh. (Stift Zwettl, Stiftsammlung)
Auch Hildegard von Bingen (1098-1179), die große mittelalterliche Gelehrte, nutzte in ihren Rezepten die Heilkraft des Einhorns; allerdings verwendete sie dessen Leber und mischte daraus eine Salbe, die Aussatz heilen sollte. Einen Gürtel aus Einhornleder empfahl sie zur Abwehr von Krankheiten. Den Huf des Einhorns pries sie als Mittel, um mögliches Gift in Speisen und Getränken anzuzeigen: „Sind Speise und Trank vergiftet und sind sie warm, so lässt der Huf sie in dem Gefäß wallen, sind sie kalt, so lässt er sie dampfen. So kann man erkennen, dass sie vergiftet sind.“
Die ersten Hörner dieses geheimnisvollen Tieres kamen zu Beginn des 13. Jahrhunderts über die Handelsrouten aus dem Osten nun tatsächlich nach Europa. Es wurde durch Jahrhunderte zu einem kostbaren Gut, dessen Besitz Fürsten und Reichen vorbehalten blieb. Vorsichtig kratzte man von den gedrehten Hörnern Substanz ab, und mischte dieses Pulver in Salben, Pillen oder Heiltränke. Es sollte bei Vergiftungen helfen, bei Fieber, Pest oder Kinderkrankheiten. Aus Einhorn gefertigte Becher oder Besteck mit Einhorngriffen sollten den Benutzer vor Vergiftung bewahren. 


Ein-Pfund-Münze mit Einhorn rechts,
© thinkstock, Ken Drysdale

In den Inventaren der Reichen und Mächtigen wurden Einhörner und deren Wert vermerkt: 10.000 Pfund war ein solches wert, das 1558 im Inventar der englischen Königin Elizabeth I. verzeichnet wurde. Vier solcher kostbarer Stücke befanden sich im Besitz der Bayreuther Hohenzollern. In Dresden bewahrte man eines im Wert von 100.000 Talern auf. Wurde zu medizinischen Zwecken Pulver abgeschabt oder gar ein Ring davon abgeschnitten, musste immer ein Beauftragter des Fürsten die Aktion überwachen. Selbst Martin Luther nahm auf dem Totenbett noch ein Getränk aus Wein mit Pulver vom Einhorn vermischt als Arznei zu sich. Der hohe Preis und die große Nachfrage riefen natürlich auch die Fälscher auf den Plan, die Kiesel und Kalk fein pulverisierten, mit Seife mischten und als „Einhorn“ verkauften. Auch ein solcher Brei oder Teig begann zu schäumen, kam er mit Flüssigkeit in Berührung.


Ausstellungseinblick "Bader, Medicus, Primar" Foto: F. Röper
Einhornkopf mit Narwalzahn, Zwettl 17. Jh. (Stift Zwettl, Stiftsammlung)
Im 16. Jahrhundert gelangten die Einhörner in die städtischen Apotheken: So führte etwa der Freiburger Arzt und Apotheker Dr. Joachim Schiller das Einhorn in seinem Wappen und ließ es als Relief auf seinem Haus anbringen. Abraham a Santa Clara erwähnte in seinen Predigten eine Apotheke „Zum weißen Einhorn“. Hörner wurden auf Pferdeköpfe montiert und in städtischen oder klösterlichen Apotheken stolz präsentiert.
Narwal © thinkstock, Andreas Meyer
Die Existenz der Einhörner wurde aber nicht von allen als gegeben hingenommen. Nach frühen Zweiflern im Mittelalter nahm die Zahl derer im 16. Jahrhundert weiter zu. Der Streit wurde schriftlich und mündlich von den Kathedern der Hochschulen ausgetragen. Durch den vermehrten Handel mit Grönland und Spitzbergen im 17. Jahrhundert kamen die wunderlich geformten Hörner in immer größerer Zahl nach Europa, stammten sie doch vom Narwal, der im gesamten arktischen Ozean verbreitet war und dessen Stoßzähne an die Küsten der angrenzenden Ländern gespült wurden.
 

Verwendete Literatur: Rüdiger Robert Beer, Einhorn. Fabelwelt und Wirklichkeit, München 1972.
Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra

18. November 2014

ZEIT KUNST NIEDERÖSTERREICH ST. PÖLTEN

K.U.SCH. EINE THEMENPALETTE

bis 22/02/2015

Katalog K.U.SCH.
Sonntag, der 9. November 2014, stand ganz im Zeichen eines umfangreichen und gut besuchten Rahmenprogrammes zur aktuellen Ausstellung der Zeit Kunst Niederösterreich "K.U.SCH. Eine Themenpalette", die in der Shedhalle St. Pölten noch bis 22. Februar 2015 zu sehen ist.
Zunächst präsentierte Alexandra Schantl, die künstlerische Leiterin der Zeit Kunst Niederösterreich, die von ihr herausgegebene, reich bebilderte und im Kerber Verlag erschienene Monografie "K.U.SCH. Renate Krätschmer und Jörg Schwarzenberger", die mit 312 Seiten einen umfassenden Einblick in das vielfältige Schaffen des Künstlerpaares gewährt. Weitere Beiträge von Hartwig Knack, Wolfgang Müller-Funk, Christian Reder, Dieter Ronte, Peter Zawrel, Linda Christanell, Renald Deppe und Bodo Hell laden zur tiefergehenden Reflexion über die in der Ausstellung erörterten Themenkreise wie Bildmagie, Verschlüsselung und Entschlüsselung, Gesellschafts- und Konsumkritik ein. Mit seiner Behandlung von Kunst im öffentlichen Raum geht der Text von Katharina Blaas-Pratscher über das in der Ausstellung Gezeigte hinaus.

