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Kulturbezirk 5, 3100 St. Pölten, Niederösterreich, Austria
Seit 2011 gibt es den Museumsblog. Bis 31. Juli 2016 waren es Themen, die im Zusammenhang mit den drei Kernbereichen des Landesmuseum Niederösterreich (Geschichte - Kunst - Natur) standen. Mit 1. August 2016 wird das Landesmuseum zum Museum Niederösterreich und somit ist der Museumsblog unter neuer Adresse zu finden: www.museumnoe.at/de/das-museum/blog

29. November 2013

Geschichte des Adventkalenders

Im Jahr 1980 erschien anlässlich der Ausstellung "Adventkalender"der Volkskundlichen Sammlung des NÖ Landesmuseums die erste größere Publikation zu diesem Thema im deutschen Sprachraum.
Der von Werner Galler damals herausgegebene Katalog basierte großteils auf Exponaten einer Privatsammlung und war bald vergriffen. Gezeigt wurden etwa 250 Exponate. Da es jedoch immer wieder Anfragen dazu gab, wurde ab den 1990erJahren begonnen, eine eigenständige Sammlung von Adventkalendern anzulegen.


Zur Geschichte des Adventkalenders

Der Sinn des Adventkalenders war es, die Zeit des Advents bis zur Geburt Christi durch eine Art Zeitmessung für die Kinder zu überbrücken. Als eine bekannte Vorform wird der an christlichen Schulen geübte Brauch des Einlegens von Strohhalmen in eine leere Krippe angesehen.
Der gedruckte früheste Adventkalender geht etwa auf das Jahr 1903 zurück. Es war der damals etwa 24jährige Gerhard Lang, Inhaber der "Lithographischen Kunstanstalt" Reichhold und Lang in München, der den Kalender "Im Lande des Christkinds", "ein reizendes Spielzeug...eine rechte Vorweihnachtsfreude...die den Kindern das lange Warten verkürzt..." herausbrachte. Er war zweiteilig, und bestand einerseits aus einem Blatt mit 24 Gedichten und andererseits aus einem zweiten Blatt mit Ausschneidekästchen, die dann  auf die entsprechenden Stellen der Gedichte zu kleben war.
Die vielfältige Entwicklung wurde nach dem 2. Weltkrieg gestoppt, bevor 1946 der erste Adventkalender des Richard Sellmer Verlages "Die kleine Stadt" in mehreren Sprachen erscheinen konnte. Die Kalender wurden zumeist aufgehängt, auch Stellkalender waren beliebt.

Das älteste Sammlungsstück des Landesmuseum, erworben 2004, stellt der Aufklebekalender "Die Himmelfahrt des Zwerg Nase" (Ein Weihnachtsmärchen von Otto Mayr-Arnold),illustriert von der Wiener Künstlerin Elsa Schnell-Dittmann, beginnend mit dem 6. Dezember aus der Zeit um 1920 dar.
Eine Rarität ist der 1942 erschienene "Vorweihnachtskalender", vom Hauptkulturamt der NSDAP herausgegeben, zusammengestellt von Thea Haupt. Der Hauptgedanke ist die Überwindung der Dunkelheit durch das Licht, Back- und Bastelanleitungen ergänzen ausgewählte  Sinnsprüche, Gedichte und Geschichten.
Aus der Nachkriegszeit stammt ein Kalender der Haus- und Küchengerätefirma F H. Madera, Wien 18, der ein Krippenhaus mit dem Christbaum in den Mittelpunkt stellte.
Ebenfalls als Werbemittel fungierten die seit etwa den 1950erJahren aufgelegten Kalender der Strumpf- und Wäschewarenfirma Palmers, deren grüne Kutsche mit den zwei Ponys auf keinem der Kalender fehlen durfte.
Unter den von Verlagen produzierten Kalendern sei der Linzer Veritas-Verlag genannt, der einen hohen Aufhängkalender mit einem "Veritas-Adventweg", vermutlich aus den 1980erJahren produzierte.