Ausstellungsansicht, Shedhalle, St. Pölten, 2014
© Bildrecht, Wien 2014. Foto: Christoph Fuchs

Auch wenn der im Dezember 2013 verstorbene Jörg Schwarzenberger die Realisierung der lange geplanten Ausstellung und Publikation nicht mehr miterleben konnte, so ist doch sein schöpferischer Geist in beidem spürbar, zumal sich Renate Krätschmer und ihr Mann dazu entschieden haben, ihr Leben in den Dienst eines gemeinsamen künstlerischen Werkes zu stellen und ab 1972 konsequenterweise nur noch unter dem Namen K.U.SCH. (für Krätschmer Und Schwarzenberger) aufzutreten, was einen revolutionären Anspruch darstellte. Anwesend in der Shedhalle St. Pölten waren Renate Krätschmer und Sito Schwarzenberger, der gemeinsame Sohn des 1943 geborenen Künstlerpaares, der sich K.U.SCH. im Jahr 2006 anschloss und mit Arbeiten aus dem Bereich Grafik-Design und Visuals in der Ausstellung vertreten ist, sowie der Dichter Bodo Hell und die Filmemacherin Linda Christanell, beides künstlerische Weggefährten von K.U.SCH.

K.U.SCH., Kugelbecken mit Wandbord, 1970,
Ausstellungsansicht, Shedhalle, St. Pölten, 2014
© Landessammlungen Niederösterreich.
Bildrecht, Wien 2014. Foto: Christoph Fuchs
Im anschließenden Ausstellungsrundgang spannte Alexandra Schantl im Dialog mit Hartwig Knack, dem Kurator der Schau, den Bogen von den Anfängen von K.U.SCH. in der geometrischen Abstraktion der späten 60er- und frühen 70er Jahre über spielerische Objekte wie das Kugelbecken mit Wandbord hin zu einem höhenverstellbaren Altartisch für die Studentenhauskapelle in Graz. In diesem Zusammenhang betonte Hartwig Knack die Affinität von K.U.SCH. zum Gesamtkunstwerk, zur gegenseitigen Durchdringung und schließlich Verschmelzung von Kunst und Leben. Dies schlägt sich auch in der Biografie von K.U.SCH. nieder, die das Jahrzehnt von 1978 bis 1988 auf dem Strohhof in Kirnberg bei Melk verbrachten, wo sie die Idee eines naturnahen Lebens verwirklichen wollten. Ein Jahr zuvor gründeten sie den "Zirkus der Kurpfuscher", ein experimentelles Forum für Performances, das sie 1988 zum Prozessionstheater weiterentwickelten. In diesem Prozessionstheater gibt es "Manns- und Weibsschilde", denn K.U.SCH. übertragen Geschlechtlichkeit auch auf die Dingwelt, wie sie mit ihrer 1980 entworfenen "Busenbürste" zeigen. Das Automobil ist Symbol männlicher Potenz und zugleich Fetisch einer Konsumgesellschaft, die kriegerische Elemente in sich trägt, was im "Konsumkampfwagen" von 1999 deutlich wird. Dieser Einkaufswagen wird durch eine Sense, die auf ihm montiert ist, zum Kampfmobil.

Ausstellungsansicht, Shedhalle, St. Pölten, 2014
© Bildrecht, Wien 2014. Foto: Christoph Fuchs
Als Abschluss des Rahmenprogrammes wurde im Museumskino des Landesmuseums eine Auswahl von experimentellen 8-mm-Filmen von K.U.SCH. gezeigt. Der erste Film aus den Jahren 1968 bis 1971 mit dem Titel "R10" ist ein so genannter Materialfilm, bei dem auf Blankfilm bunt gemalt und Schwarzfilm ausgekratzt wird und sich somit das visuelle Material zu einer abstrakten Komposition verwebt. Schmutz, Kratzer und Klebestellen, die sonst retuschiert werden, bleiben hier sichtbar. Der zweite Film aus dem Jahr 1974 trägt den Titel "Rom - ein Tanzboden" und nimmt auf eine Installation im Österreichischen Kulturforum in Rom Bezug, bei der knapp über dem Boden dünne Drähte mit Fähnchen und Glöckchen daran montiert werden und der Rhythmus der sich darauf bewegenden Menschen festgehalten wird. Der Takt ihrer Bewegungen überträgt sich auf die ganze Stadt Rom und ihre Bewohner, insbesondere die Uniformierten wie Polizisten, Schweizergardisten, Priester und Nonnen. Im Zeitraffer erscheinen all ihre Schritte wie ein Tanz. Diese beiden Filme sind auch in der Ausstellung zu sehen. Der dritte Film mit dem Titel "Berührungen / Szenen zur Bezüglichkeit der Berührung / signalsprachliche assoziationen" aus den Jahren 1974/75 entstand gemeinsam mit Linda Christanell. In diesem Film werden Alltagsdinge mit Kunstobjekten in Verbindung gebracht und so die unterschiedlichsten Formen sinnlicher Berührungen spürbar gemacht.
Ausstellungsansicht, Shedhalle, St. Pölten, 2014
© Bildrecht, Wien 2014. Foto: Christoph Fuchs
Von der zeitlosen Aktualität der mit feiner Ironie behandelten Fragestellungen, die K.U.SCH. in ihrer Themenpalette vorbringen, kann sich der Besucher sowohl in der Ausstellung als auch durch die Monografie und das filmische Schaffen dieses außergewöhnlichen Künstlerpaares überzeugen.

Text: MMag. Ursula Düriegl

Ausstellungsort: Landesmuseum Niederösterreich, Shedhalle, Kulturbezirk 5, 3100 St. Pölten, Öffnungszeiten: Di.- So. 9.00 – 17.00 Uhr, http://www.zeitkunstnoe.at/de/st.-poelten/ausstellungen/k.u.sch

14. November 2014

Mahlerische Reise von Wien nach Maria Zell

Aus Sicht der Konservierung & Restaurierung


Ausstellungsansicht "Malerische Wallfahrt nach Mariazell
in Aquarellen von Eduard Gurk", Foto: G. Lechner
Titelgebendes Werk der Ausstellung ist das Mappenwerk „Mahlerische Reise von Wien nach Maria Zell“ von Eduard Gurk. Es besteht aus 40 Aquarellen und einem Titelblatt im Format 32,5 cm x 42,5 cm.
Die jeweils dargestellte Landschaftsszene ist umrandet durch einen aquarellierten Rahmen. Unter jeder Abbildung befindet sich mittig der Titel und in der rechten unteren Ecke die Nummerierung.

Die Aquarelle sind auf Velinpapier, d.h. auf Papier mit ebenmäßiger Oberfläche und gleichmäßiger Durchsicht ohne Siebstruktur ausgeführt. Eine durch Rippen und Stege unruhig erscheinende Oberfläche wie die von Büttenpapieren hätte den Eindruck der feinen Aquarellmalerei gestört. Die Qualität der Blätter ist nicht gleichmäßig, was sich anhand der variierenden Farbtöne erkennen lässt. Die Qualitätsunterschiede sind teilweise durch die unterschiedliche Herkunft der Papiere erklärbar. Anhand von Wasserzeichen, die am Rand einiger Blätter erkennbar sind, konnten zwei bekannte Hersteller identifiziert werden: C & I HONIG, eine niederländische Papiermühle und J. WHATMAN-aus England. Die Werke wurden, vermutlich zur Verstärkung, auf ein weiteres Velinpapier aufkaschiert. Dieses Kaschierpapier scheint von minderer Qualität, was z.B. die Verbräunung dieses Papiers vermuten lässt. Bei einigen Aquarellen drücken sich Pinselspuren und Einschlüsse des Kaschiervorgangs durch. Fehlstellen in den Blättern 38 und 39 ermöglichen einen Blick auf den Klebstoff des Kaschierens – vermutlich handelt es sich dabei um Glutinleim, einen, aus Tierknochen hergestellten, Leim.

Mariazell © Land Niederösterreich,
Landessammlung Niederösterreich, Eduard Gurk, 1833