Text: Dr. Franz Groiß, Volkskundliche Sammlung Land Niederösterreich

Bräuche der Advent- und Weihnachtszeit

Barbarzweige

Photos.com, Foto: mallivan

Am 4. Dezember, dem Gedenktag der Hl. Barbara, werden gerne Zweige von prächtig blühenden Bäumen oder Sträuchern abgeschnitten und in Vasen gesteckt. Der Brauch geht auf eine Legende zurück, nach der die Hl. Barbara, eine frühchristliche Märtyrerin, auf ihrem Weg in das Gefängnis an einem Zweig hängengeblieben sein soll. Sie nahm den Zweig mit und wässerte ihn ein. Genau am Tag ihrer Verutreilung zum Tod soll der Zweig geblüht haben. Mit dem Blühen der Barbarazweige am Heiligen Abend verbanden sich verschiedene, regional unterschiedliche Orakel: Meist wurde das Blühen der Barbarazweige mit einer bevorstehenden Hochzeit in Verbindung gebracht oder auch der richtige Bräutigam konnte damit eruiert werden: Die einzelnen Zweige verschiedenen Verehrern zugeordnet, deutet der zuerst blühende Zweig auf den „Mister Right“.


Raunächte

Foto: photos.com,Hemera Technologie
Um die Raunächte ranken sich viele Erzählungen und Bräuche. So vielfältig wie das Brauchtum rund um diese längsten Nächte des Jahres sind auch die Erklärungen für deren Bezeichnung: Entweder geht das Wort auf das Mittelhochdeutsche „ruch“ , was soviel wie haarig bedeutet, zurück und meint damit die zottigen Gesellen, die etwa in der Vorstellung der „wilden Jagd“ in den Raunächten eine Rolle spielen. Eine andere Erklärungsmöglichkeit liegt in dem Brauch, an diesen Raunächten mit Weihrauch durch das Haus zu ziehen. In unseren Breiten werden die Raunächte als Nächte zwischen dem Heiligen Abend und Epiphanie, besser bekannt als Drei-Königs-Tag, angesehen. Die Besonderheit dieser Nächte zeigt sich auch im Wort Weihnachten, das im Mittelalter als Plural gebraucht, die geweihten Nächte zwischen Heiligem Abend und Epiphanie bezeichnet.
 


Ausrauchen

Räuchern, Foto: photos.com,
David Lovere

Wahrscheinlich gegen Ende des Mittelaters hat sich der Brauch herausgebildet, in den Raunächten die Wohnungen und Ställe mit Weihrauch zu beräuchern. Verbunden damit ist die Austreibung böser Geister sowie das Erflehen göttlichen Schutzes. Wo dieser Brauch in Niederösterreich noch begangen wird, so werden heutzutage am Heiligen Abend, zu Silvester und am 5. Jänner mit Weihrauch und Weihwasser die einzelnen Wohn- und Wirtschaftsräume beräuchert. Zu diesem mit Gebet begleitetem Zug durch und um das Haus versammelt sich die ganze Familie. Eine Besonderheit ist das „Rauch-Beten“ am Vorabend von Heiligen Drei Könige, die der Tradition nach dem neugeborenen Christuskind auch Weihrauch gebracht haben sollen. Dabei versammelt sich die Familie nach dem Ausrauchen zum Gebet rund um das Weihrauchfaß.



 


„Sampa-Müch“

Dieser Brauch ist nur in einigen Gegenden in Niederösterreich bekannt, hierbei besonders im Mostviertel. In der letzten Raunacht, sprich von 5. auf den 6. Jänner, wird der Heuboden gekehrt als Vorbereitung auf den Tanz der „Sempa-Muatta“ mit ihren Geißlein. Dem Brauch nach ist es streng verboten, in der Nacht Nachschau auf das wilde Treiben zu halten, da man sonst erblindet. Eine Analogie findet diese Erzählung in der auch in den Raunächten bekannten „wilden Jagd“. Ihren Ursprung hat die Gestalt der „Sampa-Muatta“ in heidnischen Vorstellungen von weiblichen Gottheiten, hierbei besonder von Ambeth, einer lebengebenden Frauengöttin. Daher gibt es im süddeutschen Raum auch den Brauch des „Sempa-Laufens“, bei dem junge Frauen zur Steigerung der Fruchtbarkeit mit der Lebensrute „geschlagen“ werden. Verbunden mit der „Sempa-Muatta“ ist die „Sempa-Müch“: Klein geschnittenes Brot oder Semmeln werden mit warmer Milch übergossen und von der ganzen Familie aus einer großen Schüssel gegessen. Die verwendeten Löffel werden über Nacht in einen kleinen übrig gelassenen Rest der „Sampa-Müch“ gesteckt und wer am Morgen am meisten Rahm auf dem Löffel hat, der gilt als der Reichste im Haushalt das ganze Jahr über.