Unter der Darstellung und Beschriftung sind Vorzeichnungen und Hilfslinien aus Graphit erkennbar. In den Ecken des Rahmens befinden sich Einstichlöcher von Konstruktionshilfen während des Malprozesses. Malmittel ist Aquarellfarbe, die lasierend bis deckend aufgetragen wurde. Die Palette ist umfangreich. Vereinzelt wurde Bleiweiß eingesetzt, um Weißhöhungen durchzuführen. Partiell wurde mit Firnis, vermutlich ein pflanzlicher Gummi oder Eiklar, zur Akzentuierung bestimmter Bereiche gearbeitet. Der Titel und die Nummerierung jedes Blattes sowie einzelne Elemente des Rahmens sind mit goldfarbener, kupferhaltiger Tusche ausgeführt.
Restauratorische Bearbeitung:
Die Blätter zeigten insgesamt wenige Schäden, so dass für die Ausstellung lediglich minimale restauratorische Eingriffe notwendig waren. Folgendes waren die Schäden und die durchgeführten Maßnahmen:
  • Die Blätter waren sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite teilweise verschmutzt, d.h. sie wiesen Staubablagerungen, Griffspuren und Flecken auf. Locker aufliegender Schmutz wurde mit speziellen, weichen und sehr schmutzaufnahmefähigen Reinigungsschwämmen aus vulkanisiertem Kautschuk und PU-Schaum trocken abgenommen. Bemalte und beschriftete Partien wurden dabei ausgelassen, um die Darstellung nicht zu gefährden. Hartnäckigere aufsitzende Verschmutzungen wurden mit einem etwas härteren Spezialradiergummi entfernt. Die Reinigungsschwämme und -radierer sind darauf getestet, dass sie die empfindliche Papieroberfläche nicht beschädigen und auch keine Rückstände hinterlassen, die negativen Einfluss auf das Kunstwerk haben könnten.
Reinigen © Konservierung & Restaurierung,
Landessammlung Niederösterreich
  • Da die Blätter im Laufe ihrer Geschichte bereits öfter gezeigt wurden, fanden sich auf der Rückseite zahlreiche alte Montagereste aus verschiedenen, meist minderwertigen Papieren und verschiedenen Klebstoffen. Da solche Montagereste zu Verfärbungen führen können und außerdem bereits Verformungen hervorgerufen hatten, wurden sie entfernt. Die Abnahme erfolgte mit Methylcellulose, einer modifizierten Stärke, die als Verdickungsmittel z.B. auch in Speiseeis oder Mayonnaise Anwendung findet. In der Papierrestaurierung wird Methylcellulose gerne als Kompresse in Form eines Gels genutzt. Wasserlösliche Klebstoffe können dadurch angeweicht werden, ohne dass das Objekt „nass“ gemacht werden muss. Durch direkten Wasserauftrag könnten z.B. Wasserränder und Verformungen entstehen. Das Methylcellulosegel wird mit dem Pinsel aufgetragen, weicht ein und – je nach Papier und Klebstoff – 5 bis 30 Minuten später können Klebstoff und Papier idealerweise rückstandsfrei entfernt werden.

  • Wenige der Gurk-Blätter wiesen kleinere Risse an den Blattkanten auf. Diese wurden mit Weizenstärkekleister und einem dünnen Japanpapier (11 g/m²) gesichert. Japanpapier wird aus den langen Fasern des Maulbeerbaumes hergestellt und ist dadurch auch mit geringer Grammatur extrem reißfest und stabil. Zum Vergleich: Schreibmaschinenpapier hat eine Grammatur von 80 g/m².
Protokollieren © Konservierung & Restaurierung,
Landessammlung Niederösterreich
Die an den einzelnen Blättern durchgeführten Maßnahmen und verwendeten Materialien wurden schriftlich in der Museumsdatenbank festgehalten, so dass sie zu einem späteren Zeitpunkt nachvollzogen werden können.
Nach der konservatorischen Bearbeitung wurden die Werke in Passepartouts montiert. Diese wurden aus Karton gefertigt, der nach DIN-ISO 9706 säure- und ligninfrei, mit alkalischer Reserve versehen und alterungsbeständig ist. Dadurch wird gewährleistet, dass keine schädigenden Substanzen aus dem Karton auswandern und die Aquarelle schädigen, z.B. Verfärbungen verursachen, könnten.
Anschließend  erfolgte das Protokollieren der Werke. Dies ist wichtig, um den Zustand der Werke vor dem Transport und der Ausstellung zu dokumentieren. Mit Hilfe eines Fotos werden Schäden kartiert, wie z.B. Flecken, Fingerabdrücke, Risse, Kratzer in der Oberfläche etc. Einstichlöcher in den Ecken zur Konstruktionshilfe der aquarellierten Rahmen werden nicht als Schaden protokolliert.
Die Rahmung erfolgte nach dem Protokollieren. Die Rahmen sind mit UV-Schutzglas versehen. Dadurch können UV-Strahlen, die durch ihre Kurzwelligkeit besonders schädlich für die Zellulose des Papiers sowie die Bindemittel und Pigmente bzw. Farbstoffe sind, weitestgehend herausgefiltert werden. Wie auch beim Passepartout wurde auch bei den Rahmen auf emissionsfreie (also möglichst schadstofffreie) Materialien geachtet. So besteht die Rückwand nicht wie meist üblich aus Hartfaserplatten (diese sondern das Papier schädigende Säuren ab), sondern aus inerten Aluminiumverbundplatten.

Rahmen © Konservierung & Restaurierung,
Landessammlung Niederösterreich

Transport und Aufbau:

Die gerahmten Aquarelle wurden vor dem Transport so verpackt, dass sie vor klimatischen Einflüssen und Schwankungen sowie auch weitestgehend gegen Stöße gesichert sind. Schutz vor klimatischen Einflüssen ist auch bei kurzen Transporten wichtig. Der Schutz wird durch die Verwendung von Kombinationen aus Luftpolsterfolie, Kunststoffplatten und Kartonagen bzw. durch die Verwendung von Klimakisten erreicht. Der Transport selbst erfolgt mit beheizbaren LKWs.
Nach ein paar Tagen Akklimatisierungszeit wurden die Werke ausgepackt. Die Wartezeit von mindestens 24 Stunden ist nötig, da es durch plötzliche Temperaturänderungen ansonsten z.B. zur Bildung von Kondenswasser im Rahmen kommen könnte.
Der Ausstellungsaufbau erfolgte mit der Unterstützung eines professionellen Aufbauteams, ebenso das Einleuchten. Die Lichtstärke beträgt maximal 50 Lux, ein international etablierter Wert für empfindliche Grafik wie Aquarelle. Durch Spots wird das Licht so auf die Werke gelenkt, dass sie trotz relativ geringer Helligkeit perfekt zur Geltung kommen (an einem nebligen Herbsttag beträgt die Lichtstärke mittags ca. 700 Lux).
Im Museum wurden die Werke erneut protokolliert, um Transportschäden ausschließen zu können. Außerdem wurden die tatsächlich jedes Werk erreichenden Werte der Lichtstärke notiert und in einer Art Tagebuch festgehalten. Somit liefern die Protokolle wertvolle Informationen für zukünftige Ausstellungen.