Text: Dr. Johannes Kritzl

Adventkranz

Der liturgische Adventkranz

Beim Adventkranz handelt es sich um einen relativ jungen Brauch der Adventzeit. Der evangelische Theologe und Erzieher Johann Hinrich Wichern gilt als Erfinder des Adventkranzes. 1839 soll er für arme Kinder, denen er ein Zuhause gab, in Hamburg den ersten Adventkranz aus einem Wagenrad gebastelt und ihn mit Kerzen versehen haben. Für jeden Tag des Advents war eine Kerze vorgesehen, im Lauf der Zeit reduzierte sich die Anzahl der Kerzen auf die vier Adventsonntage. In den katholischen Bereich hat der Brauch des Adventkranzes erst vor nicht einmal hundert Jahren Eingang gefunden.

Das Objekt des Monats Dezember 2013 im Landesmuseum ist der liturgische Adventkranz.
 
Adventkranz, Foto: B. Gramm

Ein liturgischer Adventkranz zeichnet sich durch drei violette und eine rosa Kerze aus. Die Bezeichnung liturgischer Adventkranz geht auf die sowohl in der katholischen wie auch evangelischen Kirche verwendeten Farben für die Sonntagsliturgie zurück. 
Am ersten, zweiten und vierten Sonntag wird die Farbe violett verwendet, was auf den besinnlichen Charakter der Adventzeit hindeutet. So wurde erst vor rund hundert Jahren mit dem neuen Codex Iuris Canonici 1917 für Katholiken das verbindliche Fasten in der Adventzeit ausgesetzt. 
Der dritte Sonntag der Adventzeit trägt den Namen „Gaudete“, nach dem Introitus des Gottesdienstes: Gaudete semper in Domino - Freut euch im Herrn allezeit (Phil 4,4). Da mit dem dritten Adventsonntag das Weihnachtsfest schon in greifbare Nähe gerückt ist, wird er auch als Sonntag der Vorfreude bezeichnet, weshalb das auf die Buße hinweisende Violett an diesem Sonntag zu einem fröhlicheren Rosa abgeschwächt wird. So kann man zweimal im Jahr, einmal im Advent und einmal in der österlichen Bußzeit, den Pfarrer der Gemeinde in rosa Messgewändern sehen.
 

Schon gewusst? Der Advent ist im Unterschied zur österlichen Bußzeit jedes Jahr unterschiedlich lang. Die Regel lautet, dass die letzten vier Sonntage vor dem 25. Dezember als Adventsonntage gelten. Somit kann der erste Adventsonntag, der den Beginn des Advents markiert, in einer Zeitspanne zwischen dem 27. November und dem 3. Dezember liegen.

Text: Dr. Johannes Kritzl

22. November 2013

Die Eibe

Baum des Jahres 2013

2013 wurde über das Gemeinschaftsprojekt von Lebensministerium und Kuratorium Wald, die Eibe (Taxus baccata) als „Baum des Jahres“ auserwählt. Sie fällt uns besonders im Herbst durch ihr saftiges Grün und ihre rot leuchtenden, beerenartigen Samenhüllen auf. 

Eibe, Foto: A. Habiger

Da bei der Eibe bis auf die Samenhülle alles giftig ist, wird sie häufig Gegenstand von Diskussionen rund um die Gartengestaltung. Gestutzt,  geschnitten und  in Form gebracht, als Hecke oder einzeln stehend, ist sie dennoch in unserem Garten ein oft gesehener  Baum.  Im Winter belebt sie als immergrüne Pflanze den Garten und im oft stiefmütterlich behandelten Schattengarten gedeiht sie prächtig. Wegen der enormen Austriebsfähigkeit liebten die Gärtner diesen Baum  bereits im Barock und legten Eibenlabyrinthe als Landschaftselemente an.  Selbst am Grabe steht sie uns noch zur Seite. Mit ihren dunkelgrünen Nadeln erweist sie sich jahrein, jahraus als würdiger „Totenbaum“. 
Eigentlich glauben wir ganz gut über die Eibe Bescheid zu wissen.  Aber wer kennt sie schon außerhalb der Grenzen von Gärten, Parkanlagen und Friedhöfen? Dort trifft man die Eibe, obwohl sie heimisch ist, nur noch sehr selten an. Als Waldbaum ist die Eibe vom Aussterben bedroht.
 

Innerhalb der Gattung Eibe gibt es insgesamt 6 verschiedene Arten. Die natürliche Verbreitung der Gemeinen Eibe (unsere heimische Art) erstreckt sich von ganz Europa und Kleinasien bis in den Iran. Sie stellt einen der ältesten Bäume unserer Heimat dar und gehört zur Klasse der Gymnospermae (Nacktsame).  Bei dieser primitiven Pflanzenklasse gibt es sowohl männliche als auch weibliche Blüten. Bei den Eiben sind die Geschlechter auf verschiedene Bäume verteilt (Zweihäusigkeit). Im Februar erscheint der männliche Baum in einer gelben Pollenwolke, während die rote Samenhülle nur bei den weiblichen Bäumen im Herbst auftritt.  Das sehr harte und schwere Holz wurde bereits in der Steinzeit von den Menschen sehr geschätzt.

Eibe, Foto: A. Habiger
Diverse Waffen, wie Lanze, Bogen und Armbrust, Zapfhähne, Musikinstrumente, nicht zu vergessen Furnierarbeiten und Schnitzereien stehen unter anderen auf der langen Liste. Auch Ötzi, der weltweit bekannte, im ewigen Eis gefundene Similaun-Mensch besaß einen Bogen aus diesem extrem elastischen Holz. Heute ist die Eibe im Holzfachhandel  kaum vertreten.  Ein Möbelstück aus Eibenholz stellt etwas ganz Besonderes dar. Da der Baum nur noch sehr selten in unseren Wäldern vorkommt, wird das Holz zu hohen Preisen gehandelt. Doch wie kam es, dass die Eibe aus unseren Breiten nahezu verschwunden ist?
Nach der Eiszeit,  als sich der Wald wieder ausbreiten konnte, setzte sich die Eibe zunächst noch sehr gut durch. Sie drang sogar bis in den Süden von Skandinavien vor. Durch ihren stärksten Konkurrenten, die ebenfalls schattenverträgliche Buche, kam es jedoch zu einem Rückgang der Eiben. Durch die Holznutzung wurde sie beinahe ausgerottet. Der Holzverbrauch erreichte im Hochmittelalter seinen Höhepunkt, als England für Langbögen als Kriegswaffen sogar Rohlinge über das Meer importierten. 


Nicht alle Bewirtschaftungsformen bieten gute Voraussetzungen für die Eibe. Als Jungpflanze braucht sie viel Schatten um konkurrieren zu können, später aber wieder Licht um die Blüte anzuregen und sich zu verjüngen. Dort wo es Weidevieh gab, wurden Eiben aus Sicherheitsgründen entfernt. Die Samen und Nadeln sind für Kühe und Pferde hochgiftig. Die derzeitige hohe Wilddichte und der damit einhergehende starke Wildverbiss verhindern zusätzlich das Aufkommen der Eibe. Anders als bei Menschen, Pferden und Kühen, vertragen Rehe und Hirsche diese Pflanze sehr gut. Eibensprösslinge werden vom Wild gerne gefressen.
Aus all diesen Gründen musste die Eibe unter Naturschutz gestellt werden. 


Ein Verschwinden dieses wertvollen Baumes aus unseren Wäldern wäre sehr bedauerlich. Abgesehen von den  exzellenten Holzeigenschaften und den vielen Gestaltungsmöglichkeiten im Garten, spielt die Eibe auch als Hoffnungsträger  in der Medizin eine bedeutende Rolle.  Aus der Rinde der Pazifischen Eibe gewinnt man einen Wirkstoff  gegen verschiedene Krebskrankheiten. Heute kann dieses Mittel auch aus unserer heimischen Gemeinen Eibe teilsynthetisch hergestellt werden.
 

Mit der Aktion „Baum des Jahres“ soll auf die Situation der Eibe aufmerksam gemacht werden. Zur Erhaltung der genetischen Vielfalt fördert das Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) den Bestand der Eibe durch gezielte waldbauliche Maßnahmen. Als Ergebnis aller unterstützender Maßnahmen soll in Zukunft dieser Baum wieder ein sicherer Bestandteil unserer Wälder werden.

Text: Astrid Habiger

14. November 2013

Igel

Ein gern gesehener Gast in unseren Gärten

Weiß oder braun?