Ausstellungsansicht "Malerische Wallfahrt nach Mariazell
in Aquarellen von Eduard Gurk", Foto: G. Lechner

Ausstellungsansicht "Malerische Wallfahrt nach Mariazell
in Aquarellen von Eduard Gurk", Foto: G. Lechner


Text: Dipl.-Rest.(Univ.) Franziska Butze Rios

Das Team der Konservierung & Restaurierung
(Kunstsammlung der Landessammlungen Niederösterreich):
Dipl.-Rest. (Univ.) Franziska Butze-Rios, Restauratorin für Kunst auf Papier, Fotografie und Digitale Medien
Dipl.-Rest. (Univ.) Christina Schaaf-Fundneider, Restauratorin für Gemälde und Präventive Konservierung
Mag. Christa Scheiblauer, Restauratorin für Gemälde und Präventive Konservierung (derzeit in Karenz)
Martin Sellner, Art Handling und Facility Management
Huberta Trois, Restauratorin für Historische Rahmen und Art Handling
Mag. Eleonora Weixelbaumer, Restauratorin für dreidimensionale Objekte

12. November 2014

Die Mispel (Asperl) - ein altes, beinahe vergessenes Obst

Asperl im Museumsgarten, Foto: M. Schaar

Die Mispel bildete viele Jahrhunderte lang einen selbstverständlichen Bestandteil in den heimischen Gärten. Heute kennt kaum noch jemand ihre wohlschmeckenden Früchte. Dabei ist die Mispel ein in vielerlei Hinsicht gewinnbringendes Gehölz. Ihr Erscheinungsbild – allem voran die formschönen Blätter und die ungewöhnlich großen Blüten – macht sie zu einer ausgesprochen attraktiven Zierpflanze. Und auch obstbaulich bietet die Mispel interessante Aspekte. Ihre markanten Früchte sind gesund und vielseitig verwendbar. Die Erträge setzen früh ein und sind reichlich.


Orientalische Schönheit in unseren Bauerngärten

Die Mispel trägt ihren wissenschaftlichen Artnamen Mespilus germanica zu Unrecht. Denn sie ist in Wahrheit kein „germanisches“ Gehölz. Woher der sommergrüne, kleine Baum ursprünglich kommt, ist nicht mit Sicherheit geklärt. Doch vermutlich stammt die Mispel aus Vorderasien, wo sie bereits vor rund 3.000 Jahren kultiviert wurde. Die Römer brachten sie nach West- und Mitteleuropa, wo die Mispel lange Zeit ein bedeutender Fruchtbaum in Kloster- und Bauerngärten war. Noch vor rund hundert Jahren waren die Früchte der Mispel in unseren Breiten ausgesprochen beliebt. In den letzten Jahrzehnten jedoch geriet die vielseitig verwendbare Pflanze mehr und mehr in Vergessenheit. So gilt die Mispel inzwischen als stark gefährdet und ihre Reliktvorkommen als besonders schützenswert. Mittlerweile erlebt das attraktive Gehölz glücklicher Weise eine (wenn auch stille) Renaissance: Mispeln finden vermehrt wieder Einzug in die heimischen Gärten und immer öfter werden die unverwechselbaren Früchte heute auch auf Märkten angeboten.


Hübsch und pflegeleicht

Mispeln sind recht anspruchslose Gehölze und dazu kaum anfällig gegenüber Krankheiten und Schädlingsbefall. Die kleinen Bäume oder Sträucher erreichen eine Wuchshöhe von maximal 6 Metern und eignen sich daher auch für kleinere Gärten bestens. Ihre ausladende Krone ist breit und besteht aus wenigen, kräftigen Ästen. Der Stamm wie auch die Äste neigen zur Krummwüchsigkeit. Und da Mispeln zu den am langsamsten wachsenden Obstgehölzen zählen, ist ihr Holz entsprechend hart. Während wilde Mispeln Dornen ausbilden, fehlen diese bei den Kultursorten. Die Rinde ist braun-rot, anfangs glatt und später tief rissig. Die länglich ovalen Blätter werden bis zu 15 cm lang und besitzen einen sehr kurzen Stiel. Sie sind an der Oberseite dunkelgrün, an der Unterseite etwas heller und filzig behaart. Im Herbst verfärben sie sich gelb bis gelb-orange. Besonders hübsch sind auch die auffallenden, sehr großen Blüten der Mispel, die Ende Mai bis Anfang Juni ausgebildet werden, und die einzeln (selten auch zu zweit) am Ende von Kurztrieben stehen. In ihrem Aussehen erinnern sie an Apfelblüten, denn genau wie der Apfel zählt auch die Mispel zur Familie der Rosengewächse. Allerdings werden die fünf rundlichen, weißen Kronblätter von langen, schmalen Kelchblättern überragt. Diese Kelchblätter bleiben bis zur Fruchtreife erhalten und verleihen den Früchten ihr, charakteristisches „bekröntes“ Erscheinungsbild.