Igel, photos.com, Foto: Gustav Bergman
Spricht man vom Igel, so ist in Österreich meist der Braunbrustigel (Erinaceus europaeus) gemeint. Dabei ist er nicht die einzige heimische Igelart. Denn in Österreich überlappt sich das Verbreitungsgebiet des Braunbrustigels (der in West- und Teilen Nordeuropas vorkommt) mit jenem des Nördlichen Weißbrustigels, den man in Osteuropa antrifft. Die beiden Arten unterscheiden sich in der Fellfarbe von Brust und teilweise auch Kehle. Ansonsten aber ähneln sie einander stark in Aussehen und Verhalten. Beide bevorzugen strukturreiche Gebiete mit unterschiedlicher Vegetation. Da jedoch in Regionen mit intensiver Land- und Forstwirtschaft solche Lebensräume oft rar sind, nutzen Igel als sogenannte Kulturfolger heute gerne Gärten und Parks. Ihr Streifgebiet kann eine Größe von bis zu 1 km2 umfassen. Es kann sich mit dem Aktionsraum anderer Igel überlappen und wird nicht gegen Artgenossen verteidigt. Igel sind friedliche Einzelgänger, die einander lieber aus dem Weg gehen.

Kleiner Insektenfresser mit großem Appetit

Igel erreichen eine Größe von  bis zu 30 cm und ein Gewicht von 800 bis 1.500 Gramm, wobei die Männchen größer und schwerer sind als die Weibchen. Sie gehören – genau wie zum Beispiel Maulwürfe und Spitzmäuse – zur Gruppe der Insektenfresser. Neben verschiedenen Insekten und deren Larven fressen sie aber auch Tausendfüßer, Spinnen und Schnecken. Beobachten kann man sie bei der Futtersuche allerdings nur selten, denn Igel schlafen am Tag und jagen in der Nacht. Sie müssen während des Sommers ausreichend Fett als Reserve für den Winter ansetzen. Denn während des Winterschlafs kommen sie bis zu sechs Monate ohne Futter aus. Dabei verlieren die Tiere ein bis zwei Fünftel ihres Körpergewichts. Um die kalte Jahreszeit unbeschadet zu überstehen, müssen junge Igel deshalb mindestens ein halbes Kilogramm auf die Waage bringen.

Stachelkleid

Igel, Foto: M. Schaar
Das wohl auffälligste Merkmal des Igels sind seine Stacheln, die Kopfoberseite und Rücken bedecken. Es handelt sich bei diesen Stacheln um nichts anderes als umgewandelte Haare. Sie sind hohl und bei einem erwachsenen Tier zwischen 2 und 3 cm lang und rund 2 mm dick. Da sie genau wie gewöhnliche Haare aus Keratin bestehen, sind sie fest, aber zugleich biegsam und können sogar Stürze aus einiger Höhe abfedern. Während ein neu geborener Igel nur etwa 100 noch sehr weiche Stacheln besitzt, sind es bei einem ausgewachsenen Tier zwischen 6.000 und 8.000. Sie bilden einen äußerst wirksamen Schutz gegen Feinde: Bei Gefahr zieht ein Igel zunächst seine Stirnstacheln wie ein Visier über die Augen. Dann rollt er sich mit Hilfe eines Ringmuskels zu einer Kugel zusammen und stellt die Stacheln auf. Dieser Abwehrmechanismus funktioniert aber nur bei den natürlichen Feinden des Igels, wie zum Beispiel bei Greifvögeln oder Füchsen. Gegen Autos oder Landmaschinen bietet das Stachelkleid allerdings keinen Schutz.

Schwache Augen, feine Nase, gutes Gehör

Die Augen des Igels sind entsprechend seiner nächtlichen Lebensweise eher schwach. Jedoch besitzen Igel einen hervorragenden Gehör- und Geruchssinn. Anders als Menschen hören sie auch im Ultraschallbereich. Ihre Nahrung identifizieren die Tiere mit dem sogenannten Jacobsonschen Organ – einem speziellen Geruchsorgan im Gaumendach. Duft- beziehungsweise Geschmacksmoleküle werden mit der Zunge aufgenommen und mit diesem zusätzlichen Sinnesorgan geprüft. Oft hört man den Igel dann laut schnüffeln, schmatzen und schnaufen. Denn Igel riechen nicht nur an für sie attraktiven Gegenständen, sie kauen auch darauf herum. Dabei bildet sich ein schaumiger Speichel, der zu den Sinneszellen des Jacobsonschen Organs befördert wird. Diese vermehrte Speichelbildung ist ganz natürlich und hat absolut nichts mit Tollwut zu tun!

Igelkarussell

Nach Ende des Winterschlafs, im April oder Mai, beginnt bei den Igeln die Paarungszeit, die sich bis in den Hochsommer erstreckt. Igelmännchen legen während dieser Zeit oft große Distanzen zurück, um ein paarungsbereites Weibchen zu finden. Sie umkreisen die Auserwählte unter lautem Schnaufen und Grunzen. Da sich das Weibchen zunächst vom Männchen abwendet, drehen sich die beiden Tiere im Kreis. Man bezeichnet dieses Verhalten, das oft mehrere Stunden dauern kann, als Igelkarussell. Nach erfolgreicher Paarung (bei der das Weibchen die Stacheln eng an den Körper legt, um das Männchen nicht zu verletzen) verlässt das Männchen seine Partnerin. Das Weibchen kümmert sich allein um die Aufzucht der zwei bis zehn Jungen, die nach etwa 35 Tagen Tragzeit geboren werden. Die jungen Igel sind zunächst noch blind und taub und wiegen nur 12 bis 25 Gramm. Sechs Wochen lang werden sie von der Mutter gesäugt. Danach ernähren sie sich selbständig. In nur einer einzigen Nacht können Igelkinder bis zu 10 Gramm zunehmen! Das ist wichtig, damit sie ihren ersten Winter gut überstehen.

Winterschlaf

Igel, photos.com, Foto:  Marek Tihelka
Um den Nahrungsmangel während der kalten Jahreszeit zu überbrücken, halten Igel Winterschlaf. Dieser Winterschlaf dauert (abhängig von der Region und den klimatischen Verhältnissen) von November bis Ende März / Anfang April. Die Tiere suchen dazu ein geeignetes Winterquartier, wie zum Beispiel einen Laub- oder Reisighaufen auf. Während des Winterschlafs werden sämtliche Körperfunktionen auf ein Mindestmaß gedrosselt: Ihr Stoffwechsel wird bis zu hundertmal langsamer. Die Körpertemperatur sinkt von 36° auf rund 5° C. Das Herz schlägt nur noch etwas mehr als 10mal in der Minute und die Atemfrequenz sinkt auf rund 5 Atemzüge pro Minute. Igel verschlafen jedoch nicht den ganzen Winter am Stück. In der Regel wachen sie zwischenzeitlich auf, bleiben aber in ihrem Nest. Erst wenn die Außentemperatur im Frühjahr wieder längere Zeit über 10°C liegt, wird der Winterschlaf beendet. Die Durchblutung wird erhöht, Atem- und Herzfrequenz steigen. Durch Muskelzittern erreicht der Igel wieder seine normale „Betriebstemperatur“.

Igel in Gefahr

Igel, Foto: M. Schaar
Gegen seine natürlichen Feinde schützt sich der Igel sehr erfolgreich mit seinem Stachelkleid. Vielen anderen Gefahren ist er jedoch schutzlos ausgeliefert. So sind Igel mittlerweile auf der Roten Liste der geschützten Tiere Österreichs als gefährdet bis stark gefährdet ausgewiesen. Vor allem die Verarmung der Landschaft und der damit einhergehende Verlust von geeignetem Lebensraum machen den Tieren zu schaffen. In intensiv land- und forstwirtschaftlich genutzten Gebieten fehlt es an den nötigen Strukturen (wie zum Beispiel Hecken oder insektenreichen Magerwiesen). Siedlungs- und Straßenbau schränken den Lebensraum des Igels weiter ein. Zudem reagieren Igel sehr empfindlich auf den Einsatz von Düngern und Pestiziden. Vor allem aber auf unseren Straßen kommen jährlich unzählige Igel zu Tode.

Erste Hilfe?

Am besten kann man Igel unterstützen, indem man für eine Verbesserung ihres Lebensraums in Siedlungsbereichen sorgt – etwa dadurch, dass man einen Teil des Strauch- und Baumschnitts liegenlässt oder andere Unterschlupfmöglichkeiten  bietet. Gefahrenstellen (wie zum Beispiel Schächte oder Schwimmbecken) sollten entschärft werden. Auf den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sollte man so weit als möglich verzichten. Nicht notwendig ist es dagegen, einen gesunden Igel aus falsch verstandener Fürsorge den Winter über in Pflege zu nehmen. Eine solche Betreuung ist nur bei deutlich zu leichten, kranken oder verletzten Tieren sinnvoll und muss stets fachkundig erfolgen.

Text: Dr. Andrea Benedetter-Herramhof