Wohlschmeckende Winterfrucht

Asperl im Museumsgarten, Foto: M. Schaar
Die exotisch anmutenden, kugeligen Früchte der Mispel sind in Österreich eher unter dem Namen „Asperln“ bekannt. Sie ähneln kleinen Äpfeln mit einer rauen Schale. Typisch ist die Einkerbung an der Spitze (die sogenannte Kelchgrube), die von den fünf Kelchblättern gesäumt wird. Die Früchte sind zunächst gelblich grün und färben sich bei Reife bräunlich. Allerdings sind sie zu diesem Zeitpunkt – etwa Ende Oktober – noch steinhart und ausgesprochen schlechtschmeckend. Denn Mispeln sind die einzigen Früchte, die man bei uns erst im Winter genießen kann: Erst nach dem Einwirken der ersten Fröste wird das Fruchtfleisch der Mispel weich und teigig, und der hohe Gerbstoffgehalt nimmt ab. Die Früchte schmecken dann nicht mehr adstringierend, sondern angenehm säuerlich. Wer nicht auf den ersten Frost warten will, kann die Mispeln auch für einige Stunden ins Gefrierfach legen und dann wieder auftauen lassen!

Marmelade, Schnaps und Medizin

Objekt des Monats November
Foto: F. Röper
Die Früchte der Mispel kann man entweder roh verzehren (Vorsicht wegen der großen, harten Kerne!) oder verarbeiten. Ihr musartiges Fruchtfleisch eignet sich zum Beispiel zur Herstellung von Püree, Kompott oder Konfitüre. Besonderes in der Kombination mit Apfel, Hagebutte oder anderen Wildfrüchten entfalten Mispeln ihr typisches Aroma. Mispeln können außerdem zu Säften und Likören verarbeitet werden. Früher setzte man sie gerne dem Apfel- und Birnenmost zu, um dessen Haltbarkeit durch den hohen Gerbstoffgehalt der Mispel zu verbessern. Doch dienten die Früchte der Mispel lange Zeit nicht nur als Nahrungs-, sondern auch als Heilmittel. In der Volksheilkunde wurden sie gegen Entzündungen der Nieren und Harnwege eingesetzt, außerdem bei Magen- und Darmstörungen. Und tatsächlich sind Mispeln entzündungshemmend, harntreibend und enthalten viel Vitamin C. Hildegard von Bingen empfiehlt Mispeln Kranken wie Gesunden gleichermaßen, da sie den Muskelaufbau fördern und das Blut reinigen.

Text von der Biologin: Dr. Andrea Benedetter-Herramhof

Ein weiterer Text zum Asperl von Beate Steiner ist hier zu finden: http://landesmuseum.blogspot.co.at/2014/11/asperl.html

Das Objekt des Monats November ist das Asperl: http://www.landesmuseum.net/de/kulturvermittlung/individualbesucher/objekt-des-monats/Asperl

2. November 2014

Asperl

Mespilus Germanica

Mispel, Aschperl, Eschpal, Eschperl, Hundsärsch

Asperl im Museumsgarten, Foto: M. Schaar
Die allerletzte Ernte des Jahres steht im Obstgarten an, wenn die Mispeln bronze-glänzend auf den kahlen Ästen hängen, nachdem bereits die ersten Fröste den Winter angekündigt hatten.
Eigentlich schade, dass nur mehr wenige der sehr attraktiven Mispel-Gehölze heutzutage noch in den Gärten, wie etwa dem Landesmuseumsgarten, zu finden sind (nein, die Zweige, die zu Weihnachten dekorativ herumhängen und unter denen gerne geküsst wird, sind keine Mispeln, sondern Misteln).
Im Mittelalter,  da waren Mispeln beliebte Obstbäume in Kloster- und Bauerngärten, jetzt wissen nur mehr wenige Interessierte, was denn das für bizarren Früchte sind, die fallweise ab Ende Oktober auf Märkten angeboten werden und wie köstlich diese schmecken. Allerdings ohne  die ledrige behaarte Schale und erst, wenn sie bereits gefroren waren. Dann wird das Fruchtfleisch weich und angenehm süß-säuerlich. Man kann es einfach aus den goldbraunen Schalen zuzeln, oder aber zu Marmelade, Gelee, Likör und Schnaps verarbeiten. Oder zu Asperl-Käse. Oder wie Schlosserbuben backen. Früher wurden Mispeln gern anderen Fruchtaufstrichen beigemischt, weil die Marmelade dank des hohen Pektin-Gehalts der Asperl besonders gut gelierte.


Asperl als Volksmedizin

Mispeln schmecken aber nicht nur fein, sie sind auch sehr gesund. Seefahrer haben sie schon vor langer Zeit wegen ihres hohen Vitamin-C-Gehalts gegen Skorbut eingesetzt. Hildegard von Bingen empfahl den Verzehr von Asperln zur Blutreinigung, ihr hoher Gehalt an Gerbstoffen macht den Verzehr harntreibend und verdauungsfördernd.
Die entzündungshemmende Wirkung der Mispel wird auch heute noch genutzt, etwa bei Nieren und Harnwegsentzündungen oder Gastritis und Morbus Crohn.
Außerdem verlangsamt der Genuss von Asperln Verkalkungsprozesse und kann deshalb Arterienverkalkung vorbeugen.
Und die Volksmedizin weiß: Gurgeln mit einem Absud aus Mispel-Blättern hilft bei Mandelentzündungen und Entzündungen in der Mundhöhle.


Mispeln als Ziergewächs

Asperl, Foto: M. Schaar
Mispeln sind das ganze Jahr über attraktiv, auch für kleinere Gärten. Der Mispelbaum stammt ursprünglich aus Klein- und Mittelasien. Er gehört wie die meisten heimischen Obstarten zu den Rosengewächsen. Wilde Mispeln sind spärlich mit Dornen bewehrt, unsere kultivierten Gartensorten sind aber dornenlos, baum- oder strauchartig, bis zu sechs Meter hoch und lieben sonnige Plätze.
Mispelgehölze bilden große, breite Kronen mit prächtigem, grünem Laubwerk. Zwischen den zungenförmigen Blättern lugen im späten Frühjahr weiß-rosa Blüten hervor. Gegen Ende Oktober werden dann die exotisch anmutenden kelchförmigen Früchte reif. Sie ähneln rauschaligen Äpfeln, haben aber am unteren Ende eine Öffnung mit mindestens vier abstehenden Fasern. Asperln sind botanisch gesehen Scheinfrüchte, sogenannte Sammelnussfrüchte mit zwei bis fünf rötlichen Kernen. Die Früchte hängen über den Laubfall hinaus an den Triebenden. Ihre ledrige, behaarte Schale färbt sich gelb bis orange-braun. Die Mispeln sind zu diesem Zeitpunkt aber noch steinhart und schmecken wegen ihres hohen Gerbsäuregehalts sehr herb. Der Gerbstoff in der Rinde und in den Blättern ist übrigens so hoch, dass diese früher zum Gerben verwendet wurden.

Ein Tipp: Wer mit der Ernte der Asperl nicht warten will, bis die Temperaturen unter Null sinken, legt die Früchte für vier Stunden ins Tiefkühlfach – nach dem Auftauen sind sie weich, duften nach Most und können weiterverarbeitet werden.
Auch die heimische Tierwelt liebt Mispeln, etwa als Brutgehölz. Amsel, Ringeltaube und Kernbeißer mögen die Früchte. Wespen und Bienen umschwirren im Frühjahr die pollenreichen Blüten.

Mispel-Rezepte

Mispeln werden zu feinem Schnaps gebrannt, zu Marmeladen verkocht, aber auch zu
Asperlkäse
Die reifen, weichen Früchte ausdrücken, das Mus durch ein feines Sieb streichen. Für ein Kilo Fruchtbrei drei Viertel Kilo Zucker dazurühren, zu einem festen Brei kochen. In flache Gefäße füllen, erkalten lassen. Schmeckt als Naschwerk zwischendurch oder fruchtiges Beiwerk zu Wildgerichten.


Gebackene Mispeln
Entkernte, gehäutete Früchte mit einem Sud aus Weißwein, Zucker, Gewürznelken, Sternanis, Vanille, Zimt und Ingwer übergießen, zehn Minuten im Rohr dünsten, über Nacht im Sud erkalten lassen. Abtropfen, mit einer Mischung aus Mandeln, Nüssen, Pistazien und Marmelade füllen, Öffnung mit Marzipan verschließen. Bis zur Weiterverwendung einfrieren. Dann durch einen Weinteig ziehen und frittieren.


Text von der Journalistin Beate Steiner

Objekt des Monats November, Foto: F. Röper
Quellen: www.heckipedia.at
www.hortipendium.de
www.heilkraeuter.de

Ein weiterer Text zur Mispel/Asperl von Andrea Benedetter-Herramhof ist hier zu finden: http://landesmuseum.blogspot.co.at/2014/11/die-mispel-asperl-ein-altes-beinahe.html

Das Objekt des Monats November 2014 ist das Asperl: http://www.landesmuseum.net/de/kulturvermittlung/individualbesucher/objekt-des-monats/Asperl

22. Oktober 2014

Pilgern mit Eduard Gurk

Eine Spurensuche im Biedermeier


Was mag wohl Eduard Gurk (1801-1841), der Biedermeiermaler, empfunden haben, als er 1833 im Gefolge Erzherzog Ferdinands wallfahrten ging und die „mahlerische Reise von Wien nach Maria Zell in Steyermark“ in 40 Aquarellen festhielt, „aufgenommen nach der Natur“? Wir wissen es nicht. Die Fotografie steckte noch in sehr kleinen Kinderschuhen, so wurde ein malender Chronist als Hofberichterstatter engagiert. Heute wäre vermutlich ein Seitenblicke-Team mit Kamera fixer Bestandteil eines solchen Ausflugs mit prominenten Teilnehmern.
Gut 180 Jahre später machte sich das Team Öffentlichkeitsarbeit & Kommunikation des Landesmuseums, also Monika Schaar-Willomitzer und ich, auf den Weg, Spuren zu suchen, zu finden und einige Stationen fotografisch aufzunehmen. Die Fotografie hat sich zwischenzeitlich ganz gut entwickelt, das Aquarellbild ist hingegen etwas in den Hintergrund getreten. Was das Wetter betrifft, dürften die Wallfahrer einst mehr Glück gehabt haben, jedenfalls ist Kaiserwetter dargestellt. Wir mussten unsere Fahrt witterungsbedingt mehrmals verschieben. Der Sommer ist auch nicht mehr, das, was er einmal war.

Blick gegen Türnitz, Foto: M. Schaar

Das Danken ist des Pilgers Lust

Pilgerreisen hängen oftmals mit dem inneren Drang zusammen, Bitte oder Danke sagen zu wollen oder gar zu müssen. So war es auch im Fall des frommen Thronfolgers. Wir hingegen waren neugierig zu erfahren, was der Zahn der Zeit angerichtet oder übriggelassen hatte.
Der nachmalige Kaiser, den sie den Gütigen nannten, war im Jahr zuvor nach einem Schussattentat recht glimpflich davongekommen. Vermutlich wird’s ein blauer Fleck gewesen sein, der allerdings zu schwerer Krankheit führte, von der er schließlich wundersam genas. Also gelobte er, sich bei der Magna Mater Austriae zu bedanken. Man veranschlagte zwei Tagesreisen von der Spinnerin-am-Kreuz an der Triester (Reichs-)straße in Wien-Favoriten nach Mariazell im Steirischen mit einer Übernachtung in Wienerbruck. Gut 120 km in der sechsspännigen Kutsche, wir sind mit dem Auto herumgegurkt, haben aber nicht übernachtet.
Das Tiroler Landesmuseum „Ferdinandeum“ ist übrigens nach ihm benannt, aber das hat nichts mit der Wallfahrt zu tun.
 
Annaberg, Blick gegen den Ötscher © Land Niederösterreich,
Landessammlung Niederösterreich, Eduard Gurk, 1833



aktuelle Ansicht von Annaberg, Foto: M. Schaar

Reisen, erfinden, regieren, abbrennen

Wir schreiben das Jahr 1833. Charles Darwin hält sich zu Forschungszwecken in Südamerika auf, Samuel Morse baut den ersten Telegrafen und in der Wiener Hofburg residiert Kaiser Franz I., sein Geschäftsführer als Staatskanzler ist Fürst Metternich. Polizeistaat, Zensur und Bespitzelung prägen die Zeit des Vormärz, die damals noch nicht so geheißen hat. Ihr verdanken wir subversive satirische Literatur und das große Zeitungsangebot in traditionellen Wiener Kaffeehäusern. Zeitungen konnte der Biedermeier-Untertan nur abonnieren, da war es unverdächtiger, sie bei Kaffee und Likör auswärts zu konsumieren. Bespitzelung ist uns heute aus dem weltweiten Web auch nicht ganz fremd.
Auch auf und abseits der Pilgerroute ging es heiß her. Nur fünf Jahre vor der „mahlerischen Reise“ wurde Mariazell ein Raub der Flammen, offensichtlich ging der Wiederaufbau aber zügiger vonstatten, als das heute der Fall wäre. Die letzte Restaurierung beanspruchte 15 Jahre. Eduard Gurk malte eine völlig intakte Basilika, innen wie außen frisch gestrichen. Einige Postmeilen abseits vom Weg brannten im Jahr 1833 Teile der landesfürstlichen Stadt St. Pölten nieder. Beim achtlosen Speckauslassen in einem Wirtshaus fing das Schmalz Feuer, das Ledererviertel ging in Flammen auf, Kreisamt und Bürgerspital verwandelten sich in Brandruinen.
Eduard Gurk starb übrigens 1841, erst 40jährig in Syrien, Kaiser Ferdinand ging 1848 in Pension.
Text: Gerhard Hintringer
Fotos: Monika Schaar-Willomitzer


Nach dem Serienstart werden hier in loser Folge während der Ausstellung ausgewählte Stationen vorgestellt und die Aquarelldarstellung von Gurk mit der fotografierten Situation von heute verglichen. 

Sonderausstellung „Malerische Wallfahrt nach Mariazell in Aquarellen von Eduard Gurk
(26.10.2014 bis 22.3.2015)

Eröffnung: Sa, 25. Oktober 2014, 16 Uhr

Link zum Beitrag der Wiener Zeitung vom 19. März 2015:
http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/museum/740504_Rettung-eines-Guetigen.html